Lohbrügge. Bülent K. und Pjotr R. wollen in Bergedorf Luxusuhr rauben – angeblich gewaltfrei. Der Plan misslingt. Nun drohen beiden harte Strafen.
Was soll Bülent K. (alle Namen der Beteiligten geändert) unter diesen Bedingungen tun? Damit haben der 24-Jährige und sein Komplize Pjotr R. (25) nicht gerechnet: Der Mann, dem sie auf unlautere Art und Weise eine Rolex-Luxusuhr abknöpfen wollen, hat überraschenderweise seinen Stiefsohn zum Verkaufsgespräch ins Café der Bäckerei von Allwörden im Marktkauf-Center mitgebracht. Bülent K. wartet noch versteckt im Hinterhalt. Bleibt jetzt nur noch der Rückzieher?
Nein – dafür sei, wie es der jüngere der beiden Räuber Monate später vor Gericht zugibt, der „Druck zu enorm“ gewesen. Der Druck, anderen Geld zurückzahlen zu müssen. Also ziehen sie es am frühen Abend des 14. April 2023 im Café durch, scheitern aber und müssen sich nun vor dem Landgericht Hamburg wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Aufgrund ihrer umfangreichen Geständnisse und langen Zeugenvernehmungen wird das Urteil gegen R und K. erst am nächsten Donnerstag, 23. November, gesprochen.
Rolex-Coup total verpatzt: Raub wegen hoher Schulden
Das Täter-Doppel räumt auf Anraten seiner Anwälte alles ein, bittet später auch den Hauptgeschädigten Martin H. (48) und seinen Stiefsohn Patrick W. (24) für deren Folgeschäden aus dem Überfall um Verzeihung. Ihr Beutezug ist gänzlich misslungen. Bülent K. sitzt seit 9. Juli in Untersuchungshaft.
Warum stehen der Reinbeker K. und der ukrainischstämmige R. im April so massiv unter Druck? Sie haben hohe Schulden. Beide sind seit sieben Jahren befreundet, können offen über alles sprechen – und beschließen schließlich den Rolex-Raub, um an Geld zu kommen
Was den Stiefsohn des Opfers schon vorab wunderte
Über ebay spüren sie den Bergedorfer H. auf, der eine gebrauchte, aber sehr edle Rolex Oyster Perpetual Datejust mit diamantenem Ziffernblatt zum Preis von 13.700 Euro verkaufen möchte. Es wird hin und her geschrieben und noch am selben Abend ein Treffen vereinbart. H. nimmt seinen Stiefsohn mit zum Verkaufstermin, da der noch vorhat, im SportsClub im Center zu trainieren – und natürlich auch aus Sicherheitsgründen, weil viele Euro im Spiel sind.
Patrick W. kommen aber schon auf der Anfahrt Dinge suspekt vor: „Es wurde wiederholt mit unterdrückter Nummer angerufen, und die Stimme klang recht jung“, berichtet der Student dem Schöffengericht. Des Weiteren sei er, obwohl er sich damals direkt an einen Nebentisch setzt, als Begleiter des Stiefvaters vom Kaufinteressenten R. nicht wirklich wahr genommen worden. R. wiederum scheint nicht an Details der Luxusuhr interessiert zu sein, was auf W. ebenfalls kurios wirkt.
Plötzlich zischte und brannte es in den Augen
Der Plan der Räuber ist einfach: Treffen, hinsetzen, Uhr anprobieren, in den Gang halten, abgreifen, in zwei Richtungen verschwinden und an viel Geld kommen. Bülent K. gibt tieferen Einblick in seine Biografie, an seinen fatalen Cannabis-Konsum („Das Kiffen hat mich sehr träge gemacht“), an den Verlust seines Ausbildungsplatzes eben aufgrund der Antriebslosigkeit. Hinzu kam noch der falsche Umgang: „Leute, denen ich Geld schuldete, hatten mich schon mal umzingelt, weil ich ihnen es ihnen nicht zurückzahlen konnte.“ Diese Drohgebärde war so einschneidend, dass K. sich zu dem Raubversuch „gezwungen“ sah – trotz der unangekündigten Person am Nebentisch.
Ein schnelles Ding ohne Gewalt soll es werden und wird für die Täter doch zum Fiasko. Pjotr R. ist perplex, als sein Partner im Vorbeigehen bei der Uhrenübergabe plötzlich Pfefferspray gegen H. einsetzt. Das hat er eigentlich zum Schutz gegen die Gläubiger dabei. Opfer H. schildert im Gericht, dass er im Augenwinkel „jemand mit OP-Maske in meinem Rücken“ hat vorbeilaufen sehen. Ein Zischen von links hinten – schon brennen die Augen wie Feuer.
Wüste Prügelei vor der Rolltreppe
Sein Stiefsohn reagiert fix, verliert zwar den Unbekannten mit Uhr aus den Augen, erwischt aber Pjotr R. vor den Rolltreppen per Fußfeger und bringt ihn zu Boden. Die anschließende Rangelei ist wohl heftig, R. streift unter anderem mit einer Kopfnuss den Verfolger an der Schläfe, versucht gar, mit dem Finger ins Auge von W. zu drücken. Schnell greifen die Sicherheitskräfte des Centers, Passanten und wenig später auch die Polizei ein. Die hat nunmehr beide Täter ermittelt.
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Martin H. hat seine Glamouruhr, die er selbst am 23. März 2023 von privat gekauft hat, mittlerweile wieder. Sie ist aber nicht mehr in dem fast neuwertigen Zustand, weil sie offenbar weitergereicht wurde: „Sie sieht viel getragen aus, der Verschluss ich auch zerkratzt“, so der Bergedorfer, der seit dem Raubüberfall genau wie der Stiefsohn an Schlafstörungen, Konzentrationsschwächen und Abgeschlagenheit leidet. Beide Opfer wollen sich in psychotherapeutische Behandlung begeben.