Hamburg. 1953 von der BGE aufgegebene Strecke soll reaktiviert werden. Kritikern im Bezirk bereitet dabei vor allem ein Problem Kopfzerbrechen.

Der Bergedorfer Brookdeich liegt eingebettet zwischen B5 und A25, zwei viel befahrene Hauptverkehrsachsen im Hamburger Südosten. Wenigstens die alte Bahnlinie Bergedorf-Geesthacht (BGE) ist seit den 1950ern weitgehend stillgelegt und wird nur noch für gelegentlichen Güterverkehr und die Fahrten der historischen Lok Karoline genutzt. Noch. Denn Hamburg und Schleswig-Holstein planen die Reaktivierung der Strecke. Am Brookdeich formiert sich Widerstand, an zahlreichen Häusern hängen bereits Protestplakate.

Anwohnerin Nicole Stößel hat sich der Bürgerinitiative gegen die Bahnreaktivierung angeschlossen, die zuletzt eine Infoveranstaltung in Escheburg organisierte. Im Gespräch mit der Bergedorfer Zeitung macht sie klar: „Wir alle in der BI wünschen uns einen zukunftsfähigen ÖPNV.“ Niemand in der Gruppe habe etwas gegen Züge. An der geplanten Wiederaufnahme des Personenverkehrs auf den Gleisen vor ihrer Haustür lässt Stößel aber kein gutes Wort.

Bahngegner aus Bergedorf befürchten Verkehrschaos

Nach den Schätzungen der Bürgerinitiative leben insgesamt 7500 Menschen zwischen Bergedorf und Geesthacht nicht weiter als 50 Meter von den Gleisen entfernt. „Manche Häuser sind nur fünf Meter von der Trasse weg“, sagt Stößel: „Wie unter diesen Bedingungen Lärmschutz verwirklicht werden soll, ist mir nicht klar.“ Die vonseiten der Politik immer wieder angesprochene Hoffnung, dass durch die Bahn zumindest der Autoverkehr auf der A25 und der B5 reduziert werde, teilt die Bergedorferin nicht.

Sorge macht ihr auch das Verkehrschaos, das in Bergedorf ausgelöst werden könnte, wenn die großen Bahnübergänge wie Sander Damm/Weidenbaumsweg, Vierlandenstraße, Neuer Weg oder Curslacker Heerweg alle zehn Minuten wegen einer durchfahrenden S-Bahn gesperrt werden müssen. Als der Übergang am Sander Damm im November wegen Bauarbeiten für mehrere Tage gesperrt wurde, sei es bereits zu Staus gekommen. Eigentlich müssten die Autos die großen Übergänge entweder über eine Brücke oder durch einen Tunnel queren können. Doch diese Lösung könnte am Ende zu teuer sein, befürchtet die Anwohnerin.

Bergedorferin wünscht sich mehr Aufklärung für die Bevölkerung

Nicole Stößel befürchtet außerdem, dass kleine Bahnübergänge für Fußgänger, wie bei ihr am Brookdeich, gleich komplett gesperrt werden könnten. „Dann kommen wir zu Fuß nicht mehr direkt zu unserer Bushaltestelle“, sagt die Anwohnerin. „Von der Reaktivierung profitiert nur Geesthacht“, ärgert sie sich. Bergedorf habe ihrer Meinung nach kaum etwas von einer Wiederbelebung der BGE-Strecke.

Die Häuser am Brookdeich liegen zwischen B5 und A25, die derzeit weitgehend stillgelegte Bahnlinie verläuft dazwischen.
Die Häuser am Brookdeich liegen zwischen B5 und A25, die derzeit weitgehend stillgelegte Bahnlinie verläuft dazwischen. © Bergedorfer Zeitung | Julian Willuhn

Stößel hat das Gefühl, dass viele Menschen im Bezirk noch ahnungslos sind, was die Neuauflage der ehrwürdigen Bahnlinie für sie bedeutet. „Ich wünsche mir mehr Informationsveranstaltungen in Bergedorf“, macht sie klar. Um aufzuklären, möchte die Bürgerinitiative im Frühjahr mehr in die Öffentlichkeit treten und unter anderem Flyer im Bergedorfer Zentrum verteilen. Die BGE-Gegnerin fordert, die Verlängerung der S2 von Aumühle nach Geesthacht ernsthaft zu prüfen.

Als Stößel ihre Bedenken in der Bezirksversammlung vorbrachte, bekräftigten die meisten Fraktionen ihre Unterstützung für das Projekt. „Es ist ein wichtiger Baustein für die Verkehrswende“, sagte Jörg Froh (CDU), und Patrick Kühn (Grüne) betonte: „Wir stehen dahinter, dass wir diese Bahn fordern.“ Robert Gruber von den Linken machte klar. „Wir haben ein anderes Interesse als die Anlieger.“ Die Politiker versicherten aber auch, dass der Planungsprozess noch am Anfang stehe und die Belange der Betroffenen berücksichtigt werden sollen. Sozialdemokratin Katja Kramer forderte ebenfalls Tunnel oder Brücken für die großen Bahnübergänge.

Mehr zum Thema

Im Oktober hatte sich die Hamburger Bürgerschaft für die Reaktivierung des 1953 eingestellten Personenverkehrs auf der Bahntrasse ausgesprochen. Durch die mögliche neue Bahnlinie soll Geesthacht endlich wieder ans Schienennetz angeschlossen werden. Die Stadt ist mit 33.500 Einwohnern die größte Kommune in Schleswig-Holstein, die keinen Bahnanschluss hat. Laut einer Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2020 soll die Bahn mit 80 Stundenkilometern fahren können.

Aus Bergedorfer Sicht könnte so auch der Innovationspark an der A25 gut angebunden werden. Offen ist bei den bisherigen Planungen, ob die Bahnlinie am alten Bahnhof Bergedorf-Süd enden soll oder bis zum heutigen Bahnhof des Bezirks weitergeführt wird. Sozialdemokratin Kramer und ihr Kollege Gruber von den Linken machten in der Bezirksversammlung deutlich, dass sie eine Anbindung der Strecke an den Bergedorfer Bahnhof und damit das S-Bahn-Netz bevorzugten.