Bergedorf. Kultusministerkonferenz kritisiert mangelhaftes Engagement der Hamburger Politik. Förderverein ist frustriert – auch über Russland.
Schock für alle, die seit Jahren für die Nominierung der Sternwarte zum Weltkulturerbe kämpfen: Die Kultusministerkonferenz hat dem 111 Jahre alten Observatorium den Sprung auf die Vorschlagsliste für die Unesco verwehrt. „Wir sind frustriert“, sagt Dr. Matthias Hünsch vom Förderverein der Sternwarte in einer ersten Reaktion – und wundert sich über die Begründung der Absage. Denn der Fachbeirat der Kultusministerkonferenz bestätigt einerseits die Welterbe-Qualität der Anlage, stößt sich andererseits aber am „ungepflegten Park“ und daran, dass für die Bauunterhaltung der Gebäude „nicht genügend Mittel vorhanden“ zu sein scheinen.
„Ein deutlicher Hinweis, dass es in Hamburg endlich ein klares politisches Votum geben muss, ob man ein Weltkulturerbe Sternwarte wirklich haben will“, sagt Hünsch, der sich als zweiter Vorsitzender des Fördervereins seit Jahren mit dem Problem herumschlägt, dass insgesamt vier Behörden mit der Bewerbung befasst sind, aber keine davon die Federführung hat. „Dieses Problem haben die Experten sehr gut erkannt“, blickt er auf das Zuständigkeitswirrwarr von Kulturbehörde, Bezirksamt, Universität Hamburg und Wissenschaftsbehörde.
Experten kritisieren: „Ein Parkpflegekonzept scheint es nicht zu geben“
Wie negativ das auf die Experten bei ihrem Rundgang im Oktober gewirkt hat, zeigt das Fazit ihres Gutachtens: „Ein umfassendes Parkpflegekonzept scheint es nicht zu geben. Der Umgang mit einer temporär auf dem Gelände untergebrachten Montessori-Schule ist ungeklärt. Der Fachbeirat hatte den Eindruck, dass die Managementstrukturen optimierungsbedürftig sind.“ Und bezogen auf diese erneute Bewerbung nach der Absage von 2014 heißt es unmissverständlich: „Warum die Zeit seither für solche Prozesse nicht genutzt wurde, ist nicht nachvollziehbar.“
Wie damals empfiehlt die Kultusministerkonferenz auch jetzt wieder eine sogenannte transnationale serielle Nominierung, also ein gemeinsames Antragsverfahren für diese und vergleichbare andere Sternwarten auf der ganzen Welt, die wie Bergedorf den Übergang von der Astronomie zur Astrophysik am Anfang des 20. Jahrhunderts darstellen. Schließlich beruhe „die Erforschung des Universums auf weltweitem Austausch“.
Förderverein: Kein Observatorium aus der Zeit um 1900 ist mit Bergedorfs Sternwarte vergleichbar
Matthias Hünsch ärgert das, gebe es doch kein Observatorium, das in Qualität, Bedeutung und Größe mit der Bergedorfer Anlage in seiner Epoche vergleichbar sei. Genau das begründet er detailliert in der von ihm 2021 verfassten Bewerbung. „Mit der gleichen Begründung einer internationalen Vernetzung hätte man auch die letztlich ja erfolgreiche Weltkulturerbe-Bewerbung der Hamburger Speicherstadt samt benachbartem Kontorhausviertel vor zehn Jahren gar nicht erst bis zur Unesco nach Paris gelangen lassen können.“
Für die Expertin und Fördervereinschefin Prof. Dr. Gudrun Wolfschmidt ist jedenfalls klar: „Die Unesco wartet auf die Bewerbung einer geeigneten Sternwarte.“ Da sei es schon erstaunlich, dass Bergedorf nun schon zum zweiten Mal quasi in der Vorrunde an der Kultusministerkonferenz gescheitert ist. Auch sie kann den Eindruck nachvollziehen, dass Hamburg nicht genug in die Gebäude investiert und immer nur auf den Förderverein verwiesen wird, der dieser Aufgabe allein nicht gewachsen ist.
Kulturbehörde will nun ausloten, wie eine erneute Bewerbung bessere Erfolgschancen haben könnte
Auf Fragen unserer Redaktion an die Kulturbehörde zur Lösung der Zuständigkeitsfrage und zum künftigen Umgang mit dem Projekt Weltkulturerbe Sternwarte gab es am Freitag nur eine sehr allgemeine Antwort. Man müsse anerkennen, dass bei der Unesco zunehmend Wert auf internationale Bewerbungen gelegt werde, heißt es. Aber ein bisschen Verantwortungsbewusstsein scheint auch vorhanden zu sein: „Die Kulturbehörde wird nun mit allen Beteiligten ausloten, wie die Erfolgschancen eines gemeinsamen Bewerbungsverfahrens realistischerweise aussehen.“
Gudrun Wolfschmidt, die schon Motor hinter dem ersten Bewerbungsversuch vor zehn Jahren war, will die Hoffnung deshalb nicht aufgeben: „Ich habe immer dafür geworben, mit dem argentinischen Observatorium in La Plata eine transnationale Bewerbung vorzunehmen.“ Zudem seien neuerdings drei irische Sternwarten ins Visier genommen. Ob das alles klappt, steht heute allerdings buchstäblich in den Sternen. Das gilt besonders für La Plata. Denn Argentinien dürfte nach der Machtübernahme des populistischen ultrarechten Präsidenten Javier Milei auf absehbare Zeit kaum noch Geld für kulturelle Projekte wie ein neues Welterbe ausgeben.
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Dass man auch ganz anders und allein an den Titel Weltkulturerbe kommen kann, hat jetzt ausgerechnet Russlands Präsident Putin bewiesen – und damit für zusätzlichen Frust in Bergedorf gesorgt: Im September vergab die Unesco den Titel Weltkulturerbe an die Sternwarte im russischen Kasan, einer Stadt gut 800 Kilometer östlich von Moskau. Sie gilt für die Wissenschaft zwar als weitgehend unbedeutend und hätte bestenfalls unter dem Dach einer Bewerbung der Hamburger Sternwarte eine Chance gehabt. Doch weil Russland im Fall einer Ablehnung mit dem Boykott aller weiteren Entscheidungen der Unesco gedroht hatte, wurde der Titel zuerkannt.
Zum Vergleich: Das größte Instrument in Kasan entspricht in etwa dem Äquatorial in Bergedorf. Das ist mit Baujahr 1867 zwar das älteste auf dem Gojenberg, aber auch das mit Abstand kleinste. Es steht in der winzigen Kuppel unweit des Wanderwegs Schorrhöhe in der äußersten Ecke des Sternwarten-Geländes.