Hamburg. Die Stadt will die Sekundärdeiche ertüchtigen. Auch einige Häuser werden weichen müssen. Wie es weitergeht.

Die Umweltbehörde hat die zweite Deichlinie im Blick, will auch Gebäude und Bäume, die die sogenannten Sekundärdeiche gefährden, aus Gründen des Hochwasserschutzes entfernen. Es gehe darum, ein Restrisiko abzusichern, betonte Dr. Andreas Finckh (Umweltbehörde), um gegen eine Überströmung des Hauptdeichs, dessen Bruch, einen Schaden an einem der Sperrwerke, Sturmflut und Starkregen gewappnet zu sein. Ein „erforderliches Mindestmaß an Sicherheit“ soll eingefordert werden. Ein Grobkonzept stellte die Behörde nun bei einem virtuellen Informationsabend 73 interessierten Bürgern, Politikern und Journalisten vor.

Vier- und Marschlande: Betroffen sind Häuser und auch Bäume

Würde die Deichordnung strikt angewendet, wären nach ersten Einschätzungen der Behörde 129 Gebäude an der Dove-Elbe und 54 an der Billwerder Bucht betroffen, die im Deichgrund stehen. Die Stadt will aber nach Auskunft der Umweltbehörde nur bei elf (Dove-Elbe) beziehungsweise sechs der Gebäuden (Billwerder Bucht) gegebenenfalls ihr Vorkaufsrecht nutzen. Sie stehen direkt im Deich. Auch für unbebaute Flächen in der Schutz- und Sicherheitszone der Deiche will die Stadt ihr Vorkaufsrecht nutzen. Enteignungen soll es aber nicht geben.

1167 Bäume an der Dove-Elbe und 45 an der Billwerder Bucht gefährden nach Ansicht der Behörde ebenfalls die Stabilität der zweiten Deichlinie. Welche entnommen werden, soll in einem mit Öffentlichkeit und Politik abgestimmten Konzept festgelegt werden. Entscheidend sei unter anderem der Zustand der Bäume, deren exakte Position, deren Alter und naturschutzfachliche Bedeutung.

Hochwasserschutz auf der einen Seite, historische Entwicklung auf der anderen

Die Umweltbehörde weiß, dass sie einen Spagat machen muss. Einerseits werde der Hochwasserschutz an den Sekundärdeichen durch den steigenden Meeresspiegel und die Zunahme von Extremwetterlagen aufgrund des Klimawandels immer wichtiger, andererseits gehe es um die historische Entwicklung eines erhaltenswerten Kulturerbes, betonte Finckh. „Dies müssen wir in Einklang bringen.“ Deshalb solle es „kein stures Anwenden der Deichordnung“ geben.

Nun soll ein Zielbild 2030 entwickelt werden. Das in den kommenden acht Jahren auszuarbeitende Konzept, das eine vollständige Bestandsaufnahme und eine rechtliche Absicherung der Behörde umfasst, soll wiederum bis 2100 umgesetzt werden.

Deichcent ist laut Behörde nicht geplant

Besucher der virtuellen Präsentation kritisierten, dass die Hauseigentümer nicht per Post zu dem Infoabend eingeladen worden seien, oft gar nichts davon wussten. Dabei seien die Behördenpläne für sie existenziell: „Sie wollen dort wohnen, ihre Häuser womöglich vererben.“ Ein weiterer Infoabend sei unbedingt erforderlich, meinte Karsten Schütt (FDP). Ob auf die Anlieger Kosten zukämen? „Ein Deichcent oder so ist nicht geplant“, sagte Finckh. Auch eine Erhöhung der Sekundärdeiche sei nicht geplant. Der Dove-Elbe-Raum sei laut Finckh auch nicht als Polder (natürlicher Rückhalteraum zur Einleitung von Wasser) vorgesehen.

Hauseigentümer, die wissen wollen, ob die Behörde ihr Haus als Sicherheitsgefährdung betrachtet, können sich an die Umweltbehörde wenden – per E-Mail an Hochwasserschutz@bukea.hamburg.de. Auf der Internetseite hamburg.de/sekundaerdeiche finden sich weitere Infos, darunter Folien, die bei dem Infoabend gezeigt worden sind.

Moorfleeter protestieren gegen Hausabriss

Am Moorfleeter Deich 105 sollten bald Abrissbagger anrollen. Das Gebäude ist bereits entkernt. Dagegen protestierten nun engagierte Moorfleeter. „Wir werden damit wohl nicht viel ausrichten können, aber nichts tun ist auch keine Alternative“, sagt Heide Martens.

Denn das einstige Verwaltungsgebäude einer ehemaligen Essigfabrik ist wohl nicht das einzige Haus, das aus dem Straßenbild von Moorfleet verschwinden wird: Auch die Häuser mit den Nummern 17, 43 und 179 hat der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) bereits gekauft. Seitdem stehen die Häuser leer. „Und das in Zeiten, wo große Wohnungsnot herrscht, was soll das?“, fragt sich nicht nur Hans-Werner Gladiator.

Doch die Moorfleeter werden im Dunkeln gelassen: „Kein Wunder, dass dann Spekulationen aufkeimen“, sagt Harald Martens. Der Sozialdemokrat bat Finanzsenator Andreas Dressel um Informationen zu den Hausankäufen – und bekam keine Antwort. Das habe ihn enttäuscht. Ebenso wurde er auf Bezirksebene ausgebremst, als seine SPD gemeinsam mit der Bergedorfer Koalition ein Auskunftsersuchen stellen wollte. „Das scheiterte an den Grünen“, sagt Martens.

In einer ersten Fassung dieses Artikels hieß es, dass die Stadt bei 183 Gebäuden ihr Vorkaufsrecht ausüben wolle. Wir haben diesen Fehler korrigiert.