Bergedorf. Schon bald wird der Hamburger Osten bei den Einwohnerzahlen kräftig aufholen. Woran das liegt.

Lange Zeit war der Bezirk Bergedorf das Musterkind Hamburgs, erfüllte die im Vertrag für Hamburg anvisierten 800 Wohnungsbaugenehmigungenjährlich spielend. Seit mehrere Großprojekte wie etwa das Stuhlrohrquartier ins Stocken geraten sind, wird jedoch weniger gebaut. Und auch das ist womöglich ein Grund dafür, dass Bergedorfs Bevölkerung zwar wächst – aber deutlich geringer als in den anderen Hamburger Bezirken.

Denn wie aus der Antwort auf eine Schriftliche Anfrage der CDU hervorgeht, stieg die Zahl der Bergedorfer zwischen Ende 2021 und Ende 2022 zwar von 130.711 auf 132.901 (+2190) und damit um etwa 1,65 Prozent. Doch die anderen Bezirke legten mehr zu: In absoluten Zahlen wuchs Wandsbek am stärksten (9049 Menschen), prozentual gesehen legte der Bezirk Harburg mit einem Plus von 2,23 Prozent am kräftigsten zu. Der Süden Hamburgs hat mit nunmehr 174.369 Einwohnern inzwischen einen deutlichen Abstand zum dünner besiedelten Hamburger Osten.

Einwohnerzahlen: Bezirk Bergedorf wächst langsamer als andere

Der Zuzug vieler ukrainischer Flüchtlinge im Jahr 2022 mag das Bild verzerren. Denn tatsächlich leben in den Bezirken Harburg und Mitte am wenigsten gebürtige Deutsche (63,5 und 63,3 Prozent). Bergedorf liegt diesbezüglich mit 70,4 Prozent im hamburgischen Mittelfeld. In Harburg und Mitte haben etwa die Hälfte der dort lebenden Menschen einen Migrationshintergrund. Im Bezirk Bergedorf sind es 41,4 Prozent. Der Anteil gegenüber 2021 ist hamburgweit gestiegen – auch das wohl eine Folge der wachsenden Flüchtlingszahlen.

Ein weiterer Blick auf die Einwohnerzahlen zeigt: Seinen Status als kinderreichster Bezirk hält Bergedorf noch – zumindest fast. Auch hier hat Harburg zwar die Nase vorn, aber nur geringfügig: Gemessen an der eigenen Einwohnerzahl liegt der Anteil an Kindern zwischen null bis 17 Jahren in Bergedorf bei rund 18,52 Prozent, in Harburg bei 18,84 Prozent. Zum Vergleich: in Altona sind es nur 14,82 Prozent. Dass in Bergedorf viele Familien leben, zeigt auch ein anderer Wert: Denn die Zahl der Singlehaushalte ist mit Abstand die geringste aller Bezirke und liegt bei 44,6 Prozent. In den meisten anderen Bezirken sind es deutlich mehr als die Hälfte aller Haushalte.

Bezirksamt: Bergedorf kommt von der geringsten Ausgangsbasis

Woran es liegt, dass Bergedorf offenbar für Familien attraktiv ist, aber im hamburgweiten Vergleich am wenigsten Neubürger gewinnt, kann nur vermutet werden. Mieten, Arbeitsplätze, Kitas, Schulen, Verkehrsanbindung: Vieles spielt in die Entscheidung eines Umzugs hinein. Und schon öfter gab es Klagen, dass Bergedorf mit dem Bau der Infrastruktur analog zum Wohnungsbau nicht hinterherkommt.

Dem Bezirksamt Bergedorf kommt die eher geringe Zuwachsrate auch gar nicht ganz ungelegen. Denn Bergedorf komme ja auch von der geringsten Ausgangsbasis, zählte noch 2021 nur gut 121.000 Einwohner, so Sprecher Lennart Hellmessen auf Anfrage. „Zuwächse wie in anderen Bezirken würden hier zu deutlich spürbareren Veränderungen in der Struktur führen“ als in schon bereits verdichteten Bezirken/Stadtteilen, meint er. Mit seinem Landgebiet habe Bergedorf auch einen Bereich, die sich „in weiten Teilen nicht für eine bauliche Verdichtung eignet“. Entsprechende Planungen müssten behutsam und mit Augenmaß erfolgen. Das hatte im März auch der Nabu für Bergedorf angemahnt.

Allerdings werde Bergedorf beim Bevölkerungswachstum wohl bald kräftig aufholen, vermutet Hellmessen: Zahlreiche größere Vorhaben seien für Bergedorf bekanntlich in der Entwicklung. „Allein die Gebiete in Oberbillwerder und an der Schleusengrabenachse haben ein Potenzial von über 10.000 Wohneinheiten für die nächsten Jahre.“ Mit ähnlichen Entwicklungsflächen „können andere Bezirke, außer Harburg, nicht mehr aufwarten“.