Hamburg. Alle Rohre in Ordnung? Viele Hauseigentümer haben verpflichtende Überprüfung noch nicht durchgeführt. Betrüger wittern ihre Chance.

Das Angebot an der Haustür lag bei 79 Euro, die tatsächlichen Kosten am Ende aber bei gut 8000 Euro. Mit Fällen wie diesem aus den vergangenen Wochen in Nettelnburg kann Thorsten Ernst von der Rohrreinigungsfirma RCS ganze Bücher füllen: „Es sind wieder zwielichtige Handwerker unterwegs, die sich gezielt ältere Einfamilien-, Doppel- oder Reihenhäuser aussuchen und hier eine tatsächlich kriminell günstige Dichtheitsprüfung anbieten“, warnt der Experte aus Kröppelshagen.

Die Masche basiert auf einem echten Versäumnis der Grundstückseigentümer: Gemäß Hamburgischer Verordnung zum Abwassergesetz hätten sie sämtliche Rohrleitungen unter ihren Wohnimmobilien schon bis Ende 2020 einem sogenannten Dichtheitstestunterziehen und bei Leckagen auch reparieren lassen müssen. So sollen versteckte Grundwasserverunreinigungen abgestellt werden. Doch rund 40 Prozent der Eigentümer hat das bisher noch gar nicht in Angriff genommen.

Dichtheitsprüfung: Realistischer Grundpreis liegt laut Experten bei 300 bis 600 Euro

„Ein realistischer Preis für die erforderliche Kamerafahrt durch die Rohre samt Dokumentation liegt je nach Haus- und Grundstücksgröße zwischen 300 und 600 Euro, manchmal aber auch noch etwas höher“, nennt Bergedorfs Installateur-Bezirksmeister Bernd Hegemann eine Richtgröße. „Sind dann noch Reparaturen nötig, etwa weil Wurzeln in die Leitungen gewachsen sind oder es sonstige Risse gibt, können noch einige Hundert oder sogar Tausend Euro draufkommen. Aber dafür sollte unbedingt eine Fachfirma des Vertrauens mit den Arbeiten beauftragt und nichts an der Haustür unterschrieben werden.“

Dichtheitsprüfung: Warum kein Bußgeld droht

Sorge vor deftigen Strafzahlungen brauchen die betroffenen Hauseigentümer ohnehin noch nicht zu haben, bestätigt die Hamburger Umweltbehörde auf Nachfrage unserer Redaktion: „Aufgrund der starken Auslastung der Fachbetriebe und der daraus resultierenden längeren Vorlaufzeit für Grundstückseigentümer, einen Termin für eine Dichtheitsprüfung zu erhalten, wurden bislang keine Bußgelder verhängt.“ Zudem besteht eine Pflicht zur Vorlage der Nachweise in Hamburg erst, wenn die Behörde dazu direkt auffordert. Und in Schleswig-Holstein wurde die vorgeschriebene Dichtheitsprüfung Anfang dieses Jahres sogar vorerst ganz ausgesetzt.

Dennoch sind die kriminellen Anbieter weiter unterwegs, berichtet Thorsten Ernst: „Oft klingeln junge Frauen an den Türen, um mit viel Charme Unterschriften unter ihre Vertragsformulare zu bekommen.“ Die Firmen rückten dann tatsächlich schnell an – aber nur, um Gärten oder Einfahrten großflächig aufzugraben und mittendrin deftige Rechnungen zu präsentieren. „Abgeschlossen werden die Arbeiten erst, wenn das Geld bezahlt worden ist.“ Nur leider seien die Abwasserrohre auch dann noch nicht dicht – und die Betroffenen müssten noch einen zertifizierten Betrieb beauftragten.

Wer solche Erfahrungen vermeiden will, sollte sich direkt an seinen Haustechniker wenden, empfiehlt Bernd Hegemann. „Wer keinen hat findet zudem eine Liste zertifizierter Betriebe auf der Homepage der Überwachungsgemeinschaft Technische Anlagen des Sanitär- und Heizungsgewerbes unter www.uewg-shk.de.