Bergedorf. 67 Handwerksbetriebe sind rund um das Sachsentor ansässig. Wie beurteilen sie ihr Umfeld? Ein Ortstermin.
Sie sind die Lebensader der Bergedorfer Fußgängerzone: Aktuell 67 Handwerksbetriebe, ob nun Friseure, Schuhmacher, Schneider oder Elektrotechniker, sind im oder rund um das Sachsentor ansässig. Eine perfekte Gelegenheit für Bezirksamtschefin Cornelia Schmidt-Hoffmann, stichprobenartig beim „Future Walk“ zusammen mit der Handwerkskammer bei den Handwerkern reinzuschauen und zu hören, wie denn die Lage ist – und vor allem welche Wünsche zur Attraktivitätssteigerung der deutlich kränkelnden Einkaufsstraße bestehen.
Es sprudelt fast aus Christoph Dwenger, verantwortlich für Juwelier und Goldschmied Dwenger Design OHG, heraus, als ihn das Komitee um Schmidt-Hoffmann, Marlene Sandecki (Wirtschaftsförderin des Bezirks) und Bezirkshandwerksmeister Christian Hamburg besucht. Was Dwenger am ehesten traurig macht: ein mittlerweile verkorkster Branchenmix, der sich eher durch Billigläden als durch inhabergeführte Einzelgeschäfte auszeichne. Kurzum: Das Sachsentor ist aus Sicht Dwengers schon mal „prickelnder“ gewesen.
Bergedorfs Fußgängerzone: „Brauche mehr inhabergeführte Geschäfte“
Die Idee, Leerstände mit temporär befristeten Pop-up-Stores zu besetzen, sei ja nicht übel, „wir brauchen aber mehr inhabergeführte Geschäfte“, sagt Dwenger, der sich sehr gut ein zeitlich begrenztes Fördermodell aus Bundesmitteln für Neugründungen vorstellt. Es stelle sich schon die Frage, warum viele Geschäftsleute zwar den Willen bekundeten, nach Bergedorf zu kommen, es letztlich aber doch sein ließen.
Die Sachlage kennt Monika Oesterwinter auch. Es kämen nicht wenige Kunden in die von ihr geleitete Fielmann-Filiale am Sachsentor, die klagten: „Hier ist ja nicht mehr viel los.“ Doch Oesterwinter ist anderer Meinung: „Wir brauchen alle ein bisschen Geduld, dann hauen wir in Bergedorf richtig auf die Pauke.“ Denn die Bedingungen seien super: junge Familien, viel Kaufkraft, tolles Flair. Hinzu kämen die verkehrsreduzierte Bergedorfer Schlossstraße, das CCB und das bald fertige Bergedorfer Tor – alles Pluspunkte für den Einkaufsstandort und die Lebensqualität, so die Fielmann-Chefin.
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Hier pflichtet auch Christoph Dwenger bei, aber: „Laufkundschaft haben wir gar nicht mehr, weil niemand hier längs bummelt. Unser Geschäft funktioniert, weil wir es in dritter Generation machen.“ Zufallskäufer meiden das Sachsentor auch aufgrund der extremen Parkplatzmisere. „Mancher fährt deshalb lieber nach Lüneburg“, ist Dwenger enttäuscht.
„Keine weiteren Telefonläden oder Bäckereiketten“
Natürlich durften die Besuchten auch anmerken, was fürs Sachsentor weniger förderlich ist: „Was wir nicht brauchen, sind weitere Telefonläden oder Bäckereiketten“, mahnt Oesterwinter. Aus Kundengesprächen weiß die Reinbekerin: Eine Fleischerei mitten im Zentrum, das wäre wunderbar. Juwelier Dwenger hingegen gefällt, dass neue gastronomische Angebote Bergedorf am Abend beleben. „Es sitzen wieder mehr Menschen draußen, genießen guten Wein und gutes Essen.“ Bitte mehr davon.
Bei Bezirkshandwerksmeister Hamburg ist rauszuhören, dass seiner Meinung nach die Handwerksbetriebe das Rückgrat der Bergedorfer City sind. Hamburg bezeichnet das als „Grundrauschen“ und ergänzt: „Sie haben Stammkunden, die genau wissen, wo Fachleute sind. Wenn ich einen guten Friseur oder Uhrmacher habe, dann tausche ich den nicht mehr.“
Inhabergeführt funktioniert nur, wenn auch Inhaber da sind
Viel Input für Cornelia Schmidt-Hoffmann, die zudem auf dem Webstuhl in der Webmanufaktur Maike Weyrich saß. Allen Betrieben ist gemein, dass sie viel Stammkundschaft haben. Dwenger beispielsweise berichtet von 30 Prozent seiner Kundschaft, „die unseretwegen aus Eppendorf oder Winterhude anreist“. Jedoch muss kollektiv am besseren Branchenmix gearbeitet werden. „Inhabergeführt“ höre sich zwar ideal an, „dafür brauchen wir aber auch Inhaber“, weiß die Bezirksamtsleiterin.
Ihr Appell ist eindeutig: „Wir als Bezirksamt bekommen eine Änderung des Mixes nur gemeinsam mit Selbstständigen und Gebäudeeigentümern hin.“