Hamburg. Seit zehn Jahren widmet sich Gregor Kalus der Malerei. Vor allem die Porträts haben eine wachsende Fangemeinde – auch unter Politikern.
Als Gregor Kalus vor gut zehn Jahren nach seinem Wirtschaftsingenieurstudium seinen gut bezahlten und soliden Job an den Nagel hängte, um sich voll und ganz der Kunst zu widmen, muss es für viele wie ein großes Risiko ausgesehen haben. Der 44-Jährige aber hat die Entscheidung nie bereut. „Ich bin Maler und habe darin meine Berufung gefunden“, sagt er voll Überzeugung. Und der Erfolg gibt ihm recht: Seit etwa sechs bis sieben Jahren kann er von seiner Kunst, die in seinem Atelier am Neuengammer Hausdeich entsteht, sein Leben finanzieren.
Darauf habe er natürlich gehofft und es sich gewünscht, als er alles auf die Karte Kunst setzte. „Aber es wäre vermessen gewesen, damit zu rechnen“, stellt der 44-Jährige fest. Schließlich gebe es so viele andere Künstler, konkurriere man heute nicht nur in Neuengamme, Bergedorf und Hamburg um die Gunst kunstinteressierter Kunden, sondern – durch Social Media – mit der ganzen Welt. Es sei daher schon schwieriger als früher, sich durchzusetzen, ist er überzeugt.
Tusche-Porträts aus Neuengamme werden zum „teuersten Panini-Album der Welt“
Umso dankbarer ist Gregor Kalus, sich nicht noch Geld in Aushilfsjobs dazuverdienen oder gar in seinen alten Job zurückkehren zu müssen. Und das verdankt er wohl seinem unverkennbaren Stil, der längst zu seiner Sprache geworden ist: Schon seine Öl-Bilder hatten großen Wiedererkennungswert. Dabei malte Gregor Kalus auf Pressholz-Platten, die beim Warentransport auf Europa-Paletten gelegt und später im Müll landen. Damit sparte er sich den Kauf teurer, weißer Leinwände. Die braune Struktur der Platten ließ er stets sichtbar, was schnell zu seinem Markenzeichen wurde.
Mittlerweile ist aber längst ein zweites hinzugekommen, das noch eine stärkere Außenwirkung hat als die Ölbilder: seine Tuschearbeiten. Die Arbeit mit der Wasserfarbe, die in Windeseile trocknet, hat den Künstler aus seiner Komfortzone gelockt. Denn während Ölfarbe sehr geduldig ist und ihm die Möglichkeit gibt, immer wieder etwas zu verändern oder auszubessern, muss der 44-Jährige bei der Tusche viel intuitiver und schneller ans Werk gehen. Er weiß, dass er oftmals viel zu verkopft ist. Die Tusche lässt aber keine Zeit, um groß nachzudenken. Er muss also die Zügel ein Stück weit aus der Hand geben, was seiner Persönlichkeit gutgetan habe, weiß Gregor Kalus.
Franz Beckenbauer ist das neueste Porträt der Reihe
Vor allem seine Porträts haben eine wachsende Fangemeinde: Diverse Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens werden von dem Künstler porträtiert. Und auch wenn die Gesichter aufgrund der speziellen Maltechnik flüchtig wirken, so als wären sie im Begriff, sich aufzulösen, sind sie für den Betrachter doch identifizierbar: Cristiano Ronaldo, Marilyn Manson oder Karl Marx wurden ebenso schon mit Tusche auf Papier gebannt wie Frida Kahlo oder Franz Beckenbauer, der Anfang Januar gestorben ist und nun zu den neuesten von Kalus‘ Werken zählt.
Gregor Kalus braucht einen Zugang zu der Person, die er gerade malt,sie muss ihn aktuell beschäftigen. Es gebe Persönlichkeiten, die gleich beim ersten Versuch gelängen. Andere wiederum bräuchten diverse Anläufe, andere seien bisher noch gar nicht gelungen. Dazu zähle etwa Michael Jackson, verrät er. Vielleicht liege es daran, dass es nicht das eine Erscheinungsbild des „King of Pop“ gibt, sondern er sich im Laufe seines Lebens stark verändert habe, mutmaßt der Künstler.
Jedes Tusche-Porträt ist und bleibt ein Unikat
Sofern einmal gelungen, ist jedes Porträt ein Unikat. Denn es gebe auch Flecken und Verschmierungen, würde die Tusche nie wieder genau so fließen, wie sie mal geflossen ist. „Die Porträts kann man nicht kopieren, nicht mal ich selbst“, stellt Gregor Kalus fest. 150 bis 200 Porträts sind etwa im Umlauf und mittlerweile habe er schon mitbekommen, dass Käufer versucht haben, bestimmte Personen mit anderen Käufern zu tauschen. Scherzeshalber werde daher schon vom „teuerstes Panini-Album der Welt“ gesprochen, erzählt Gregor Kalus, der mittlerweile 1900 Euro für ein Tusche-Porträt aufruft.
Vereinzelt gibt es Käufer, die sich nur für ein einzelnes Porträt entscheiden, weil sie ganz bewusst die abgebildete Person als Tusche an die Wand hängen möchten. Häufig aber werden die Porträts als Nonett verkauft: Bei der Zusammenstellung kommt es darauf an, dass die neun verschiedenen Persönlichkeiten nicht alle aus einer Branche oder Bereich stammen, also nicht etwa neun Sportler, Musiker oder Politiker gemeinsam an der Wand hängen.
Warum Porträt von Angela Merkel bei hohem SPD-Mann an der Wand hängt
Enthalten sein muss auch immer eine böse Gestalt, wie etwa Hitler oder Putin. Und das hat einen Grund: „Space forgets everbody“ nennt Gregor Kalus die Porträt-Reihe und will damit zum Ausdruck bringen, dass diese Persönlichkeiten ebenso zur Gesellschaft dazugehören. Und vor allem, dass sie aus Sicht des Universums gleichsam unbedeutend sind.
„Das Universum vergisst uns nämlich alle, ganz unabhängig davon, wer wir zu Lebzeiten sind oder waren“, stellt Gregor Kalus fest. Wegen des fehlenden thematischen Zusammenhalts reduziere sich der gemeinsame Nenner der abgebildeten Persönlichkeiten daher auf das Menschsein und die Vergänglichkeit, erklärt der Künstler.
Angela Merkel etwa hängt nun bei einem hohen Sozialdemokraten im Wohnzimmer. Denn SPD-Bundesvorsitzender Lars Klingbeil und seine Frau Lena hatten Bilder von Gregor Kalus in einer Berliner Anwaltskanzlei entdeckt und den Neuengammer Künstler danach auf allen Kanälen wie E-Mail und Soziale Medien kontaktiert. Das ist für ihn das schönste Kompliment, dass die Leute den Weg zu ihm finden, weil ihnen seine Kunst aufgefallen ist und gefällt, stellt Gregor Kalus fest.
„Der fallende Mann“ ziert Buch-Cover von Nobelpreisträger Albert Camus
Für die ehemalige Bundeskanzlerin der CDU habe sich das Paar ganz bewusst entschieden, als es Gregor Kalus in Neuengamme besuchte, erinnert sich der Künstler. Ebenso wählte Klingbeil als bekennender Fußballfan Manuel Neuer und Mats Hummels. Hinzu gesellen sich Anne Frank und Barack Obama, aber eben auch Assad. Fragen, warum das Paar den syrischen Diktator an der Wand hängen hat, würden nicht ausbleiben, weiß Kalus.
Seine Bilder zieren aber mittlerweile nicht mehr nur Wände von teils prominenten Kunstsammlern, sondern auch Bücher: Im vergangenen Jahr ist der Rowohlt-Verlag auf eines seiner Werke aufmerksam geworden: „Der fallende Mann“ ist daher nun auf dem Cover von „Der Fall“ von Albert Camus zu sehen. Es sei eine große Ehre, auf dem Werk eines Nobelpreisträgers zu sein und ein tolles Gefühl, sein Bild in den Bücherläden zu entdecken, betont Gregor Kalus.
Gleich zwei Galerien vertreten den Künstler auf der „art karlsruhe“
Und so sehr ihn der steigende Erfolg seiner Kunst freut, möchte er auch nicht alles idealisieren. Er habe eben nicht einfach nur sein Hobby zum Beruf gemacht, sondern es stecke auch viel Arbeit darin. In seinen Arbeitsphasen verbringt er die Zeit von nachmittags bis tief in die Nacht in seinem Atelier. 80 Prozent seien von Frust geprägt, schätzt der 44-Jährige. Aber es gebe auch die kurzen „Flow-Phasen“, wie er beschreibt. Dann passiere etwas, was er selbst nicht steuern könne. Dann entstehen Bilder, bei denen er rückblickend denkt, er habe sie gar nicht selber gemalt.
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Einer, der von Anfang an an sein Können geglaubt hat, war Andreas Schroeter. Das Haus, in dem der vor fünf Jahren verstorbene Veterinär seine Praxis hatte, hat Gregor Kalus weiterhin gemietet, lebt und wirkt dort. Nun kann Andreas Schroeter nicht mehr miterleben, wie erfolgreich die Kunst von Kalus mittlerweile geworden ist. „Ich wünschte, er hätte sehen können, was daraus geworden ist. Das hätte ich gern mit ihm geteilt“, sagt der Künstler.
Von Mittwoch, 21. Februar, bis Sonntag, 25. Februar, wird seine Kunst auf der „art Karlsruhe“ zu sehen sein. Auf der internationalen Messe für Klassiche Moderne und Gegenwartskunst präsentieren mehr als 170 renommierte Galerien aus 13 Ländern ihr Programm. Gregor Kalus wird dort sogar gleich von zwei Galerien vertreten – von „gräfe art.concept“ aus Berlin sowie „Schlieder Contemporary“ aus Frankfurt am Main. Dort sind die Werke aus Neuengamme dauerhaft zu finden. Eine weitere Galerie in Seattle soll bald hinzukommen, verrät Gregor Kalus.