Bergedorf. Stellplätze für Carsharing-Autos sollen Verkehr entlasten. Doch geplanter Standort in Lohbrügge ist den Politikern ein Dorn im Auge.
Switch heißt umsteigen, tauschen oder auch wechseln: Mit ihren Switch-Punkten will die Hamburger Hochbahn Autofahrerinnen und -fahrer dazu ermutigen, umweltfreundlich auf das eigene Fahrzeug zu verzichten. Sie können etwa zum nächsten Mietwagen-Standort radeln, ein Stück weit fahren und dann eine Bushaltestelle oder den S-Bahnhof erreichen, am Ziel sodann ein Stadtrad oder einen E-Roller (bei Voi oder Tier) ausleihen. „Alles außer fliegen“, heißt es in der Werbung.
Das alles soll recht bequem sein, wenn man sich kostenfrei die entsprechende App herunterlädt und registriert. Der erste Standort wurde schon 2013 am Berliner Tor eröffnet, „seither gibt es in Hamburg 150 Standorte mit 800 Stellflächen für Mietwagen“, erläuterte nun Almut Borgwardt, Architektin im Gebäudemanagement der Hamburger Hochbahn AG, im Bergedorfer Verkehrsausschuss.
HVV: Sechs neue Switch-Punkte im Bezirk Bergedorf – reguläre Parkplätze fallen weg
Die Politiker kennen wohl den bislang einzigen Bergedorfer Switch-Punkt auf der Parkpalette am S-Bahnhof (Lohbrügger Seite). Künftig sollen es aber mehr werden: Die Hochbahn will sechs neue Standorte im Bezirk Bergedorf etablieren, um gemeinsam mit den Carsharing-Unternehmen wie Share Now, Miles und Sixt Share eine Kombination aus Mietwagen und ÖPNV anbieten zu können.
Jeweils vier reguläre Stellplätze sollen dafür wegfallen, insgesamt also 24. Gleich drei Standorte sind in Neuallermöhe geplant, wo es bislang gar kein Carsharing-Angebot gibt: am Adolf-Köster-Damm 1, am Walter-Rudolphi-Weg 32 sowie am Rahel-Varnhagen-Weg 38, also nahe an den dortigen S-Bahnstationen. Die anderen drei Standorte verteilen sich nach Vorstellung der Planer auf die Wentorfer Straße 20 (gegenüber der jetzigen Polizeiwache), den Neuen Weg 25 und die Lohbrügger Landstraße 2.
Aber gerade der letztgenannte Standort sorgt für Unmut bei Bergedorfs Verkehrspolitikern: „Der liegt genau vor der Apotheke und einer Arztpraxis. Da parken auch viele gehbehinderte Menschen“, gibt Christian Teschinsky (Grüne) zu bedenken. Das sei aber doch „eine sehr gute Station so weit unten an der Kreuzung“, entgegnet Bergedorfs neuer Mobilitätsmanager Jacob Sürie: „Das ist sehr sichtbar. Wenn wir die Mobilitätswende ernst nehmen, müssen es die attraktivsten Standorte sein.“
Ob nicht vielleicht ein Standort etwas höher an der Lohbrügger Landstraße gelegen besser sei oder direkt auf dem Lohbrügger Markt, obwohl da auch zweimal wöchentlich der Markt ist, überlegen CDU und Grüne. „Wir werden den Standort jedenfalls noch mal überprüfen“, verspricht Bergedorfs Tiefbauchefin Mona Rühle.
Jedenfalls können sich die Politiker sogar noch weitere Switch-Punkte vorstellen, so etwa in Lohbrügge-Nord und in Bergedorf-West, wo die Bevölkerungsdichte hoch ist: „Ich stelle mir das wie ein öffentlich gefördertes Taxi vor“, meint Robert Gruber (Die Linke). Dabei müsse durchaus bezahlt werden, betont Almut Borgwardt: „Und die Preise variieren, Miles etwa hat Kilometerpreise, Share Now rechnet nach Minuten ab.“ Die SPD gibt sich skeptisch: „Das sind knallharte Geschäftspartner, deshalb gehen die mit den Switchpunkten auch lieber nicht ins Landgebiet“, argwöhnt Petra Petersen-Griem.
Switch-Punkte: Sondernutzung von Parkraum beim Bezirk beantragen
Tatsächlich sind manche Bergedorfer auch verärgert über die Carsharing-Autos, die oft auch stundenlang auf kostenpflichtigen Stellplätzen stehen – ohne Parkschein und Knöllchen. Nutzer des Anbieters Miles können beispielsweise auf allen öffentlichen Parkplätzen innerhalb der Miles-Geschäftsgebiete kostenlos parken – auch auf Flächen mit Parkraumbewirtschaftung.
Für das Unternehmen sei die Regelung jedoch nicht kostenfrei, erklärt Pressesprecherin Nora Goette. „Wir zahlen pro Auto und Monat eine fixe Gebühr an die Stadt Hamburg.“ Die sei sogar „deutlich höher“, als bei einem Anwohnerparkausweis für einen privaten Pkw (65 Euro pro Jahr).
Bis 2030 sind laut Hochbahn 300 Switch-Punkte denkbar
Mit dem 2017 in Deutschland eingeführten „Gesetz zur Bevorrechtigung des Carsharing“ soll der ruhende und fließende Verkehr entlastet werden. Ganz so, wie es die Idee der Switch-Punkte im Blick hat. Das Exklusiv-Konzept basiert auf einem bereits 2012 geschlossenen Rahmenvertrag zwischen der Hamburger Hochbahn und der Stadt Hamburg. Dadurch können Sondernutzungen – etwa für Parkplätze – bei den Bezirken beantragt werden. Bis 2030 sind laut Hochbahn 300 Switch-Punkte denkbar.
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Aber mal abgesehen davon, was sich Hamburgs Mobilitätsplaner so denken: Werden die Switch-Punkte überhaupt genutzt? Die genauen Zahlen könne sie gerade nicht nennen, so Almut Borgwardt: „Aber das Nutzerverhalten ist in Bergedorf schon anders. Da gibt es oft eine Überlaufsituation, wenn die S-Bahn ausfällt“, gesteht sie. Immerhin aber sei in Bergedorf die Nachfrage so groß, dass man die Switch-Stellplätze am Bahnhof von acht auf zwölf erweitert habe.