Boberg. Eine Sanierung der alten Gebäude des BG Klinikums gilt als nicht sinnvoll. Welche Pläne das neue Führungsduo verfolgt.
Deutschlands Krankenhäuser ächzen unter der Last von Pandemie, Personalnot und übervollen Notaufnahmen. Das berufsgenossenschaftliche Unfallkrankenhaus in Boberg bildet dabei keine Ausnahme. Doch an der Bergedorfer Straße 10 ist trotzdem noch Platz für große Pläne: Die Ideen für einen Neubau am alten Standort sind inzwischen deutlich vorangeschritten. Im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet das neue Führungsduo, Dr. Harald Müller (50) und Rolf Keppeler (52), von diesen und anderen Vorhaben des mit 2500 Mitarbeitern größten Arbeitgebers im Bezirk Bergedorf.
bz: Herr Dr. Müller, Herr Keppeler, es sind nicht die besten Zeiten für Krankenhäuser: Zur ohnehin bestehenden Personalnot kommt beispielsweise eine Infektwelle auch bei Mitarbeitern. Wie geht es dem BG Klinikum Boberg aktuell angesichts von Pflegekraftmangel und vollen Notaufnahmen?
Dr. Harald Müller: Das ist eine komplexe Frage, weil sich in der Tat viele Themen auftun. Gerade hatten wir, als Glatteis war, eine enorm volle Notaufnahme und auch volle OPs. Das beschäftigt uns dann zusätzlich zu einer anspruchsvollen Infektsituation bei den Mitarbeitern. Dazu kommt der allgemeine Personalmangel. Früher gab es immer ausreichend Bewerber auf die vielen Stellen, heute suchen sich die Mitarbeiter die Stellen und die Arbeitgeber aus, darauf muss man reagieren.
Rolf Keppeler: Wobei das nicht nur für die Pflege gilt. Für alle Kliniken, auch für uns, ist es herausfordernd, Fachpersonal für OP, Anästhesie und für andere Funktionsdienste zu finden. Und es geht zusätzlich um ärztliches und therapeutisches Personal, genauso um Haustechnik, Controlling oder IT – es fehlt Personal quer durch alle Berufsgruppen. Da braucht es wirklich intelligente Lösungen.
Und welche konkret können das sein?
Rolf Keppeler: Wir müssen schauen, dass die Fluktuation auch weiterhin gering bleibt und dass wir gute Arbeitsbedingungen bieten. Die Attraktivität, die wir als Arbeitgeber haben, müssen wir vielleicht auch noch mehr nach außen tragen. Speziell für die Pflege gewinnen wir außerdem Personal aus dem Ausland, da haben wir schon sehr erfolgreiche Projekte durchgeführt. Es gibt spezielle Mitarbeiter, die sich nur um diese Kräfte kümmern.
Dr. Harald Müller: Bei der Mitarbeitergewinnung hilft, dass wir eine gute Reputation haben. Mit dem BG Gedanken, also dem berufsgenossenschaftlichen Ansatz, haben wir einen besonderen Auftrag und eine besondere Arbeitsweise. Ein „normales“ Krankenhaus muss die Leistung unter einem Wirtschaftlichkeitsgebot erbringen. Die Behandlung konzentriert sich auf die Akutphase. Die BGliche Finanzierung ist anders und unser Auftrag ist es nicht nur, die Patienten gesund zu machen, sondern zurück in den Beruf zu führen. Das führt dazu, dass wir ganz anders Medizin machen können – auch das ist von Vorteil. Wir haben es geschafft, über das laufende Jahr über 100 Pflegekräfte zu gewinnen. Das ist eine enorme Zahl.
Allerdings ist die räumliche Situation im BG Klinikum alles andere als optimal. Viele Häuser sind über 50 Jahre alt. Sie haben ja lange überlegt, an die A25 in den Innovationspark zu ziehen – um dann im Dezember 2021 zu entscheiden, dass doch am alten Standort gebaut wird. Wie kam es zu dieser Entscheidung und wie geht es hier nun weiter?
Dr. Harald Müller: Ja, es ist offenkundig, das Bauliche steht in einer deutlichen Diskrepanz zu der Medizin, die wir hier machen. Die Zimmer sind einfach nicht mehr zeitgemäß, einige teilen sich die Nasszellen. Es gab deshalb eine Machbarkeitsstudie für eine bauliche Verbesserung. Geprüft wurde eine Teilerneuerung am Standort – oder ein Neubau auf der grünen Wiese, an der A25. Es gab für beide Varianten Pro- und Contra-Argumente. Hier in Boberg haben wir einen einzigartigen Standort mit einer etablierten Adresse und einer sehr guten Anbindung. Das alles schön gelegen, direkt am Naturschutzgebiet. Für den Neubau auf der grünen Wiese hätte gesprochen, dass wir ihn genau so planen können, wie wir ihn brauchen. Aber: Für ein Krankenhaus ist es wichtig, auch in die Tiefe gehen zu können. Die Logistikthemen werden typischerweise über das Untergeschoss abgewickelt. Das wäre dort schwierig geworden, da man wasserbedingt nicht tief gründen kann. Auch die Erschließung war nicht so einfach. So entstand die Idee, ob man den Grundgedanken eines Neubaus nicht am Standort Boberg realisieren kann.
Also keine Sanierung der alten Gebäude hier, sondern eine ganz neue Klinik neben der alten?
Dr. Harald Müller: Ja, konkret auf dem Parkplatzareal. Eventuell noch auf angrenzenden Grundstücken. Diese dritte Variante hat dann den Vorzug bekommen.
Rolf Keppeler: Eine Sanierung im Bestand wäre schwierig geworden. Wir müssten dann in der Bauzeit ja auch weiter behandeln. Zusätzlich zur komplexen Logistik würde unter Lärm und Staub auch die Patientenzufriedenheit leiden.
Wie konkret sind diese Neubauideen? Und was passiert dann später mit den jetzigen Gebäuden, die zum Teil ja auch noch nicht alt sind?
Dr. Harald Müller: Eine konkrete Nachnutzung ist noch nicht geplant. Das ist noch offen. Die Gebäude wurden in den 70ern geplant und gebaut, aber selbst bei einigen aus den 90ern erscheint eine unmittelbare Nachnutzung schwierig. Die sind sehr weit weg vom aktuellen Stand der Technik.
Aktuell sind die verschiedenen Abteilungen sehr weit auf dem Gelände verteilt. Ein Neubau müsste dann doch sehr groß werden, um alles unterzubringen?
Dr. Harald Müller: Es werden dieselben Abteilungen drin sein, aber in einer logischen und sinnvollen Anordnung. Über Jahre ist hier ein Flickenteppich entstanden, mit dezentralen und verschachtelten Strukturen.
Rolf Keppeler: Die letzten anderthalb Jahre waren eine sehr arbeitsintensive Phase. Es ging darum, zu analysieren: Was haben wir heute und wie muss eine moderne Klinik aussehen? Und wie sieht eigentlich die Medizin 2030 aus? Wie werden die Bedarfe sein, die Mitarbeiterzahlen? Hamburg wächst und wird als Medizinstandort gestärkt. Das alles muss bei einem Neubau in einen logischen Zusammenhang gebracht werden. Da sind wir extrem gut vorangekommen. Das war auch die Voraussetzung, um das Vorhaben durch die Gremien zu bekommen. Wir mussten unsere Eigentümer begeistern.
Trotzdem: Wie viele Stockwerke soll so eine Klinik haben, damit alle jetzigen Abteilungen in ein Haus passen sollen? Da fehlt fast die Fantasie.
Dr. Harald Müller: Da sind wir gerade noch in der Ausgestaltung. Zum 1. Oktober wurde von den aufsichtsführenden Gremien der Holding ein Projektleiter bestellt, der über breite Erfahrung im Krankenhausbau verfügt. Immerhin wird ein dreistelliger Millionenbetrag investiert, das ist ein komplexes Verfahren. Aktuell führen wir Gespräche mit der Stadt, wie wir diesen Prozess so gestalten können, dass wir das Haus in zehn Jahren beziehen können. In diesem Zuge wird sich auch die konkrete Form und Ausgestaltung des Gebäudes klären. Es gab durchaus die Überlegung im Rahmen der Machbarkeitsstudie, dass es ein Hochhaus wird. Dies kann sich im weiteren Prozess jedoch noch ändern.
Rolf Keppeler: Und wir wissen schon auch, dass wir jetzt noch zehn Jahre die alten Gebäude instandhalten müssen, damit es für Mitarbeiter und Patienten angenehm bleibt.
Zur Klinik gehört auch die Hubschrauberstation, die Sie gemeinsam mit dem ADAC betreiben. Der einstige Geschäftsführer des BG Klinikums hatte Sorge um dessen Zukunft geäußert, da Hamburg diese und andere Rettungsdienste künftig ausschreiben will und anderen Standorten der Vorzug gegeben werden könnte.
Dr. Harald Müller: In der Tat wurde in Hamburg 2019 das Rettungsdienstgesetz überarbeitet. Das sieht nun vor, dass die Luftrettung ausgeschrieben wird – anders als zuvor. Wir sind gespannt, wie das konkret aussieht. Im folgenden Jahr wird klar, wie die Ausschreibung ausgestaltet wird. Es ist sehr aufwändig, einen Hubschrauberstandort neu einzurichten. Hier im Klinikum besteht eine langjährige Flughafenzulassung, deswegen bin ich zuversichtlich, dass der Standort gute Chancen hat, die Station auch weiter zu betreiben.
Rolf Keppeler: Um es klarzustellen, die Zulassung haben wir ja, die ist nicht zeitlich befristet. Es geht um die Ausschreibung des Rettungsdienstes. Hier geht es um die Frage, wo der Hubschrauber stationiert ist, angeflogen werden trotzdem viele Kliniken, immer die, die aufnahmebereit sind.
Dr. Harald Müller: Für ein Unfallkrankenhaus wie das BG Klinikum Hamburg spielt ein Rettungshelikopter natürlich eine zentrale Rolle, auch in der Außenwahrnehmung und für die Mitarbeiter. Nicht zuletzt ist dies auch in der Medizinstrategie der BG Kliniken hinterlegt. Die enge Anbindung des Helikopters an das BG Klinikum stellt sicher, dass Verunfallte eine bestmögliche medizinische Expertise erhalten und die Patienten optimal versorgt werden. Insofern bringen wir uns auch gerne weiterhin mit voller Kraft in die Luftrettung in Hamburg ein.