Bergedorf. Zu wenig Gäste interessiert an Dinner in edlem Ambiente. Betreiber vermutet einen Grund – und richtet das „In aller Munde“ neu aus.
Ist sein Steckenpferd Fine Dining gescheitert? So ganz wegdiskutieren kann Andreas Kilonzo es nicht, dass das Konzept des qualitativen, aber eben auch hochpreisigen À-la-carte-Geschäfts im Schlossrestaurant „In aller Munde“ in Bergedorf dann doch in drei Jahren nicht gezündet hat: „Emotional gesehen mag das so sein, aber wir haben mit unserem aktuellen Frühstück und Mittagessen eine gute, qualitative Alternative gefunden.“ Jetzt geht der Betreiber der Schlossgastronomie mit seinem Betriebsleiter Jörg Geißler einen Schritt zurück in Richtung Normalität. Oder auch nicht: Das Schlossrestaurant bietet ab sofort von Dienstag bis Sonnabend Frühstück (9 bis 12 Uhr), Mittagstisch (12 bis 15 Uhr) und Kaffee und Kuchen (15 bis 17 Uhr) an – immer noch mit eigener Philosophie. Verzichtet wird hingegen weitestgehend auf Abendgäste.
Dienstag bis Sonnabend 9 bis 17 Uhr – nein, das ist kein klassischer Bürojob. Das sind die geltenden Öffnungszeiten der Schlossgastronomie und ist der Beginn einer hoffentlich wirtschaftlich erfolgreicheren Zeit. Gleichzeitig nehmen Kilonzo und Geißler damit Kritikern den Wind aus den Segeln, die immer gefordert hatten, das Restaurant möge sich mit seiner Öffnung mehr am Museumsbetrieb orientieren. Das alles soll aber nicht heißen, dass das kulinarische Prinzip der Regionalität, Selbstproduktion, Nachhaltigkeit einem Standardfrühstück oder -mittagessen weicht
Überhaupt Frühstück – das gibt es erst seit kurzer Zeit in der Schlossgastronomie. Die neuen Stars im Schloss sind beispielsweise die Green Smothie Bowl (genug Obst, Matcha Topping, Spinat, hausgemachte Granola für 12,90 Euro), die Avocado Stulle (9,90 Euro) oder das immense „De luxe“-Frühstück mit unter anderem Roastbeef, Krabbensalat und Forellenkaviar (24,90 Euro). Jörg Geißlers persönlicher Favorit ist offenbar das vegane Frühstück (14,90 Euro), das aus seiner Sicht „keine Anhäufung von Beilagen“ darstellt, sondern „eigenständigen Gerichten“ gleichkommt.
Schlossrestaurant konzentriert sich aufs Tagesgeschäft: Larissa Michel zaubert in der Küche
Ein bisher öffentlich unbesungener Bestandteil im In-aller-Munde-Team steht in der Küche: Larissa Michel lässt im Schloss seit einem Jahr geschmackliche Explosionen zu. Jetzt darf sie sich auch bei der ersten Mahlzeit des Tages austoben: „Ich mag am liebsten, wenn es vegetarisch, vegan und schön angerichtet ist“, lautet ihre Devise. Das größte Kompliment sei für sie, wenn es den Leuten schmecke und sie „gar nicht merken, dass es vegan ist“.
Überhaupt steht die Börnsenerin bei so ziemlich allen Ingredienzen ihrer Frühstückswelt auf Selbstgemachtes und Regionales: Die Frücjte für ihre Quittenmarmelade stammen von Bäumen aus dem eigenen Garten. Ihre veganen Croissants verdienen das Prädikat „besonders probierenswert“, Krabbensalat und Pesto zur frühen Stunde sind vielleicht nicht jedermanns Sache, aber schon bekömmlich. Das Sauerteigbrot stammt übrigens aus der Backstube der Geesthachter Bäckerei Dittmer
Jörg Geißler beobachtet: „Gäste, die schon mal hier waren, kommen gern wieder.“ Was zu selten der Fall war seit September 2020. Seinerzeit startete das Team den Versuch, Abendgeschäft zu etablieren. Schlossrestaurant-Chef Kilonzo sieht aber nicht unbedingt den selbst gewählten Ansatz Fine Dining, also die Mischung aus Ambiente und kulinarischem Erlebnis mit höheren Preisen, als ursächlichen Fehler an, spricht eher die Nachteile an, die der Standorts an sich aus seiner Sicht hat. „Ich glaube, dass das À-la-carte-Geschäft abends hier schwierig ist, da wir beispielsweise keinen eigenen Parkplatz haben und der Schlosspark in bestimmten Monaten unbeleuchtet und dunkel ist.“ Das sei jetzt bei stärkerem Fokus aufs Tagesgeschäft spürbar anders.
Was die In-aller-Munde noch verbessern möchte
Doch auch beim Punkt der Selbstvermarktung macht sich Andreas Kilonzo nicht komplett schuldfrei – das Thema Werbung sei ein wenig vernachlässigt worden. Das soll nun nachgeholt werden unter anderem mit der quartalsmäßigen Veröffentlichung eines kulinarischen Kalenders des Schlossrestaurants. „Wir müssen die Sichtbarkeit erhöhen“, weiß der 42 Jahre alte In-aller-Munde-Chef.
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Abends öffnet das Schlossrestaurant nur noch auf Anfrage und zu bestimmten Anlässen wie Hochzeiten, Geburtstagen, Betriebsfeiern und Vergleichbarem. Dann bekommt Küchenfee Larissa Michel Leihköche an die Seite gestellt. Apropos Personal: Weiterhin fehlt es an Köpfen, Kilonzo und Geißler suchen nach einer weiteren Service- und Küchenkraft.
Restprogramm im kulinarischen Jahr 2023
Es fehlt aber nicht an Optimismus bezüglich des neuen Tageskonzepts: „Ich möchte ab November jeden Tisch im Restaurant besetzt haben“, sagt Andreas Kilonzo und glaubt an gute Mund-zu-Mund-Propaganda. Der gourmettechnische Jahresendspurt könnte auch viele Gäste ansprechen. Zum bevorstehenden Martinsmarkt wird das passende „Shoppingfrühstück“ gereicht. Mit Beginn des Bergedorfer Weihnachtsmarkts wird es dann im Schlossinnenhof einen Verkaufsstand mit Glühwein und -gin, Apfelpunsch, Weihnachtsbier, Waffeln und Flammkuchen geben, zudem jeweils sonntags (3., 10., 17. Dezember) den Adventsbrunch. Plus der „Welcome-home-for-x-mas-party“ am 23. Dezember ebenfalls im Innenhof, dem Weihnachtsbrunch am 1. und 2. Feiertag und dem fast schon obligatorischen Silvester-fünf-Gänge-Menü. „Der Fokus liegt jetzt klar auf dem Schloss“, sagt Andreas Kilonzo, dessen Bistro an der Alten Holstenstraße wiederum gut läuft.