Hamburg. Hamburger will das Image der Pflege aufpolieren und hat durch Videos mit “Oma Lotti“ Tausende Follower auf TikTok und Instagram.
Die 92-Jährige fährt sich mit der Hand über ihren Kopf: „Meine Haare wachsen immer schön“, sagt sie und blickt schelmisch zu ihrem Sitznachbarn. Der sehr viel jüngere Mann hat keine Haare – dafür einen dunklen Vollbart. Er fängt an zu lachen: „Jetzt hast du es kaputt gemacht und wieder über meine Glatze gesprochen.“ Pfleger Rashid Hamid und die Frau, die im Internet als „Oma Lotti“ bekannt ist, kichern gemeinsam.
Das kurze Video der beiden dauert nur rund eineinhalb Minuten – und hat trotzdem Zehntausende Aufrufe auf dem sozialen Netzwerk TikTok und Hunderttausende Klicks bei Instagram. Andere Beiträge des ungewöhnlichen Gespanns haben mehr als doppelt so viele Besucherzahlen. Hamid und Oma Lotti reden darin über Lebensweisheiten oder backen Kuchen zusammen. Der 31-jährige Altenpfleger ist innerhalb von rund eineinhalb Jahren zu einem der größten Pflege-Influencer Deutschlands geworden.
Video mit Opa Erwin: Über vier Millionen Menschen gucken zu
Dabei war das alles andere als geplant, wie der gebürtige Hamburger erzählt. Nach einer Ausbildung in der Altenpflege und einigen Jahren im Beruf steht für Hamid fest: Er will sich mit einem eigenen Pflegedienst selbstständig machen. „Im Laufe der Jahre habe ich als Angestellter viele schlechte Erfahrungen gesammelt“, sagt Hamid. „Irgendwann habe ich mich entschlossen, alles anders und besser zu machen.“
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Das Problem: die Corona-Pandemie. Als er sein Unternehmen „Pflege Smile“ im September 2021 mit Standort in Hamburg-Bergedorf gründet, stellt der Pfleger fest: „Die ersten paar Monate war tote Hose. Keine Anfragen, keine Mitarbeiter, keine Patienten.“ Seine Frau rät ihm, er solle es doch mit Social Media probieren. Hamid erinnert sich: „Ich hatte vorher mit Facebook, Instagram und TikTok nichts am Hut gehabt.“ Er muss sich neu einarbeiten und herumprobieren.
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In seinen ersten Beiträgen filmt der 31-Jährige noch sich in seinem Büro. Das Interesse daran sei jedoch nicht groß gewesen. Daraufhin fragt Hamid einige Patienten, ob sie Lust hätten, Videos für die sozialen Medien mit ihm zu drehen. Sein Durchbruch ist ein Video mit dem 86-jährigen „Opa Erwin“, seinem ersten Klienten. Hamid betritt die Wohnung und sagt „Salam Aleikum“, eine arabische Grußformel. Der ältere Mann antwortet: „Salam Aleikum, Sie können reinkommen.“ Über vier Millionen Menschen gucken zu. Hamid erzählt, viele seien erstaunt, dass man überhaupt so viel Spaß mit Älteren haben kann. „Die meisten denken, Ältere sind langweilig, grimmig oder haben keine Lust, zu reden.“
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Erfolgreiche Videos: Hamids „Geheimzutat“ – so läuft sein Dreh ab
Unter dem Account @pflege.smile verzeichnet der Pflege-Influencer auf Instagram und TikTok jeweils um die 170.000 Follower. Vor allem die Aufnahmen mit seinen Patienten kommen gut an. In einem Video bringt der Pfleger Oma Lotti Baklava, ein türkisches Gebäck, mit – ihr schmeckt es zu süß. 7,6 Millionen Menschen sehen das. Warum interessiert das so viele? Hamid vermutet: „Ich glaube die Videos überraschen: Oft lese ich in den Kommentaren: ‚Wieso sitzt der Vollbärtige neben einer Oma?‘“
Die Videos seien ohne Plan, ohne Skript. „Ich kriege viele Nachrichten dazu, wie authentisch das alles ist“, berichtet der Pfleger. Kritik hingegen gebe es kaum, nur ganz selten hätten ihn negative Kommentare erreicht. Darin fragen ihn die Zuschauer meistens, ob die alten Menschen überhaupt mit den Videos einverstanden seien. Hamid zufolge ist aber alles mit seinen Patienten abgeklärt und er dreht die Videos in seiner Freizeit. „Ich bin mit allen Patienten, die in den Videos auftauchen, befreundet.“
Pflege: Wie Hamid Vorurteile beseitigen möchte
Für den Hamburger, Vater einer Tochter, war der Job die richtige Entscheidung: „Ich bin durch den Beruf viel disziplinierter geworden und weiß mein Leben mehr zu schätzen.“ Durch die älteren Menschen habe er gelernt, wie es früher war und welche tollen Möglichkeiten es heute gibt.
Trotzdem begegnen dem 31-Jährigen noch viele Klischees über seinen Beruf. Zum Beispiel, dass in der Pflege nur Frauen arbeiten würden. „Ich sehe nicht aus, wie man sich einen Altenpfleger vorstellt – sondern eher wie einen Handyverkäufer oder Türsteher“, scherzt Hamid. Er will mit seinem Account auch Vorurteile aus dem Weg räumen.
Zu schön, um wahr zu sein? Für Hamid scheint es gerade darum zu gehen: „Es melden sich Menschen, die selbst in der Pflege tätig sind und dankbar sind, weil ich über die schönen Seiten aus unserem Beruf berichte.“ Der 31-Jährige findet, in den Medien landeten vor allem Schlagzeilen über negative Dinge wie Personalmangel in der Pflege. „Das schreckt die Leute ab, die in die Pflege wollen.“
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Job in der Pflege: Jetzt bekommt er täglich neue Anfragen
Mittlerweile bekommt Hamid täglich Bewerbungen zugeschickt. „Auszubildende, Fachkräfte… also da haben wir wirklich gar kein Problem mehr. Ich muss es ehrlich so sagen: Social Media hat uns den Arsch gerettet.“ Sein Team besteht inzwischen aus 15 Mitarbeitern. Er freut sich über die positiven Nachrichten: „Einige sagen, sie haben der Pflege den Rücken zugekehrt, aber ich hätte sie motiviert, doch wieder in die Pflege einzusteigen.“
Im Januar erscheint seine Autobiografie beim Rowohlt-Verlag. Auf den Straßen wird der 31-Jährige erkannt und nach Selfies gefragt. Hamid spornt all das an: „Das ist Teil von meinem Leben geworden. Wenn ich damit Leute motiviere, sich für die Pflege zu interessieren, was kann man Besseres damit erreichen?“
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