Hamburg. Es herrscht wenig Fußball-Begeisterung in Bergedorfer Gaststätten und Sportsbars. Wo das WM-Turnier gezeigt wird und wo nicht.
Die Vorfreude auf die am kommenden Sonntag, 20. November, beginnende Fußball-WM im Wüstenstaat Katar ist wenig spürbar. Das lässt sich auf bundesdeutscher Ebene statistisch belegen: Laut einer Umfrage der Markt- und Meinungsforscher von Insa unter 1005 Teilnehmern wollen 43 Prozent der Befragten sich nicht ein WM-Spiel anschauen.
Hauptgründe für diese Totalverweigerung sind demnach die Unterdrückung der Frauen in allen Alltagssituationen und der menschenverachtende Umgang mit Gastarbeitern und Homosexuellen eines Staatssystems, das zudem im Verdacht steht, weltweit operierende islamistische Terrornetzwerke finanziell zu unterstützen.
WM in Katar: Gastwirte sehen das Fußball-Event kritisch
Auch Bergedorfs Gastronomen zeigen sich ob dieser Ausgangssituation maximal mäßig bis gar nicht begeistert von dem sportlichen Großevent. Wobei das Gemeinschaftserlebnis Fußball in einigen Lokalen durchaus möglich sein wird: Zum Beispiel bei „Niko’s Treff“, Reetwerder 9. Fünf Fernsehgeräte bietet Gastgeber Nikolaus „Nikos“ Sisalouis in seiner klassischen Raucherkneipe für etwa 70 Gäste.
Angesprochen auf die WM in Katar hat der 46-jährige Wirt einen pragmatischen Ansatz: „Mir gefällt die Austragung des Turniers in Katar auch nicht. Aber: Wenn meine Gäste die Fußball-WM sehen wollen – warum sollte als guter Wirt ich ihnen diesen Wunsch verwehren?“ Seine Kneipe biete schließlich auch sonst viele Fußball-, Formel 1- oder Darts-Events von öffentlich-rechtlichen und Pay-TV-Sendern an.
Übertragung der Fußball-WM im Katar weckt keine Begeisterung
Sisalouis plant, alle Deutschland-Spiele zu zeigen. Ob Wünsche überhaupt darüber hinausgingen, bleibe abzuwarten: „Ich glaube eher, dass Besucher des Weihnachtsmarkts als Fußballfans zu mir kommen.“
Richtige WM-Stimmung wird vermutlich auch im „time out“, der Sportsbar im Sportforum der TSG Bergedorf am Billwerder Billdeich 607, nicht so recht aufkommen. Laut Thorsten Wetter, Referatsleiter Marketing, Jugend und Sport beim Verein, sind keine besonderen Aktion, beispielsweise ein besonderes Speisenangebot aus dem gastgebenden Land, vorgesehen. Normalerweise wurde sogar eine kleine Fantribüne extra für derartige Turniere im Foyer errichtet. „Das geht aber nicht mehr, weil wir unseren Studiobereich erweitert haben“, erklärt Wetter, der konkretisiert: „Diese Fußball-WM wird bei uns nebenbei laufen. Wir boykottieren sie nicht, machen dafür aber auch keine Werbung.“
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Die nun geführte Diskussion um den „Boykott Katar 2022“ findet Thorsten Wetter etwas „scheinheilig“, weil demokratische Staaten die Kommerzialisierungstendenzen großer Sportverbände mehrheitlich ablehnen und es deshalb in der Bevölkerung keine Zustimmung zur Austragung solcher Events im eigenen Land gebe. Die Schuld daran liege eindeutig bei Fifa, IOC und Co: Wenn nur noch der Profit zähle und Menschenrechtsfragen ausgeblendet würden, sei es nicht verwunderlich, dass Olympia und WM „demnächst nur noch an autokratische Staaten“ vergeben würde, meint Thorsten Wetter. Er sieht aber durch die nun gegebene Weltöffentlichkeit auch eine Chance: „Durch so ein Turnier steht Katar mehr im Rampenlicht, viele beschäftigen sich jetzt kritisch mit den Missständen dort.“
Eine Lohbrügger Traditionsbar macht gar nicht mit
„Das ist nicht meine WM, nicht mein Fußball.“ Wer in die Lola Bar an der Lohbrügger Landstraße 8 kommt, um Tore, Pässe, Grätschen und Paraden zu erleben, wird enttäuscht. Hier bleiben die Bildschirme schwarz. Pächter Andreas Laitenbergers „Nein“ zu Katar 2022 ist alternativlos.
Denn „Mr. Lola Bar“ gibt zu, auch schon mit der WM 2018 in Russland Probleme gehabt zu haben, die vor dem Hintergrund des aktuellen Angriffskriegs auf die Ukraine deutlich macht, wie viel Blut am runden Leder klebt. Die Vergabe nach rein ökonomischen Gesichtspunkten zeige die „kriminellen Machenschaften der Fifa mit ihrem Präsidenten Gianni Infantino, einem Schwerverbrecher an der Spitze“, poltert Laitenberger, der sich ferner Gedanken macht, wie ein Turnier in heruntergekühlten Stadien klimapolitisch vertretbar ist.
Ehefrau des Wirts: „Zeig am besten gar nichts“
Ein paar Meter weiter wurde bei Matthias Schulz alles versucht – doch ein Boykott kommt für den Pächter des „Sander Treffs“ (Lohbrügger Landstraße 14) nicht in Frage: „Meine Frau hat wegen dieser umstrittenen WM gesagt: ,Zeig’ am besten gar nichts!’ Doch ich zeige auf jeden Fall alle Deutschland-Spiele“, sagt der Kneipier. Das klingt leidenschaftlicher, als es tatsächlich ist. Denn Schulz hat sich unter seinen Gästen umgehört und festgestellt, dass kein überragendes Interesse an der WM besteht. „Das liegt vielleicht auch an der Jahreszeit.“