Bergedorf. Rückblick auf ein Phänomen, das vor einem Jahr die Schlagzeilen beherrschte. Auch in unserer Zeitung.
Es wirkt bizarr, wenn ich heute an eines der beherrschenden Themen des vergangenen Winters denke: die Querdenker-Märsche in Bergedorf. Mit bis zu 800 Teilnehmern zogen die Impfgegner damals lautstark durch die City.
Ich war stets mit der Kamera dabei, was mich bei vielen Teilnehmern zum bekannten Gesicht machte. Tatsächlich tauchten Woche für Woche auch immer Menschen auf, die ich als Lokaljournalist schon zuvor in diversen Ämtern oder Funktionen getroffen hatte. Manche suchten das Gespräch mit mir, erklärten das Protestmotto „Für Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung“ zur wichtigsten Pflicht in einer Demokratie, wo Deutschland doch gerade in eine Corona-Diktatur abgleite. Die Warnungen des Verfassungsschutzes, jeder Teilnehmer marschiere Seite an Seite mit Verfassungsfeinden, wurden beiseite gewischt.
Pastor Baldenius trat ans Mikrofon der Querdenker
Doch es gab Mutige, die dagegenhielten. Allen voran Pastor Baldenius von St. Petri und Pauli, der kurz nach Weihnachten ans Mikrofon der Querdenker trat, die sich stets vor seiner Kirche zum Marsch aufstellten. Sein Appell, besser der Wissenschaft zu vertrauen, als den rechten Demagogen, hatte zur Folge, dass sich der Pastor über Tage einem Shitstorm in den Sozialen Medien ausgesetzt sah.
Doch auch andere Bergedorfer boten den Impfgegnern die Stirn. Jusos, Grüne und Linke organisierten Gegendemonstrationen. Von den „Omas gegen Rechts“ ganz zu schweigen.
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Im November traf sich wieder eine Gruppe vor St. Petri und Pauli
Das Ende der Querdenker-Märsche kam mit großem Finale – und zeigte am 2. April das in meinen Augen wahre Gesicht der Bewegung: Als Hauptredner führte ein Russe namens Eugen die jetzt nur noch 150 Teilnehmer lautstark an. Er bezeichnete Deutschlands Impfpolitik als Faschismus. Dem wolle er mit seinen Kindern entfliehen und in seine sibirische Heimat zurückkehren.
Danach wurden alle Querdenker-Märsche in Bergedorf abgesagt. Erst im November traf sich wieder eine Gruppe vor St. Petri und Pauli. Doch noch fehlt ihren Strippenziehern ein Thema, um wieder eine lautstarke Masse zu formen.