Bergedorf. Dichtheitsprüfung ist Pflicht für Hauseigentümer. Kriminelle nutzen das offenbar aus. Behörde warnt vor „Haustürgeschäften“

Hamburgs Umweltbehörde setzt alle privaten Hauseigentümer gerade mächtig unter Druck: Nur noch bis zum Jahreswechsel in gut acht Wochen haben sie Zeit, den tadellosen Zustand der Abwasserleitungen im Erdboden ihres Grundstücks per Dichtheitsprüfung durch einen zertifizierten Fachbetrieb nachzuweisen – und notfalls nachzubessern.

Als erstes Bundesland verpflichtet die Hansestadt ihre Bürger per Verordnung auf Basis des Abwassergesetzes dazu, das Grundwasser zu schützen. Hintergrund: Von dort bezieht Hamburg sein gesamtes Trinkwasser – als einzige deutsche Großstadt. Schleswig-Holstein fordert den Nachweis erst Ende 2025.

Viele Fachbetriebe sind bis weit ins nächste Jahr ausgebucht

Zwar hatte Hamburg den einst auf 2015 gelegten Termin schon um fünf Jahre verschoben, um seinen Hausbesitzern mehr Zeit zu geben. Aber bei vielen ist er durch den langen Aufschub in Vergessenheit geraten.

Die Folge: Heute sind die zertifizierten Fachbetriebe bis weit ins nächste Jahr hinein ausgebucht – und zwielichtige Arbeitskolonnen wittern ihr Geschäft. Wie gerade bei einem Senioren-Ehepaar in Curslack, das ungenannt bleiben will: Die Männer klingelten an der Tür, überfielen die Ahnungslosen geradezu mit der Pflicht zum Dichtheitsnachweis und boten an, die Prüfung sofort vorzunehmen. Für 59 Euro.

Das Ehepaar willigte ein und war dabei, als die vermeintlichen Facharbeiter ihre Abwasserrohre per Videokamera abfuhren. Doch die Bilder auf dem Monitor zeigten einen anderen Film, nämlich den eines durch Versackungen, Rohrbrüche und Wurzeln völlig zerstörten Abwassernetzes. Es folgte das Aufstemmen des Kellerbodens, Rohre wurden ausgetauscht und am Ende eine fünfstellige Rechnung präsentiert. Ähnliche Fälle gab es bereits 2015. Damals bot eine Firma aus Berlin ihre Dienste für 149 Euro an.

Bergedorfer Experte sagt, worauf man achten sollte

„Für 59 oder auch 149 Euro ist keine Dichtheitsprüfung zu machen. Seriös sind mindestens 300 Euro, je nach Länge der Rohre auch einige Hundert Euro mehr“, sagt Bernd Hegemann, Bergedorfer Bezirksmeister der Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. „Außerdem sind diese Firmen gewöhnlich nicht zertifiziert. Und sie lassen sich mit dem Auftrag zur Prüfung auch gleich den zur Sanierung der Leitungen unterschreiben.“ Das mache die rechtliche Lage für den Kunden schwierig.

Das weiß auch die Umweltbehörde, die schon auf ihrer Homepage www.hamburg.de/abwasserleitung ausdrücklich vor „Haustürgeschäften“ warnt. „Eine Dichtheitsprüfung darf nur ein zertifizierter Fachbetrieb vornehmen“, betont Sprecher Björn Marzahn. „Eine entsprechende Liste haben wir zum Download im Internet bereitgestellt.“ Den Zeitdruck sieht er entspannt: „Es genügt, wenn die Hauseigentümer uns bis zum Jahresende anzeigen, dass sie einen Termin für die Dichtheitsprüfung vereinbart haben. Der darf auch gern im Jahr 2021 liegen.“

Bernd Hegemann empfiehlt Betroffenen, die erst jetzt auf das Thema aufmerksam werden, sich an einen Installateur vor Ort zu wenden: „Viele hier sind zertifiziert – oder sie vermitteln an Kollegen.“