Hamburg. Unschöner Zustand sorgte bereits dafür, dass Anlage nicht Unesco-Weltkulturerbe wurde. FDP-Denkmalexperte sieht Versäumnisse der Stadt.

Der Frust saß tief bei allen Freunden der Hamburger Sternwarte, als die Kultusministerkonferenz Ende 2023 dem Observatorium den Sprung auf die Vorschlagsliste für die Unesco verwehrte. Ein Grund für die Absage schockierte besonders: Das Gelände am Gojenbergsweg sei ungepflegt. Hamburgs Wissenschaftsbehörde beeilte sich danach zwar, Instandhaltungen anzukündigen. Doch dem Bergedorfer FDP-Bezirkspolitiker und Denkmalsachverständigen Dr. Geerd Dahms ist das nicht genug: Der Kulturausschussvorsitzende hat die nächste Sitzung des Ausschusses am 8. April kurzerhand in den Seminarraum der Sternwarte gelegt – und Vertreter der Behörden dazugeladen.

Die gescheiterte Bewerbung soll Thema sein und mit ihr der teils beklagenswerte Zustand der Anlage. Denn das denkmalgeschützte Areal der Sternwarte mit ihren zahlreichen Gebäuden ähnelt in manchen Ecken fast einem Lost Place: Farbe blättert ab, es rostet, auf Dächern wächst Moos, die kleinen Straßen haben tiefe Schlaglöcher. „Es kann nicht immer alles blitzblank sein – aber es ist Aufgabe der Stadt, sich um das Kulturdenkmal zu kümmern“, stellt Geerd Dahms fest, der sich mit seiner Kritik ausdrücklich nicht auf die Technik oder den wissenschaftlichen Betrieb bezieht, sondern allein auf den äußeren Zustand der Anlage.

Hamburger Sternwarte in Bergdorf: schmutzig, morsch und trostlos

Am Sonnabend, 23. März, möchte der FDP-Bezirkspolitiker ab 14 Uhr mit Interessierten über das Gelände gehen (keine Anmeldung nötig) und zeigen, was dem Betrachter sofort ins Auge springt: Es bröckelt überall. Zum Beispiel am Meridiankreis: Das Gebäude hat auf seiner Rückseite einen hölzernen Aufgang, der aussieht, als würde er beim Betreten zusammenbrechen. Risse im Mauerwerk, moosige Stufen, Spinnweben: Hier könnte problemlos ein Gruselfilm gedreht werden. Im hinteren Gebäudebereich ist die grüne Eingangstür so morsch, dass sie bereits am unteren Ende auseinanderfällt.

In einem gemeinsamen Antrag der Koalition aus FDP, Grünen und SPD formuliert er es so: „Farbe blättert ab und Putz fällt von den Fassaden und legt Mauerwerk frei, historische Sandsteingesimse bröckeln ab, die Metallkuppeln der Observatorien sind nicht nur verdreckt, sondern teils erheblich korrodiert, ein technischer Anbau am Sonnenbau wirkt einsturzgefährdet, der Meridiankreis erscheint wie ein zum Abbruch freigegebenes Gebäude, Holzbauteile, wie Türen und Fenster sind teils verrottet.“ Der Antrag soll in der nächsten Bezirksversammlung beschlossen werden und beinhaltet die Forderung, „ohne weiteren Verzug“ mit Sanierungen zu beginnen.

Diese Eingangstür am Meridiankreis ist morsch und zerfällt. Die Stufen sind voller Moos.
Diese Eingangstür am Meridiankreis ist morsch und zerfällt. Die Stufen sind voller Moos. © Christina Rückert | Christina Rückert

Aber es sind auch die Kleinigkeiten, die Geerd Dahms beim Ortstermin ärgern: ein im Rasen herumliegendes Stück Mauerwerk („das gehört wohl zu einem Gebäude“), ein großes Erdloch in dem Hügel, auf dem der Meridiankreis steht („offenbar brauchte jemand Sand und hat ihn hier rausgenommen“), ein seltsamer winziger „Teich“ von kaum einem Meter Länge und ein Wildbienenbiotop mitten auf einem Rasenstück. Manches gehöre hier schlicht nicht hin, meint Dahms, der ein Konzept für die Anlage vermisst.

Für Geerd Dahms ist die Sache klar. „Es gibt ein Denkmalschutzgesetz“, die Stadt Hamburg sei verpflichtet, die eigenen Gelände vorbildlich zu pflegen. „Wenn das vorbildlich sein soll, dann weiß ich auch nicht.“ Ihn ärgert zudem, dass manche Reparaturen gar nicht aufwendig sind, sondern schnell zu realisieren wären. Etwa der Ausbau einer morschen Tür zwecks Sanierung, das Streichen eines Geländers oder das Entmoosen von Schildern. All das zeigt für Dahms und seine FDP auf: Hier ist Handlungsbedarf.

Der Sonnenbau: rostige Technik, bröselnde Mauern.
Der Sonnenbau: rostige Technik, bröselnde Mauern. © Christina Rückert | Christina Rückert

Nach dem gescheiterten Versuch, auf der Vorschlagsliste der Kultusministerkonferenz zu landen, hatte Ende 2023 auch der Förderverein der Hamburger Sternwarte eine Schuld bei der Stadt gesehen. Diese müsse sich „fragen, ob sie bereit ist, ernsthaft in die Gebäude und den Park zu investieren“, so Vereinschefin Gudrun Wolfschmidt damals. Auch die CDU hatte zum Zustand des Geländes bei der Stadt nachgehakt – und erhielt im Januar die Antwort der Wissenschaftsbehörde, es würden „kontinuierlich Instandhaltungsmaßnahmen“ an der Sternwarte durchgeführt. So sei das Lippert-Teleskop bis 2022 saniert worden, ebenso der Große Refraktor, der wegen Feuchtigkeit 2024 aber erneut begutachtet werden müsse.

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Auf eine Anfrage unserer Redaktion an die Wissenschaftsbehörde verweist diese am 21. März ebenfalls auf bereits geleistete Investitionen: „Das unter Denkmalschutz stehende, markante Kuppelgebäude des denkmalgeschützten Ensembles der Hamburger Sternwarte wurde in den Jahren 2017 und 2019 aufwendig saniert“, so Sprecherin Aileen Pinkert. Die Kosten hätten 3,2 Millionen Euro betragen. „Darüber hinaus erfolgen notwendige Reparaturen und Ausbesserungen kontinuierlich durch die Universität Hamburg als Betreiber.“ In diesem Jahr stünde auch bei der Sternwarte eine Dichtigkeitsprüfung an (gesetzliche Auflage für alle Hauseigentümer) und im Anschluss eine Sanierung der Sielanlage. „Die Kosten dafür werden aus Bauunterhaltsmitteln finanziert. Aktuell finden dazu mit dem Betreiber der Sternwarte und dem Realisierungsträger Gespräche statt.“