Lohbrügge. Bergedorfs Kinobetreiber hoffen bis Jahresende auf mehr als 95.000 Gäste im Hansa Filmstudio. Warum 2024 vermutlich eher mau wird.
Tragische Pop-Märchen, quiteschbunter Zeichentrick und die Leinwand-Eroberung durch einen der zweifelhaftesten Charaktere der Historie: Der Jahresendspurt im Bergedorfer Kino, dem Hansa Filmstudio, kann sich wahrlich sehen lassen und spricht für viele vergnügliche Stunden. Dabei hoffen die Kinoschaffenden in Bergedorf, noch einen sehr guten Zuschauerwert für ihr Jahr 2023 zu erreichen. 96.000 Besucher: Das könnte die zweithöchste Zahl nach dem sogenannten Box-Office-Rekordjahr 2019 (damals 97.000) werden, wenn die Neustarts in diesem Jahr noch zünden.
Noch vor einigen Wochen waren die Hansa-Verantwortlichen optimistisch, mit den noch anstehenden Filmhits zum ersten Mal die 100.000-Zuschauer-Marke geknackt werden könnte. Diesen Traum muss John C. Barsoe, Geschäftsführer des Kinos, aufgrund etwas schwächer besuchter Wochen aber nun begraben, rechnet eher mit einem hohen 90.000er-Ergebnis. Bis Anfang November besuchten das Lichtspielhaus mitten im Lohbrügger Teil der Fußgängerzone etwa 73.000 Gäste. Was nicht nur an grundsanierter Technik und Ausstattung aller drei Vorführsäle und des Empfangs liegt, sondern auch an der neuen Sportsbar „CineLounge“, die bei Sportinteressierten und Burger-Liebhabern gut ankommt.
Hansa Filmstudio: Diese Film-Premieren sollen in Bergedorfs Kino locken
In den kommenden Wochen freut sich John C. Barsoe unter anderem auf diese Starts:
Die Tribute von Panem – The ballad of songbirds and snakes (offizieller Starttermin 16. November): Ein Prequel zur überaus erfolgreichen, dystopischen Sci-Fi-Saga, die einst mit Oscar-Gewinnerin Jennifer Lawrence Massen in die Lichtspielhäuser lockte. Die neue Story spielt 64 Jahre vor dem ersten Film „The Hunger Games“ und bietet viele frische Gesichter. Aber funktioniert das Ganze basierend auf den Werken von US-Schriftstellerin Suzanne Collins auch acht Jahre nach der letzten Verfilmung noch? „Für mich ist das in einer Reihe mit den „Herr der Ringe-“ beziehungsweise „Hobbit-Filmen“ zu nennen“, glaubt Kinomensch Barsoe an einen Kassenschlager.
Napoleon (23. November): Tatsächlich hat sich in der Vergangenheit noch niemand an ein Bio-Pic des wohl denkwürdigsten französischen Kaisers herangetraut. Starregisseur Ridley Scott („Thelma & Louise“, „Blade Runner“) gewann für die Hauptrolle niemanden Geringeres als Joaquin Phoenix (Oscar für Hauptrolle in „Joker“) und beleuchtet nicht nur die blutrünstigen Eroberungen im Krieg, sondern auch Napoleons eher unglückseliges Liebesleben. Im Bergedorfer Kino soll der Film später, aber noch vor Weihnachten starten.
Wish (30. November): Vieles, was der Weltkonzern Disney zuletzt produzierte, sieht Bergedorfs Kinochef sehr kritisch. Dazu gehörte zuletzt auch die aus seiner Sicht gewollt zeitgemäß wirkende und zuweilen ungeschickte Rollenbesetzung klassischer Filmstoffe wie etwa bei „Arielle, die Meerjungfrau“. Aber: Der animierte Abenteuerfilm „Wish“ verspricht Qualitätsware, die auch definitiv über Weihnachten fest ins Hansa-Programm gehören wird. „Das ist für mich der Weihnachtsfilm für Kinder 2023“, sagt Barsoe über den Streifen, der die Zuschauer ins Königreich der Wünsche entführt – wo jeder Wunsch in Erfüllung geht.
Wonka (7. Dezember): Im Jahr 2005 begeisterte Regisseur Tim Burton mit der Literatur-Adaption „Charlie und die Schokoladenfabrik“ und führte auch die Figur des exzentrischen Fabrikchefs Willy Wonka, damals dargestellt durch Johnny Depp, ein. Jetzt blickt der Kinobesucher in Kindheit und erste Erwachsenenjahre des baldigen Schokoladen-Moguls zurück, der sich für den Aufbau seines Imperiums gegen ein Kartell behaupten muss. Die Hauptrolle spielt der überaus charismatische Timothée Chalamet, der im Hause Barsoe mindestens einen Fan hat: „Das ist einer der Senkrechtstarter Hollywoods überhaupt, selbst meine 13-jährige Tochter Amy-Lynn findet ihn einfach schön.“
Raus aus dem Teich (21. Dezember): Noch ein mutmaßlicher Animationshit. Es geht um eine Entenfamilie, die vertraute Gewässer verlässt und sich unter anderem in den New Yorker Großstadtwahnsinn stürzt. Weiteren Charme erhält die Kurzweil dadurch, dass deutschsprachige Megastars wie Elyas M“Barek und Nazan Eckes dem Getier ihre Synchronstimmen verleihen.
Aquaman II: Lost Kingdom (21. Dezember): Der obligatorische Superhelden-Film kurz vor dem Fest. Jedoch werden Bergedorfer Fans des hawaiianischen Muskelmanns und Teilzeit-Meeresbewohners Jason Momoa etwas vertröstet, „weil wir familienfreundlicheren Filmen über Weihnachten den Vorzug geben“, erklärt John Barsoe.
Girl you know it‘s true (21. Dezember): Könnte mehr als ein ultimativer Geheimtipp aus Deutschland sein. Es werden Auf- und Abstieg des Sensations-Popduos Milli Vanilli ausgangs der 1980er-Jahre aufgezeigt mit einem überraschend überzeugenden Matthias Schweighöfer in der Rolle des sehr schlecht englisch sprechenden Starproduzenten Frank Farian. Barsoe sah den Film schon vorab und ist aus dem Häuschen: „Ein Superfilm, der einen sofort in das Gefühl der eigenen Jugendzeit zurückkatapultiert. Vieles wusste ich bisher über Milli Vanilli auch nicht“, schwärmt der 49-Jährige.
Bergedorfs Kinobetreiber blickt eher skeptisch auf das Kinojahr 2024 voraus
Barsoe, ohnehin ein kritischer Geist bei vielen zeitgenössischen Themen, blickt skeptischer ins Kinojahr 2024 voraus. Das liegt gar nicht mal so sehr an den Auswirkungen des soeben beendeten Hollywood-Streiks, an offensichtlich viel Einsparungen bei Visual Effects oder an Fehlbesetzungen, sondern an fehlendem Mut und Ideenreichtum, was neue Geschichten angeht. Zwar versprechen Ankündigungen wie „Dune: Part 2“ (14. März 2024), „Ich – einfach unverbesserlich IV“ (11. Juli 2024) oder „Joker: Folie à deux“ (3. Oktober 2024) gut gefüllte Kinosäle. Doch Hollywood steht zurzeit als eigentliche Schmiede für große gute Geschichten weit hinter der Streaming-Konkurrenz wie Amazon Prime und Netflix zurück.
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„Das Publikum ist ähnlich enttäuscht über ausbleibende neue Storys wie ich, kommt aber trotzdem immer wieder“, ist John Barsoe sehr sicher, „man will ja nichts verpassen.“