Bergedorf. Nach zwei Jahren Beschränkungen darf wieder nach Herzenslust geböllert werden. Doch die Lage in den Krankenhäusern ist angespannt.

Vor Corona war Silvester jedes Jahr aufs Neue eine Herausforderung für Feuerwehr und Krankenhäuser. Mehr als 1200 Einsätze verzeichnete die Hamburger Feuerwehr zum Jahreswechsel 2019/2020 – weit mehr als die Hälfte waren Rettungseinsätze. Nach pandemiebedingter Zurückhaltung könnte das Feiern und Böllern den Einsatzkräften womöglich eine noch heißere Nacht bescheren.

Der „Nachholbedarf“ der Feiernden fällt dieses Jahr zusammen mit einer äußerst angespannten Situation in den Krankenhäusern: viele Klinikmitarbeiter erkrankt, zu wenig Betten und immer mehr Patienten mit Bagatellerkrankungen. Die Notaufnahmen sind seit knapp drei Wochen wegen der Welle an Atemwegsinfekten extrem belastet. Chefärzte im Marienkrankenhaus und der Asklepios Klinik Wandsbek fordern daher einen Verzicht auf Böller.

„Es darf wieder geböllert werden. Entsprechend erwarte ich einen Wiederanstieg der Schwerverletztenzahlen – während die Lage in den Kliniken durch die aktuelle Krankheitswelle und den allgemeinen Personalmangel ohnehin angespannt ist“, stellt auch Dr. Stefan Jaeschke-Melli, Leitender Arzt der Zentralen Notaufnahme im Boberger BG Klinikum, etwas resigniert fest.

Krankenhäuser fürchten zusätzliche Belastung durch Verletzte

Durch das Feuerwerksverbot während der vergangenen beiden Silvesternächte habe sich „glücklicherweise die Zahl der Verletzungen allgemein verringert“, sagt er. Damit ist es nun wohl vorbei: „Wir im BG Klinikum Hamburg als auch alle anderen Mitarbeitenden im Rettungsdienst stellen uns wieder auf eine unruhige Silvesternacht ein. Ich rechne dieses Jahr ab den späten Abendstunden an Silvester und besonders nach Mitternacht mit einer erhöhten Zahl an Notfällen“, sagt der Leitende Arzt.

Er meint konkret Hand-, Augen- und sonstige Explosionsverletzungen durch Feuerwerkskörper, aber auch Unfälle nach erhöhtem Alkoholkonsum. „Vorsorglich“ bittet Jaeschke-Melli deshalb jetzt schon „um Verständnis für eventuell längere Wartezeiten zum Jahreswechsel“ in der Notaufnahme.

Eine etwas ruhigere Silvesternacht erwartet das Agaplesion Bethesda Krankenhaus. „Wir haben keine Handchirurgie und sind deshalb traditionell keine Adresse für typische Böller-Opfer“, sagt Klinik-Sprecher Matthias Gerwien. Lediglich die Zahl der „Alkohol-Patienten“ steige gewöhnlich. „Wir gehen davon aus, mit der normalen Besetzung der Notaufnahme auszukommen. Sollte die nicht reichen, gibt es aber natürlich eine Rufbereitschaft und weitere Notfallpläne.“

Zimmer im Reinbeker Krankenhaus St. Adolf-Stift sind alle belegt

Wie andere Kliniken mahnt auch das Krankenhaus Reinbek, mit Feuerwerk äußerst vorsichtig umzugehen, „damit die Notaufnahmen nicht unnötig belastet werden“. Laut Sprecherin Andrea Schulz-Colberg verschiebt das St. Adolf-Stift „wie alle Krankenhäuser in Schleswig-Holstein seit zwei Wochen viele planbare Operationen und Untersuchungen, um Platz für Notfallpatienten“ zu machen. Alle Zimmer und ebenso die Überwachungsstationen (Intensiv und IMC) seien derzeit voll belegt. Sonst würden zwischen den Jahren auch schon mal Stationen komplett geschlossen, weil weniger Patienten da seien.

Das Johanniter-Krankenhaus in Geesthacht stockt für den Silvestertag personell auf. In der Chirurgie und der Inneren Medizin leisten jeweils ein Assistenz- und ein Oberarzt Dienst. Da erfahrungsgemäß viele Opfer mit Verbrennungen, vor allem an den Händen, eingeliefert werden, wurde der Vorrat an entsprechenden Medikamenten aufgestockt. Patienten, bei denen dies zu verantworten sei, würden schon vor dem Jahreswechsel entlassen. So gebe es mehr freie Betten.

Feuerwehr Hamburg setzt 26 zusätzliche Rettungswagen ein

„Wir rechnen mit einem normalen Jahreswechsel – wie vor der Pandemie“, sagt Tim Spießberger, Sprecher der Hamburger Feuerwehr. Zusätzlich zu den tagesüblichen Zahlen von 400 bis 450 eingesetzten Kollegen werde es wohl 26 zusätzliche Rettungswagen (je zwei Einsatzkräfte an Bord) sowie zehn zusätzliche Feuerwehrwagen mit je sechs Kollegen an Bord geben.

Die Berufswehr habe keinen wesentlich erhöhten Krankenstand, sei damit insgesamt „gut aufgestellt“, sagt er. Damit es trotzdem ein sicheres Silvester wird, hat die Feuerwehr etliche Tipps zum Umgang mit Feuerwerkskörpern veröffentlicht. Dazu zählt unter anderem, die Finger von illegalen oder selbst gebastelten Böllern zu lassen und Feuerwerkskörper generell nicht in der Hand haltend zu zünden, sondern stets auf den Boden zu legen.

Bei normalen Erkrankungen und leichten Verletzungen nicht Notruf wählen

Sorgen bereitet vielen Einsatzkräften nicht nur die erste heiße Silvesternacht nach zwei Corona-Jahren, sondern auch die zunehmende Tendenz vieler Bürger, bei kleinsten Blessuren den Notruf 112 zu wählen. Die Hamburger Behörden wollen deshalb in diesen Tagen eine Art Handlungsleitfaden veröffentlichen, wann wirklich eine Notsituation vorliegt.

Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Mensch bewusstlos ist oder wenn der Verdacht auf Herzinfarkt oder Schlaganfall vorliegt. Auch nach schweren Verbrennungen, Vergiftungen, schweren Unfällen oder einem allergischen Schock ist Eile geboten. Bei allem anderen hilft der Arztnotruf Hamburg unter 116 117. Was viele nicht wissen: Wird der Rettungswagen gerufen, ohne dass ein Notfall vorliegt, kann der Anrufer später zur Kasse gebeten werden.