Hamburg. Das Ensemble an der Alten Holstenstraße in Bergedorf wurde 2023 einer weiteren Statue beraubt. Künstler arbeitet am Wiederaufbau mit.
Seit August steht sie etwas einsam am Eingang zur Alten Holstenstraße, die letzte verbliebene Skulptur des Künstlers Rolf Thiele. Doch nach Aussage des Bergedorfer Bezirksamts soll das Ensemble aus Kunstwerken wiederhergestellt werden – zumindest teilweise. Denn der Aufenthaltsort der im vergangenen Jahr von einem Lkw umgefahrenen Steinstele ist den Behörden bekannt, es gibt Pläne für den Wiederaufbau. Keine Selbstverständlichkeit angesichts der bewegten Vergangenheit der Kunstinstallation.
Seit 1994 stand die „Bergedorfer Skulpturengruppe“ von Rolf Thiele vor dem heutigen Marktkauf-Center. Der Millionär Ernst Langner hatte das 200.000 Mark teure Werk gestiftet, das sowohl den Eingangsbereich des Einkaufszentrums als auch der Fußgängerzone verschönern sollte – eine Entscheidung, die in Bergedorf nicht nur auf Begeisterung stieß. Im Jahr 2011 beschädigten Unbekannte eine der in einem Dreieck angeordneten Skulpturen. Das Bezirksamt ließ den demolierten Bronzetorso vorsichtshalber abbauen und „aus Sicherheitsgründen“ einlagern. Auch, weil die Alte Holstenstraße neu gestalten werden sollte.
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Das Problem: Als die sanierte Fußgängerzone 2013 neu eröffnet wurde, fehlte von dem Kunstobjekt weiterhin jede Spur. Unbekannte Täter hatten das Werk aus Metall anscheinend schlichtweg aus dem Bauhof entwendet. Der in Frankreich lebende Künstler Rolf Thiele war empört ob des Umgangs mit seinem Werk: „Man kann nicht einfach einen Teil ersatzlos entfernen und damit die Bedeutungsebene des Kunstwerkes vernichten. Man nennt das wohl Banausentum oder unprofessionelle Willkür.“
2014 räumte der damalige Bezirksamtschef Arne Dornquast ein, dass Thiele ein Recht darauf habe, dass sein Werk rekonstruiert werde. Doch einen neuen Bronzetorso zu gießen und dafür eine neue Form zu modellieren, hätte 50.000 Euro gekostet. Versicherungen für solche Werke schließe die Stadt Hamburg grundsätzlich nicht ab, erklärte damals der Senat. Der Bezirk Bergedorf konnte die nötige Summe jedoch nicht aufbringen. Die Hoffnung auf mögliche Spender erfüllte sich nicht. Ersatz einklagen, wollte Thiele nicht. „Kunst muss man wollen“, kommentierte er die Situation 2016 resigniert.
So verblieb die Skulpturengruppe als Duo bestehen – bis 2023, als am 10. August ein Lastwagen die Steinstele rammte und umriss. Das gestürzte Kunstwerk wurde erneut abtransportiert und bleibt bis heute verschwunden. Nachdem die Linkenfraktion nachgebohrt hatte, konnten die Behörden in diesem Fall aber Entwarnung geben: Die Stele befindet sich in einem abgeschlossenen Raum des Fachamts für Management des öffentlichen Raumes am Kampweg 4.
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Am 5. September sei Rolf Thiele per E-Mail über die Situation informiert worden – der Künstler sei bereit, sich am Wiederaufbau zu beteiligen. „Zum Glück ist die Skulptur so gefallen, dass sie nicht kaputtgegangen ist“, berichtet Rudi Walter, der für die Bergedorfer Linke im Kulturausschuss sitzt. Wie teuer es wird, die Steinstele wieder an Ort und Stelle aufzurichten, steht noch nicht fest. Die Kosten muss nach Auskunft des Bezirks der Verursacher des Unfalls – oder dessen Versicherung – tragen.
Laut Bezirkssprecher Lennart Hellmessen sei diskutiert worden, ob die Skulpturengruppe gegen weitere Beschädigungen, gerade durch Autos, geschützt werden könne. „In diesem Bereich ist das allerdings schwierig“, so der Sprecher. Am Eingang der Fußgängerzone seien viele Lieferfahrzeuge unterwegs, die Platz zum Rangieren brauchen. Hellmessen: „Außerdem stellt sich die Frage, ob die künstlerische Aussage bewahrt wird, wenn wir die Skulpturengruppe einzäunen würden.“