Bergedorf. Neue Dauerausstellung im Schlossmuseum beschäftigt sich mit der Identität des Stadtteils. Es gibt viele interaktive Mitmachangebote.

Zehn Jahre existiert dieser Gedanke bereits. So lange also, wie Schanett Riller das Sagen bei der Bergedorfer Museumslandschaft hat. Konkret mit der Ausschreibung im Frühjahr 2021 haben die Museumschefin und ihr Team zweieinhalb Jahre an Konzeption und Aufbau gearbeitet, wurden durch Corona- und Ukraine-Krise und deren Auswirkungen wie Lieferschwierigkeiten und Krankheitsfälle ebenso zurückgeworfen wie viele Teile der Gesellschaft. Nun aber steht sie, die neue Dauerausstellung namens „stadtlandfluss – unterwegs in Bergedorf“. Schon ab Sonntag, 15. Oktober, ist sie ab 11 Uhr zu besichtigen, was gerade in den Starttagen attraktiv sein dürfte.

Zugegeben, sagt die Schlossherrin selbst, ist „stadtdlandfluss“ nicht der innovativste Titel. Aber eben treffend; „Wir haben Stadt und Land hier und leben zwischen zwei Flüssen“, erklärt Schanett Riller. Es geht ja schließlich um Inhalte. Dafür haben sich die Verantwortlichen auf die Recherche nach der sogenannten „Bergedorfer Identität“ begeben, viel Material gesammelt, Gespräche geführt, ausführliche Umfragen mit 735 Teilnehmern aus dem Bezirk gemacht. Was die Ausstellungsmacher wissen wollten: „Was unterscheidet den Bergedorfer vom Eimsbütteler, was macht ihn aus – das sind die Fragen, mit denen wir uns beschäftigt haben“, sagt Riller.

Da saust er vorbei: Das Schienenzeppelin-Kurzfilmchen zeigt die Irrsinnsfahrt des Gefährts mit 230 Sachen von Bergedorf nach Berlin im Sommer 1931.     
Da saust er vorbei: Das Schienenzeppelin-Kurzfilmchen zeigt die Irrsinnsfahrt des Gefährts mit 230 Sachen von Bergedorf nach Berlin im Sommer 1931.     © BGDZ | Jan Schubert

Das Erarbeitete in Szene gesetzt haben im Wesentlichen dann die Berliner Wissensarchitekten von „H neun“. Insgesamt hat „stadtlandfluss“ 500.000 Euro gekostet, 125.000 Euro wurden von der Metropolregion gesponsert, 25.000 Euro aus der Bezirksversammlung, der überwiegende Teil aus Rücklagen der Museumslandschaft.

Bergedorfer Identität: Viel rausgeschmissen, neue Farbe tut dem Museum gut

Ein ganz wesentlicher Aspekt beim Ausstellungsdesign war das Aufräumen. Besser gesagt noch das Rauswerfen von überwiegend dunklem Inventar und Möbeln, unzähligen Gegenständen, die Wände verstellten oder an ihnen hingen. Wie zum Beispiel im alten Landherrenzimmer im ersten Stockwerk und ganz besonders am Empfang zu bemerken. Nun erstrahlt der geschwungene Tresen in sattem Grün. „Jetzt sieht der Raum dreimal so groß aus“, meint die Gastgeberin.

Macht das Eingangstor des Schlosses schick: Mark Wenzig montiert Logo in Schriftzug in frischem Grün.    
Macht das Eingangstor des Schlosses schick: Mark Wenzig montiert Logo in Schriftzug in frischem Grün.     © BGDZ | Jan Schubert

Das Grün wiederholt sich im Leitsystem der neuen Dauerausstellung, am Eingangstor des Schlosses, führt weiter in den ersten Stock, wird später zu Gelb und Pink. Wiederkehrend auch die Elemente, die den flächenmäßig größten Bezirk Hamburgs prägen, der wie nichts Vergleichbares Rurales und Urbanes mixt: Bauern, Schweine, Hafen, Hochhäuser, viele verschiedene Haustypen, ein Schloss als Wahrzeichen. Auf engem Raum komprimiert. Hereinspaziert in den „Garten Hamburgs“ zu den reichhaltigen Schätzen des Landgebiets. Oder auf der Wandlung „Vom Dorf zur Metropole“, wo auffällt, dass sich immer neue Stadtteile alle zehn Jahre in Richtung Hamburg ausrichten. Oder wie wäre es mit ein bisschen „Kurzweil und Pläsier“? Wer weiß schon, dass Bergedorf mal ein „italienisches Viertel“ in den Jahren 1842 bis 1846 mit den Lokalitäten „Frascati“, „Portici“ oder „Colosseum“ zu etablieren versuchte, um Hamburgs Amüsiersüchtige nach Bergedorf zu ziehen? Auch das ist nun im Schloss aufgearbeitet.

Verschiedene O-Maten, interaktive Luftbilder und ein Memoryspiel

Es gehört zur modernen Ausstellungsdidaktik, dass ein Rundgang auch mit akustischen Elementen, Touchscreens und Digitalmaterial aufgelockert werden sollte. Davon gibt es bei „stadtlandfluss“ ein gesundes Maß an Möglichkeiten, wo der Besucher zur Interaktion aufgefordert wird. Wie bei den kleinen Deich-, Pflanz- und Freizeit-O-Maten oder der Mistbeet-Slotmaschine. Interviews oder vorgelesene Beiträge zum Nachhören gibt es genug. In einem Raum kann eine Art Memory mit Kinderhockern und Sprüchen an der Wand gespielt werden. Und dann heißt es plötzlich „Weltrekord in Bergedorf“: Auf einem Bildschirm läuft eine Dokumentation vom 10. Juni 1931, als ein Schienenzeppelin die Strecke Bergedorf–Berlin in 98 Minuten schaffte.

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Möglicherweise das Herz der neuen Ausstellung ist der Multimediatisch im Raum „Denk ich an Bergedorf...“ Mit einer interaktiven Luftbildkarte und kleinen Lichtmasten wird jeder Stadtteil „gehighlightet“ – „so etwas hat kein Regionalmuseum“, sagt Riller. Welche wertvollen Schätze sich sonst noch gerade in diesem Raum verstecken? Lieber mal selbst entdecken – in einem echten Tresor ist sogar das „Gold der Vierlande“ platziert ...

Die Geschichte des Bergedorfer Tourismus umfasst auch das Kapitel des „italienischen Viertels“.   
Die Geschichte des Bergedorfer Tourismus umfasst auch das Kapitel des „italienischen Viertels“.   © BGDZ | Jan Schubert

Eines ist Schanett Riller wichtig: „,stadtlandfluss‘ ist keine chronologische Nacherzählung, kein Zahlensammelsurium und auch keine Personengeschichte“, sagt die 49-Jährige über ihr Verständnis eines Regionalmuseums für den Bezirk Bergedorf und ist sowieso überzeugt: „Wir sind jetzt zeitgemäß, modern. Und das, was wir zeigen, wird auch noch in fünf Jahren sehenswert sein.“ „stadtlandfluss“ ist grundsätzlich konzipiert für die nächsten zehn bis zwölf Jahre. Der Einstieg ab Sonntag, 15. Oktober, bis zum Dienstag, 31. Oktober, ist sehr publikumsfreundlich: „So lange wird ist der Eintritt frei sein“, sagt Schanett Riller. Danach gelten die üblichen Museumspreise (3,50 bis 5 Euro) – und wie lautet denn nun die Antwort auf die Bergedorfer Identität? Das darf jeder Besucher selbst eintragen im End-Raum „Bergedorf meine Perle“.