Berlin. Ukraine-Krieg: Die EU-Kommission will die Importe aus Russland noch weiter einschränken. Müssen wir deshalb im nächsten Winter frieren?
Die Sanktionen im Ukraine-Krieg gegen Russland sollen weiter verschärft werden. Die EU-Kommission hat dazu am Dienstag unter anderem ein Importverbot für Kohle aus Russland vorgeschlagen sowie für Einfuhren von Holz, Zement und alkoholischen Getränken. Damit soll der Druck auf Präsident Wladimir Putin erhöht werden, den Krieg zu beenden. Die 27 EU-Mitgliedstaaten müssen dem Vorschlag noch zustimmen. Welche Folgen hätten die Sanktionen für Deutschland? Unsere Redaktion beantwortet wichtige Fragen.
Ukraine-Krieg: Wie viel Kohle importieren EU-Länder aus Russland?
Die EU-Länder importieren jährlich etwa 28 Prozent ihres Steinkohlebedarfs aus Russland, in Deutschland sind es etwa 50 Prozent. Europaweit entspricht dies einem Einfuhrwert von rund vier Millionen Euro. Deutschland hat 2021 allein 18,3 Millionen Tonnen Steinkohle aus Russland im Wert von 2,09 Milliarden Euro eingeführt. Damit zählt Deutschland wie bei russischem Gas auch bei der Kohle aus Russland zu den größten europäischen Importeuren.
Ukraine-Krise: Wie groß ist der Kohlebedarf?
Deutschland hat 2021 insgesamt 32,4 Millionen Tonnen Steinkohle aus dem Ausland für 3,95 Milliarden Euro importiert. Die größte Menge mit 18,3 Millionen Tonnen stammte dem Statistischem Bundesamt zufolge aus Russland. Jeweils rund fünf Millionen Tonnen wurden aus Australien und den USA eingeführt, 1,7 Millionen Tonnen aus Kolumbien. Lediglich 370.880 Tonnen kamen aus EU-Ländern.
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Wofür wird Kohle verwendet?
Steinkohle wird in Deutschland etwa je zur Hälfte in Kraftwerken zur Strom- und Wärmeerzeugung sowie in Stahlwerken verwendet. Die in Deutschland abgebaute Braunkohle geht zum Großteil in die Stromerzeugung. Nach jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts wurden im ersten Halbjahr 2021 rund 56 Prozent des Stroms in Deutschland aus konventionellen Energien gewonnen. Aus Kohle stammten 27,1 Prozent der eingespeisten Menge. Aufgrund des windarmen Frühjahrs steuerte die Windkraft nur 11,7 Prozent bei. Deutschland exportiert mehr Strom, als es importiert.
Welche Energien braucht Deutschland?
Die größten Energielieferanten in Deutschland waren 2021 Mineralöl (31,6 Prozent), Erdgas (26,6 Prozent), erneuerbare Energien (16 Prozent) sowie Braunkohle (9,2 Prozent) und Steinkohle (8,6 Prozent). Danach folgt die Kernenergie mit 6,1 Prozent. Der Energieverbrauch ist in Deutschland laut Umweltbundesamt seit den 1990er-Jahren kaum gesunken, obwohl Energie effizienter genutzt wurde. Verhindert wurde eine Senkung durch das Wirtschaftswachstum und durch Konsumsteigerungen. Der Anteil erneuerbarer Energien soll bis 2030 einen Anteil von 30 Prozent erreichen.
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Ukraine-Krieg: Wohin fließt die Energie?
Den größten Teil der Energie verbrauchen dem Umweltbundesamt zufolge die privaten Haushalte (670 Terawattstunden), die Industrie (657 TWh), der Verkehr (637 TWh) sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (354 TWh). Der größte Anteil der von den Verbrauchern genutzten Energie geht mit 70 Prozent ins Heizen.
Russland: Ist die Steinkohle ersetzbar?
„Die russische Steinkohle kann durch Kohle aus anderen Ländern wie USA, Südafrika, Australien, Kolumbien, Mosambik und Indonesien ersetzt werden“, sagte Alexander Bethe, Vorstandsvorsitzender des Vereins der Kohlenimporteure, unserer Redaktion. Der komplette Verzicht auf russische Kohle „sollte bis zum nächsten Winter“ möglich sein. Es gäbe einen gut funktionierenden Weltmarkt. Deutschland importiere etwa zwei Prozent des Welthandels.
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Allerdings dürfte die Neubeschaffung höhere Preise nach sich ziehen. Insgesamt sei Kohle aber anders als Gas leichter zu transportieren. Kohle ist auf dem internationalen Markt nicht knapp, sagte auch Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW), unserer Redaktion. Viele Unternehmen steuerten ohnehin schon um und importieren aus anderen Ländern Kohle.
Ukraine-Krise: Welche Folgen hätte ein Kohleimportstopp für die deutsche Wirtschaft?
„Selbst bei einem sofortigen Stopp sollte es zu keinen nennenswerten Beeinträchtigungen kommen, wenn die Verteilung der zur Verfügung stehenden Steinkohle gewährleistet ist“, so die DIW-Ökonomin Kemfert. Wichtig sei es jetzt, „so schnell wie möglich eine Kohlereserve einzurichten, um im Notfall die Versorgung für mindestens 90 Tage zu gewährleisten“.
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Wie stark trifft Putin ein Ausfall?
Der Importstopp von Kohle trifft Russland nicht sonderlich hart, meint Ökonomie-Professor Jens Südekum von der Uni Düsseldorf. „Wir wollten bis Mitte des Jahres ohnehin unabhängig von russischer Kohle sein – nun geht es noch etwas schneller.“ Wirklich schmerzen würden Russland Sanktionen auf Erdöl und Erdgas, meint der österreichische Wirtschaftsforscher Gabriel Felbermayr. „Die EU traut sich momentan noch nicht, Erdölimporte zu stoppen, weil die Reaktion Russlands im Stopp der Gaslieferungen liegen könnte, was einigen EU-Staaten, darunter Deutschland und Österreich, erheblich schaden würde.“
Ukraine-Krieg: Wie stehen Wirtschaft und Parteien zu den verschärften Sanktionen?
Der Mittelstand fordert die Bundesregierung auf, betroffene Unternehmen aktiv dabei zu unterstützen, russische Steinkohle durch Importe aus anderen Ländern zu ersetzen, damit die Auswirkungen weitestgehend abgefedert werden können, sagt der Bundesgeschäftsführer des BVMW, Markus Jerger. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich unterstützt den geplanten Kohleimportstopp, ebenso CDU-Fraktionschef Friedrich Merz.
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Bis wann will Deutschland aus der Kohle aussteigen?
Das gesetzlich festgeschriebene Enddatum ist 2038. Die Ampel-Regierung will es allerdings schon bis 2030 schaffen. Der Ausstieg hängt aber davon ab, ob der angestrebte Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne gelingt.
Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de
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