Hamburg. Der Krieg in der Ukraine stellt die Enegieversorgung infrage. In der Hansestadt gibt es Ölfelder und viele stillgelegte Gasspeicher.
Wenn Deutschland wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine schon bald kein Gas mehr aus Russland beziehen sollte, würden die Reserven hierzulande innerhalb weniger Monate knapp. An Gasspeichern mangelt es hingegen nicht, berichtet Sandra Arndt, Sprecherin des Unternehmens Neptune Energy, das für den 2014 stillgelegten Gasspeicher am Allermöher Deich zuständig ist.
„Allgemein gibt es in Deutschland ausreichend Speicherkapazität, diese wird von den Marktteilnehmern nicht genutzt“, sagt Sandra Arndt. Der Gasspeicher in Reitbrook war 42 Jahre lang Hauptstandbein des Unternehmens, das früher Engie hieß, und wurde 2014 wegen Unwirtschaftlichkeit stillgelegt.
Erdgas: Speicher könnten reaktiviert werden
Während des Speicherbetriebs, der 1972 begann, diente der Erdgasspeicher zum Ausgleich der Bedarfsspitzen und somit der Sicherstellung der stabilen Erdgasversorgung, berichtet Neptune-Energy-Sprecherin Sandra Finger. „Die Bohrungen sind eingeschlossen, Gasfeldleitungen und Sammelpunkte sind außer Betrieb, und Teile der Infrastruktur wie IT-Einrichtungen wurden bereits zurückgebaut“, sagt sie.
Ihre Kollegin Sandra Arndt ergänzt: „Bohrungen, die wir nicht mehr aktiv nutzen, schließen wir in einem ersten Schritt ein. Das bedeutet, dass sie so verschlossen sind, dass kein Medium mehr zutage treten kann. Erst im Zuge einer Verfüllung wird Zement in die Bohrung gebracht und sie somit dauerhaft verschlossen.“ Eine Reaktivierung des Speichers sei grundsätzlich möglich, „ist derzeit jedoch nicht vorgesehen“, betont Sandra Finger.
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Die Inbetriebnahme eines Speichers sei eine unternehmerische Entscheidung, teilt Sandra Arndt mit. „Eine Reaktivierung ist mit hohen Kosten und Aufwand verbunden. Weiterhin muss für einen Speicherbetrieb ausreichend Erdgas zur Verfügung stehen. Diese Verfügbarkeit ist zurzeit nicht gegeben.“
Vor drei Jahren waren noch 25 Pferdekopfpumpen im Einsatz
Im Bereich des ausgedienten Gasspeichers betreibt Neptune Energy die Erdölfelder Reitbrook-West und Allermöhe mit insgesamt acht Förderbohrungen. Vier weitere Förderbohrungen leistet das Unternehmen in Sinstorf. Sechs Mitarbeiter sowie Vertragspartner betreuen die betrieblichen Arbeiten vor Ort. Im Jahr 2021 betrug die Produktion 3700 Tonnen Erdöl in Reitbrook-West und Allermöhe sowie 4200 Tonnen Erdöl in Sinstorf.
Vor drei Jahren waren in Reitbrook und Allermöhe noch mehr als dreimal so viele Pferdekopfpumpen im Einsatz, nämlich insgesamt 25. Doch die Fördermenge war schon damals im Vergleich zu den ersten Bohrungen vor 85 Jahren deutlich gesunken: Wurden in Reitbrook im Jahr 1942 480.000 Tonnen Öl gefördert, waren es 2019 noch 1200 Tonnen. In Allermöhe wurden 2019 6500 Tonnen gefördert, 1966 waren es noch 140.000 Tonnen. Vor drei Jahren wurden in den beiden Vier- und Marschländer Förderfeldern also insgesamt 7700 Tonnen Erdöl aus der Erde gepumpt – 4000 Tonnen mehr als im vergangenen Jahr.
Ölförderung soll noch mindestens bis 2024 andauern
Nach dem Ende der Speicherung von Erdgas 2014 wurde in Reitbrook und Allermöhe allerdings verstärkt Erdöl gefördert. Dafür wurden im Sommer 2015 fünf Erdölförderstellen – am Allermöher Deich, im Bereich der Autobahnauffahrt Nettelnburg, am Vorderdeich und am Kirchwerder Landweg in Neuengamme – umgerüstet, um leistungsfähiger pumpen zu können. Zuvor konnte wegen der Gasspeicherung nur vier bis acht Monate im Jahr Öl gefördert werden: Das Volumen des Gasspeichers variierte. Als der Speicher voll war, war wenig bis kein Öl förderbar. Nur als er leer war, konnte Öl gepumpt werden.
Das Öl im Landgebiet befindet sich zum Großteil in sehr dichtem Gestein. Wegen der schwierigen geologischen Rahmenbedingungen konnte bisher nur ein kleiner Teil der Ölvorkommen aus dem Boden geholt werden. Weil das Gestein viele natürliche Risse aufweise, sei Fracking nicht möglich, teilte der Betriebsleiter unserer Redaktion nach dem Ende der Erdgasspeicherung mit. Der Gasspeicher am Allermöher Deich sei der einzige weltweit gewesen, aus dem während des Speicherbetriebs auch Öl entnommen wurde. Die Ölförderung in den Vier- und Marschlanden soll noch bis mindestens 2024 andauern.
1910 stießen Arbeiter auf das Erdgas
Ein gewaltiger Knall erschütterte in der Nacht zum 4. November 1910 Neuengamme und die Umgebung. Mit ohrenbetäubendem Tosen schossen auf dem Acker am Kirchwerder Landweg gegenüber Hausnummer 120 drei Feuersäulen wie ein gigantisches Flammenkreuz in die pechschwarze Nacht. In 247 Metern Tiefe waren die Arbeiter der „Deputation Hamburger Stadtwasserkunst“, wie Hamburgs Wasserwerke damals hießen, statt auf Trinkwasser auf Erdgas gestoßen.
Es dauerte 20 Tage, bis das Feuer gelöscht werden konnte. Bis dahin pilgerten Tausende Schaulustige nach Neuengamme, um sich das Flammenkreuz von Neuengamme anzusehen. 1939 wurde die Bohrung stillgelegt und 2002 endgültig mit einer Stahlplatte versiegelt.