Hamburg. Erneuerbare Energien – ein Zukunftsmarkt? Angeblich! Doch aktuell hat das Unternehmen mit zu hohen Kosten zu kämpfen. Die Pläne.

Die Voraussetzungen für gute Geschäfte könnten für einen deutschen Windturbinenhersteller nicht besser sein – so scheint es jedenfalls: Der Klimawandel erfordert weltweit den raschen Ausbau erneuerbarer Energien, die neue Bundesregierung hat die entsprechenden Zielmarken deutlich angehoben, und seit wenigen Wochen führt der Ukraine-Krieg den Europäern auch noch die Notwendigkeit vor Augen, sich möglichst unabhängig von russischen Öl- und Gaslieferungen zu machen.

Zwar ist der Umsatz von Nordex im Jahr 2021 tatsächlich kräftig um 17 Prozent auf 5,4 Milliarden Euro gestiegen. Dennoch spricht Konzernchef José Luis Blanco von „schwierigen Rahmenbedingungen“ und „großen Herausforderungen“. Das Unternehmen mit Sitz in Hamburg und Rostock hat den Verlust nach Steuern um 100 Millionen auf 230 Millionen Euro ausgeweitet, der Aktienkurs ist in den zurückliegenden zwölf Monaten um 38 Prozent gesunken.

Hamburger Windrad-Hersteller: Kosten gestiegen

„Es gibt in der Branche kein profitables Unternehmen“, sagt Blanco im Gespräch mit dem Abendblatt. Als Ursache dafür nennt er die hohen Kosten für Rohstoffe und Transportdienstleistungen, die zum Jahresende 2021 hin geradezu „explosionsartig“ gestiegen seien.

Die kräftig erhöhten Seefrachtraten haben große Bedeutung für ein Unternehmen, das gut ein Drittel der Umsätze außerhalb Europas erwirtschaftet und vor allem über ein weltweites Produktionsstättennetz mit eigenen Werken in Deutschland, Spanien, Brasilien und Indien verfügt.

"Strompreisanstieg bringt gute Perspektiven mit sich"

Zudem haben auch die Preise für Stahl sowie für die Kunststoffe, aus denen die Rotorblätter bestehen, erheblich angezogen, wie Blanco erklärt. Denn das Rohmaterial dieser Verbundwerkstoffe ist Erdöl, und für ihre Erzeugung wird Strom benötigt, der sich ebenfalls in den zurückliegenden Monaten stark verteuert hat.

„Kurzfristig belastet uns der Strompreisanstieg, aber auf längere Sicht bringt er gute Perspektiven für unsere Branche mit sich“, so Blanco. Schließlich seien es gerade die nicht erneuerbaren Energien, deren Preise zuletzt gestiegen seien. „Unsere Branche hat es aber geschafft, die Kosten der Stromerzeugung um etwa 70 Prozent innerhalb des vergangenen Jahrzehnts zu senken“, sagt der Nordex-Chef.

Nordex: 600 Arbeitsplätze fallen weg

Erreicht wurde das durch immer größere und effizientere Anlagen – bei Nordex mit bis zu 164 Meter Nabenhöhe und Rotordurchmessern von maximal 163 Metern –, aber auch durch einen immensen Preiswettbewerb unter den Herstellern. Hervorgerufen wurde er durch die Einführung von Auktionssystemen auf den meisten Märkten weltweit: Die Stromerzeuger mit den niedrigsten Geboten erhalten den Zuschlag für neue Windparks und geben diesen Kostendruck dann an die Hersteller von Turbinen weiter.

Bei Nordex hinterlässt dieser Druck gerade tiefe Spuren: Ende Februar beschloss der Vorstand, die Fertigung von Rotorblättern in Rostock bis Ende Juni zu beenden. Damit fallen nach Angaben des Unternehmens rund 600 der gut 3000 Arbeitsplätze in Deutschland weg.

Nordex will Werk für Maschinenhäuser schließen

Auffällig ist dabei: Die Schließung erfolgt offenbar genau nach Ablauf des „Zweckbindungszeitraums“ von fünf Jahren, der bei der Genehmigung eines Investitionszuschusses für die Erweiterung des Rostocker Werks vereinbart worden war. Nach fünf Jahren mit Verlusten trotz der bereits eingeleiteten Kostensenkungsmaßnahmen sei die Rotorblattfertigung an diesem Standort unter den aktuellen Bedingungen in der Branche nicht mehr haltbar gewesen, so Blanco.

Nordex werde in Rostock auch nach der Schließung dieser Produktion immer noch nahezu 700 Beschäftigte haben, die unter anderem Maschinenhäuser herstellen. Weil diese Komponente etwas höherwertiger sei als die Rotorblätter, gebe es keine Pläne, daran etwas zu ändern. Allerdings will Nordex auch eines von zwei Werken für Maschinenhäuser in Spanien schließen.

„Windenergie ist das beste Mittel, das Europa hat"

„Wenn man trotz höherer Kosten die Produktion in Europa halten möchte, liegt es an der Politik, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen“, sagt Blanco mit Blick auf die USA. Dort hat Präsident Joe Biden eine Regelung eingeführt, wonach in bestimmten Sektoren auch bei höheren Preisen US-Produkte bevorzugt werden sollen, um resistenter gegen Störungen globaler Lieferketten zu sein.

In Europa geht es allerdings erst einmal darum, mit den seit dem Ukraine-Krieg noch weiter gestiegenen Energiepreisen umzugehen. „Windenergie ist das beste Mittel, das Europa hat, um auf diese Krise zu antworten“, sagt Blanco.

Hamburger Windrad-Hersteller: Nordex-Aktie legte zu

Aber nicht nur deshalb, sondern auch wegen des Megatrends der Dekarbonisierung, steht für ihn fest: „Die langfristigen Aussichten von Nordex sind besser als je zuvor. Wenn sich der Windenergiemarkt verdoppelt, gibt es keinen Grund, warum wir nicht mit dem Markt wachsen sollten.“

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Blancos Ausblick für 2022 – er erwartet einen Umsatz zwischen 5,4 Milliarden und 6,0 Milliarden Euro sowie eine verbesserte Betriebsmarge – kam an der Börse jedenfalls gut an: Die Nordex-Aktie legte am Dienstag zwischenzeitlich um sieben Prozent zu.