Hamburg. Bezirksversammlung will mehr über Housing First erfahren. Verwaltung soll auf Genossenschaften zugehen. Doch es gibt auch Zweifel.

337.000 Obdachlose sollen es in ganz Deutschland sein. Mehr als 2000 wohl in ganz Hamburg, vier von ihnen sind nach Polizeiangaben in diesem Winter gestorben. Und auch wenn laut Bergedorfs Bezirksamtssprecher Lennart Hellmessen „kein genaues Monitoring der Obdachlosenzahlen“ im Bezirk vorliege, gehe die Verwaltung von etwa 40 Obdachlosen aus. Die Bergedorfer Links-Partei bringt als Gegenmittel das von der Hamburger Sozialbehörde finanzierte Projekt Housing First ins Gespräch. Die Bezirksversammlung votierte einstimmig für den Vorschlag der Oppositionspartei, einen Vertreter des Projekts in den Ausschuss für Soziales und Integration einzuladen, um mehr Hintergrund zu erfahren.

Das Prinzip von Housing First ist das Recht auf Wohnen ohne Vorbedingungen. Ein Ansatz, der die bisherige Reihenfolge umkehrt – doch bei Housing First wird Obdachlosen zuerst eine Wohnung als „gesicherte Grundlage“ angeboten, erst dann folgen Unterstützungsangebote, die von fünf Experten aus der Wohnungslosenhilfe gemanagt werden. Das können Dinge wie therapeutische Hilfe und ähnliches sein.

Housing First: Auf Belange von Wohnungslosen in neuen Quartieren achten

In erster Linie stehen „klassische Hamburger Bestandswohnungen“ in der Größe von 30 bis 50 Quadratmetern (ein bis zwei Zimmer) laut Theo Christiansen oben auf der Wunschliste, die von Vermietern idealerweise „zu marktüblichen Preisen“ angeboten werden. Christiansen hat bei Housing First die Aufgabe des Wohnraumakquise übernommen und sagt; „Wir halten es grundsätzlich für sinnvoll, wenn bei neuen Wohnquartieren der Wohnbedarf von Obdachlosen konsequent mitgedacht wird.“

Das ist auch eine der zentralen Gedanken von Maria Westberg, der sozialpolitischen Expertin der Bergedorfer Linken. Sie kennt erfolgreiche Housing-First-Modelle aus dem In- und Ausland, möchte gern mehr erfahren und wissen, wie das Projekt auf Bergedorf projizierbar sein könnte. Deshalb regt sie mit ihrer Fraktion an, dass das Bezirksamt für die Akquise von möglichem Wohnraum das Gespräch mit Wohnungsbaugenossenschaften und Obdachlosenhilfe suchen soll.

Bergedorfs Verwaltung ist zurückhaltend – aus Gründen

Noch ist der Hamburger Zwischenstand ausbaufähig: 21 vermittelte Wohnungen gab es bisher, alle vermittelten Personen sind auch bis zum heutigen Tag geblieben. Trotzdem ist das für Westberg zu wenig: „Bergedorf sollte sich bei Housing First auf den Weg machen.“ Denn in Bergedorf steht bisher eine Null.

Die Verwaltung ist dem politischen Auftrag gegenüber aufgeschlossen, sagt aber: „Housing First ist sicherlich ein guter Ansatz, der das Hilfssystem sinnvoll ergänzen kann“, so Bezirksamtssprecher Hellmessen. Doch das Grundproblem bleibe: der Mangel an adäquatem und bezahlbarem Wohnraum. Und auch das Empfangen von Sozialhilfe sei eine Grundvoraussetzung, die nicht jeder erfülle.

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Auch Heribert Krönker von Bergedorfs Grünen gibt zu bedenken, dass Housing First nicht das Ende jeglicher Obdachlosigkeit darstelle. Das Thema sei „sehr komplex“. Krönker identifizierte indes einen Misston in der Debatte. Nachdem Bergedorfs AfD-Fraktionschef Reinhard Krohn eine Kausalität zwischen Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 und den steigenden Obdachlosenzahlen hergestellt hatte, fuhr der Grünen-Routinier aus der Haut: „Eine unerträgliche rechte Masche, wie sie Migration und Wohnungsnot gegeneinander ausspielen.“