Bergedorf. Bezirksamt Bergedorf stoppt im Jugendzentrum am Oberen Landweg das Projekt „Lass 1000 Steine rollen“. Über die Gründe.
Normalerweise dröhnt es hier aus dem Keller, sind Drums und coole Rap-Gesänge zu hören. Denn schon seit 1987 gibt es im Pink Haus am Oberen Landweg 2 das Projekt „Lass 1000 Steine rollen“ – eine suchtpräventive, offene Kinder- und Jugendarbeit des Vereins Trockendock. Bis 22 Uhr proben hier Bands in drei Übungsräumen und nutzen das Tonstudio. Anfänger üben Gitarre, Keyboard und Schlagzeug, Fortgeschrittene laden gar zum Hauskonzert ein. Damit ist es jetzt plötzlich vorbei. Der Grund: Die fünf Notausgänge funktionieren nicht korrekt.
Wie konnte es so weit kommen? „Am 5. Januar standen hier Leute vom Bezirksamt und sagten, das sei zu gefährlich, sie könnten das nicht mehr verantworten. Wir müssten sofort schließen“, sagt ein empörter Holger Hillers. Der Projektleiter ist wütend und betroffen zugleich, denn „die Mängel sind seit zwei Jahren bekannt. Gemacht wurde nichts.“
Brandschutztechnische Mängel wurden nicht beseitigt
Bereits 2016 und im November 2020 gab es eine Brandverhütungsschau durch die Feuerwehr, die diverse Mängel feststellte. Eine Nachschau im Mai 2021 ergab „nicht beseitigte brandschutztechnische Mängel“, ließen die Kontrolleure die Bauprüfabteilung wissen. Es sei weder eine Brandschutzverordnung vorgelegt noch die Notausgänge optimiert worden. Die nämlich müssen „jederzeit mit einem Handgriff geöffnet werden können“, steht im Bericht, der zudem darauf verweist, dass die Entriegelung eindeutig gekennzeichnet sein muss.
Aber: Die Notausstiege im Bereich der Probenräume sind hinter massiven Stahlplatten verborgen, die teils mit Karabinern verschlossen sind und zunächst in den Raum geschwenkt werden müssen – so denn da genügend Platz und nicht alles mit Musikinstrumenten vollgestellt ist. Weiter: „Die Arretierung der außenliegenden Vergitterung, die mit einem Teelöffel bzw. einer eingesteckten Schraube realisiert ist, ist zu entfernen“, mahnte die Feuerwehr und merkte zuletzt an, dass Rauchmelder nicht reichen, weil es laut ist: Blitzende Lichtsignale müssten her.
„Kleinigkeiten, die ein Schlosser in einem Tag schaffen würde“
„Das sind eigentlich lächerliche Kleinigkeiten, die ein Schlosser in nur einem Tag schaffen würde“, meint Holger Hillers, der das Musikprojekt seit mehr als 30 Jahren leitet und schätzt, eine Instandsetzung würde höchstens 10.000 Euro kosten. „Es ist wirklich fahrlässig, wenn ein wichtiges pädagogisches Projekt wegen solcher Versäumnisse extrem runtergefahren werden muss.“
Klingt wie eine Provinzposse. Wenn wir uns nicht in einer Metropole mit vielen behördlichen Zuständigkeiten befinden würden. Denn das Haus, das laut Bezirksamt im Eigentum der Sozialbehörde ist, wird von der Sprinkenhof AG betreut. Und die weiß seit vielen Jahren, dass hier einiges im Argen liegt – nicht erst, seit am verregneten Vatertag 2018 der Keller unter Wasser stand: „Weil die Regenrinnen nicht gewartet worden waren, das Fallrohr defekt ist“, so Hillers, der sich wenigstens freut, dass es neue Feuertreppen gibt.
Immerhin im September 2020 bekam er eine Mail aus dem unterhaltspflichtigen Bezirksamt. Nun sei ein Auftrag vergeben. Passiert sei indes nichts: „So langsam verliere ich den Glauben an ein vernünftiges Arbeiten im Amt“, sagt der Sozialpädagoge.
Bezirksamt beachtet Vergaberichtlinien und beauftragt erst, wenn Geld da ist
Da könne man nicht nicht mal eben „mit einer Flex ein Gitter weghauen und nach dem Gießkannen-Prinzip sanieren“, merkte Detlef Trute nun im Jugendhilfe-Ausschuss an: Es gelte, Vergaberichtlinien zu beachten und erst zu beauftragen, wenn Geld da ist. Doch in Wahrheit nimmt Bergedorfs Leiter des Sozialraummanagements seine Kollegen vom Internen Service in Schutz.
„Wir sind jetzt dran und holen zügig Angebote ein, um das umgehend zu beheben“, heißt es wenig konkret aus dem Rathaus, dessen Sprecher Lennart Hellmessen zudem erklärt, eine frühere Umsetzung der „umfangreichen bauliche Anforderungen sei unter den Rahmenbedingungen von Corona nicht möglich gewesen“.
Murren unter den Politikern: „Das ist doch nur Flickschusterei in diesem Haus. Dabei brauchen die Jugendlichen nach Corona einen Treffpunkt, um ihre Emotionen zu verarbeiten“, meinen die Grünen: „Dieser Zustand ist nicht tolerabel“, so Heribert Krönker. Cornelia Frieß (Die Linke) ist sogar „entsetzt, wenn das Haus jetzt strukturell den Bach runtergeht“. Auch die SPD lobt das „förderwürdige Projekt“, könne aber „keine schnelle Lösung versprechen“, so Petra Petersen-Griem. Nicht zuletzt kritisiert Ausschuss-Vorsitzender Stefan Thomsen, dass es keinerlei Information an den Jugendhilfe-Ausschuss gab.
Aber es kommt noch schlimmer: „Es gibt überhaupt keine vertragliche Grundlage zur Nutzung der Räumlichkeiten“, bemerkte Hans-Jürgen Schinowski, der im Dezember 2021 die Geschäftsleitung des Vereins Trockendock übernahm. Sozialraummanager Trute schluckt: „Für einen Nutzungsvertrag wenden Sie sich bitte an die Gebäudeverwaltung in unserem Rathaus.“