Bergedorf. SPD, Grüne und FDP setzen sich durch, ernten aber viel Kritik für Antrag zu Erneuerbaren Energien. Mitspracherecht für Bürger.
Im Grundtenor sind sich die Kontrahenten einig: Um die Energiewende im Bezirk Bergedorf weiter zu forcieren, soll nach einem Koalitionsantrag nicht nur das Stromnetz zeitnah ausgebaut, sondern auch neue Flächen für Windkrafträder und Solaranlagen gefunden werden. SPD, Grüne und FDP bauen bei der Flächensuche dabei im Speziellen auf die Expertise und Hilfe der Umweltbehörde Bukea und den Hamburger Senat. Das jedoch versuchte die Opposition, insbesondere die Bergedorfer CDU, in der Bezirksversammlung mit einem Gegenantrag zu verhindern. Sie sieht die Entscheidungsgewalt bei der Flächenauswahl besser in Bergedorf aufgehoben.
„Bergedorf ist bereits seit Jahren Vorreiter beim Ausbau der erneuerbaren Energien“, betont Bergedorfs SPD-Fraktionschefin Katja Kramer. Die 34-Jährige spielt damit besonders auf die Ausweisung von passenden Flächen für Windkrafträder vor etwas mehr als zehn Jahren in den Vier- und Marschlanden an. Zudem sei Bergedorf der erste Bezirk überhaupt gewesen, der sich ein eigenes Klimaschutzkonzept gegeben habe. Im Anbau des Rathauses an der Wentorfer Straße agiere die Stabsstelle Klimaschutz.
Erneuerbare Energien: „Können es nicht allen recht machen“
Aber: Die Klimaschutzziele der Bundesregierung und des Senats würden „höhere Erwartungen“ auf einen „Flächenbezirk“ wie Bergedorf erzeugen – dem wollen Kramer und ihre Mitstreiter auch gerecht werden. Priorität genieße dabei der Ausbau des Stromnetzes, denn beispielsweise durch Photovoltaikanlagen mehr erzeugte Energie müsse ja auch aufgenommen und in den Verbrauchskreislauf eingespeist werden. Darüber hinaus möchten die Koalitionäre, dass sich die Verwaltung Hilfe beim Senat holt, um geeignete Flächen zu identifizieren.
„Wir werden es auch diesmal nicht allen recht machen können. Aber wir haben es in der Vergangenheit zumindest jedes Mal versucht“, stellt Katja Kramer fest. Alles ginge jedoch nur über frühzeitige Bürgerbeteiligungen und Gespräche mit den Menschen. „Wir haben gesehen, dass Windkrafträder nicht die Kultur und Tradition der Vier- und Marschlande zerstören“, betont die Sozialdemokratin.
Opposition sieht Hintertür für riesige Windräder geöffnet
Tatsächlich sei der Koalitionsantrag zu Erneuerbaren Energien begrüßenswert, urteilt Bergedorfs CDU. Doch etwas möchte die Oppositionspartei keinesfalls mitmachen: Soll sich Bergedorf bei der Flächenauswahl die Butter vom Brot nehmen lassen? Bergedorfs CDU-Fraktionsvorsitzender Julian Emrich sieht das überhaupt nicht ein: „Dieser Antrag soll doch neue Orte für Windenergieräder durch die Hintertür finden. Der Senat soll einfach neue Flächen dafür finden“, poltert Emrich los.
Der 37-Jährige will sich nichts aus dem Hamburger Rathaus vorschreiben lassen. Stattdessen formuliert seine Partei in ihrem nachgeschobenen Antrag zu Erneuerbaren Energien, dass zunächst einmal die Bukea konkrete „Voraussetzungen und Kriterien zu formulieren“ habe, „unter denen Flächen als geeignet erscheinen, um Windkraft- oder Photovoltaikanlagen zu errichten“. Zwingend nachzuprüfen sei, ob die gewonnene Energie auch tatsächlich ins Stromnetz eingespeist werden könne und weiterhin, ob auch Abstandsradien zu Wohnsiedlungen und anderen Bauwerken eingehalten werden. Weiterhin möchte die stärkste Oppositionspartei wissen, inwieweit Photovoltaikanlagen auf Dächern von Gewerbedächern möglich und effektiv sind.
Zweifel am Output der Stabsstelle Klimaschutz
Ergebnisse sollten dann weiter im Bergedorfer Rathaus diskutiert werden: Die Bukea soll geeignete Orte für Windkraft und Photovoltaik „als Entscheidungsgrundlage“ für die Bezirksversammlung vorschlagen. Emrich: „Wir müssen sowieso als Grundlage eine bessere Infrastruktur des Stromnetzes schaffen.“
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Auch die Linke ist vom rot-grün-gelben Antrag nicht überzeugt. Es scheine fast so, vermutet deren energiepolitischer Sprecher Lutz Jobs, als sei die Koalition „nervös“ ob des aus seiner Sicht geringen Ertrags der hiesigen Stabsstelle Klimaschutz sowie einer kaum erfassbaren Anzahl an Photovoltaikanlagen im Bezirk geworden. Insofern seien konkretere Formulierungen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien für Jobs zunächst der gangbarere Weg. Dies könne beispielsweise in einem Fachgremium wie dem Umweltausschuss geschehen.
Möchte die AfD ein Kernkraftwerk in Bergedorf bauen?
Als weniger eingenommen von der Idee des Ausbaus Erneuerbarer Energien outet sich übrigens Bergedorfs AfD-Fraktionschef Reinhard Krohn: „Dieser Bereich liegt leider sehr in den Händen von Rot-Grün, denen wir den teuersten Strompreis der Welt zu verdanken haben“, überzieht der Rechtsaußen seine Kritik – und überrascht mit seiner Alternative: „Was wir brauchen, wäre eine saubere Energiegewinnung. Aus einem Kernkraftwerk.“ Wie und wo Krohn das in Bergedorf realisieren möchte, verrät er nicht.
Realistischer erscheint da die Abstimmung: Wenig überraschend setzte sich die Bergedorfer Koalition mit ihren Forderungen trotz heftiger Kritik durch – und wird sich daran zukünftig messen lassen müssen, wie sehr sie die Bergedorfer Bevölkerung bei dem Thema mitnimmt.