Hamburg. Harald Martens (SPD) aus Moorfleet kritisiert Vorgehen der Behörden in seinem Stadtteil. „Ein Frevel und nicht nachzuvollziehen“.
Die Situation auf dem Hamburger Wohnungsmarkt ist angespannt: Viele Menschen finden keinen bezahlbaren Wohnraum, und auf eine freie Wohnung kommen Hunderte Bewerber. Für umso unverständlicher hält Harald Martens das Vorgehen der Stadt, die in Moorfleetin den vergangenen Jahren mehrere Häuser gekauft hat – und sie seitdem ungenutzt leer stehen lässt. „Es herrscht Wohnungsnot, und hier stehen Häuser jahrelang leer. Das ist ein Frevel und nicht nachzuvollziehen“, kritisiert Martens, der sich für die SPD in der Bergedorfer Bezirksversammlung engagiert.
Er selbst wohnt seit 1986 in Moorfleet und hat die Entwicklung in seiner Nachbarschaft genau vor Augen. Er wundert sich über die Ankaufspolitik der Stadt, die aus seiner Sicht nicht nachzuvollziehen sei: „Bei einem Haus macht die Stadt von ihrem Vorverkaufsrecht Gebrauch, aber direkt nebenan nicht. Das ist sehr widersprüchlich“, wie Harald Martens meint, der gleich mehrere Beispiele entlang des Moorfleeter Deichs nennen kann.
Hamburg kauft Häuser und lässt Wohnungen leer stehen
Wie etwa Hausnummer 179, das die Stadt vor einigen Jahren gekauft hat und seitdem leer stehen lässt, während das Haus nebenan privat verkauft und von den neuen Eigentümern modernisiert wurde und bewohnt wird. Hausnummer 87 etwa wurde bereits abgerissen, während das Haus direkt nebenan nicht an die Stadt, sondern privat verkauft werden durfte.
Hausnummer 245 ist auch im Besitz der Stadt. Die vier Wohnungen darin stehen ebenfalls seit mehreren Jahren leer, ebenso das Häuschen mit der Hausnummer 17 oder auch Hausnummer 43, seitdem die ehemalige Besitzerin ins Ausland ausgewandert ist. „Mittlerweile nagt an ihnen der Zahn der Zeit“, wie Harald Martens feststellt.
Doch wonach entscheidet die Stadt, ob ein Haus angekauft wird oder nicht? „Grundlage für die Entscheidung ist allein die fachliche Einschätzung, ob die Flächen gegenwärtig oder zukünftig für den Hochwasserschutz benötigt werden“, erklärt die zuständige Umweltbeörde (Bukea) auf Anfrage unserer Zeitung. Während sich der Ankauf von Häusern an der Hauptdeichlinie aus dem Erfordernis erklärt, die Deiche sukzessive an den steigenden Meeresspiegel anzupassen, ist an den sogenannten Sekundärdeichen allerdings nicht mit Deicherhöhungen zu rechnen.
An den Sekundärdeichen müssen nicht alle Gebäude weichen
„Dort werden Gebäude nur angekauft, wenn der Bestand die Deichsicherheit gefährdet“, erklärt die Bukea. Grundsätzlich stellten Gebäude in Deichen eine Schwächung der Schutzfunktion des Deiches dar. „An den Sekundärdeichen sieht die Stadt derzeit aber davon ab, sämtliche im Deichgrund stehende Gebäude zu entfernen“, so die Bukea.
Das ist aus Sicht des Hochwasserschutzes vertretbar, weil die seinerzeit als Seedeiche gebauten Sekundärdeiche für ihre heutige Funktion gewissermaßen überdimensioniert sind. Durch ein dafür ausgearbeitetes Konzept sei es möglich, gewissen Gebäuden einen Bestandschutz zuzugestehen. „Für welche Gebäude dies möglich ist und für welche nicht, ist von außen auch für Fachleute nicht ohne weiteres zu erkennen, da die Gegebenheiten im Untergrund die entscheidende Rolle spielen“, erklärt die Umweltbehörde.
Die Gebäude, die für den Hochwasserschutz angekauft werden, weil sie im Deichgrund stehen, stellen allerdings eine Gefährdung für die Sicherheit des Deiches dar. „Sie werden daher grundsätzlich abgerissen, damit der Deich ordnungsgemäß hergestellt werden kann“, stellt die Bukea fest. Die Planung und Genehmigung des Abrisses der Gebäude und der darauf folgenden Herstellung des Deiches nehme einige Zeit in Anspruch: Da nur in der sturmflutfreien Zeit im Sommerhalbjahr rückgebaut werden kann, dauere es ab dem Eigentumsübergang an die Stadt Hamburg gewöhnlich ein bis drei Jahre, bis die Gebäude abgerissen würden, erklärt die Bukea.
Hamburger Deichordnung erlaubt ein Wohnen bis zum Abriss nicht
In Einzelfällen, beispielsweise wenn die Gebäude bewohnt seien, könne es auch länger dauern. Zudem vergingen vom Verkauf des Hauses bis zum Eigentumsübergang an die Stadt einige Monate, in Einzelfällen auch Jahre. „Das hängt immer von den individuellen Gegebenheiten ab“, so die Behörde. Das Haus bis zum eigentlichen Abriss zum Wohnen freizugeben, sei gemäß Deichordnung aber nicht zulässig.
Ferner würde die Nutzung den Abriss verzögern, da vorgezogenen Maßnahmen wie der Rückbau von Leitungen für Gas, Wasser, Strom oder Telekommunikation nicht möglich wären. „Zusätzlich würde die gegebenenfalls nötige Beendigung eines Mietverhältnisses bis hin zum Auszug etwaiger Mieter zu nicht kalkulierbaren Verzögerungen führen“, teilt die Bukea mit.
Leerstand herrscht seit etlichen Jahren auch auf dem ehemaligen Betriebsgelände der Firma „Die Gestalter Brinkmann“, welches ebenfalls von der Stadt gekauft wurde. Seitdem stehen die Hallen leer, kritisiert Martens, der sich um die gesamte Entwicklung des Stadtteils zwischen Holzhafen und A1 und Andreas-Meyer-Straße sorgt.
Viele gute Ideen für Moorfleets Zukunft, doch Zweifel an Realisierung
Mit dem Abschluss des Vertrags für Hamburgs Stadtgrün, in dem sich Hamburger Behörden, Bezirke und öffentlichen Unternehmen trotz Bauboom und Bevölkerungswachstum zu einem Erhalt des Grünanteils in der Stadt verpflichtet haben, ist die gewerbliche Entwicklung zwar vom Tisch. Und auch in der Stadtwerkstatt Moorfleet, die 2022 formal abgeschlossen wurde, wurden viele gute Ideen entwickelt, wie Harald Martens feststellt.
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Etwa ein Hotel, ein maritimes Quartier mit Liegeplätzen für Haus- und Sportboote oder weitere Wohnbebauung könnten entstehen. Ob das alles allerdings Realität werden kann, hält Martens für mehr als fraglich. Schließlich sei die Realisierung kostspielig und das Grundproblem, das mit dem Gewerbe und damit verbundenen Schwerlastverkehr in Moorfleet zusammenhängt, noch lange nicht gelöst.