Hamburg. Neuer Entlastungstunnel wirft Planungen über den Haufen: Bahnhof, Musikhalle und Stadion verzögern sich enorm. Hamburgs CDU übt scharfe Kritik.

Seit Monaten wabern Gerüchte durch die Stadt: Der Umzug des Fernbahnhofs Altona, der 2027 nach Diebsteich wechseln soll, verzögere sich, heißt es immer wieder aus unterschiedlichen Quellen. Zuletzt hat auch die CDU-Abgeordnete Anke Frieling eine Kleine Anfrage an den Senat in dieser Sache gerichtet.

Schon zuvor stellt die Deutsche Bahn klar: Am Zeitplan ändert sich nichts. „Es ist weiterhin vorgesehen, dass der neue Bahnhof Hamburg-Altona wie geplant im Jahr 2027 in Betrieb geht“, betont ein Sprecher. Auch aus den Behörden heißt es: „Die DB plant weiterhin, den Betrieb des neuen Fern- und Regionalbahnhofs Hamburg-Altona im Jahr 2027 aufzunehmen“, so Renate Pinzke, Sprecherin der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende.

Bahnhof Hamburg-Diebsteich: Stadion und Musikhalle verzögern sich erheblich

Doch keine gute Nachricht ohne schlechte Nachricht. Denn der neue Bahnhof entsteht im Nirgendwo – die geplanten Bauten um den neuen Bahnhof kommen alle erst deutlich später als geplant.

Der Verbindungsbahnentlastungstunnel (VET), der erst nach den Planungen für das Gelände in Diebsteich hinzukam, bringt offenbar sämtliche Planungen im neuen Quartier durcheinander. Wie bereits berichtet, wird das Bahnhofsgebäude deutlich später fertig und nicht pünktlich zur Verlagerung der Fernverbindungen von Ottensen nach Diebsteich fertiggestellt.

Die Idee vom Verbindungsbahnentlastungstunnel wirft alle Pläne über den Haufen

Nun zeichnet sich ab: Auch das im Umfeld des neuen Fernbahnhofs geplante Regionalligastadion und die Musikhalle auf dem ehemaligen ThyssenKrupp-Areal werden noch Jahre benötigen. Nach derzeitigem Stand wird das Stadion erst 2029, die Konzerthalle sogar erst 2030 fertig. Beide sollten mit der Bahnhofseröffnung fertig sein.

Den Hintergrund erläutert Pinzke: „Erst nach Investorensuche und hoch baulichem Wettbewerb für das Empfangsgebäude entstand das Projekt Verbindungsbahnentlastungstunnel (VET).“ Diese zusätzliche S-Bahn-Verbindung zwischen dem Hamburger Westen und dem Hauptbahnhof schredderte nachträglich die komplexen Planungen. 

An der Trasse wird gearbeitet. In Diebsteich passiert wenig

Ob und in welcher Form der VET eines Tages kommt, steht noch nicht fest. Seit Monaten stimmen sich Bund, der Senat und die Deutsche Bahn über Finanzierung und Planung des VET ab. „An der Trassenfindung wird aktuell weitergearbeitet“, heißt es in der Behörde. „Zur Vorbereitung der Entscheidung wird insbesondere geprüft, ob und inwiefern Regionalbahnhalte an Sternschanze und Holstenstraße umsetzbar wären.“

Zuletzt wurden im Rahmen der Machbarkeitsstudie auch mehrere Alternativen für die Anbindung in Diebsteich untersucht, stellt Behördensprecherin Pinzke klar. „Eine davon ist eine neue viergleisige S-Bahn-Station unter dem geplanten Empfangsgebäude nebst der DB-Empfangshalle und weiterer DB-Gebäudeteile. Diese Variante wird aktuell in Abstimmung mit allen Beteiligten geprüft.“ Damit aber müsste das gesamte Haus umgeplant werden.

Musikhalle und Stadion sollten eigentlich 2027 fertiggestellt werden

Stadt, Deutsche Bahn und Investor des neu zu errichtenden Empfangsgebäudes befänden sich im engen Austausch, sagt Pinzke. Ziel sei es, die Projekte Verlegung Fern- und Regionalbahnhof Hamburg-Altona sowie Verbindungsbahnentlastungstunnel bestmöglich zu kombinieren.

Visualisierung Westportal Bahnhof Diebsteich
Auf der Westseite entsteht das Portalgebäude, das einen zweiten barrierefreien Zugang zum Bahnhof ermöglicht. Die Bauarbeiten für das Portalgebäude sollen im Jahr 2025 abgeschlossen werden. © C.F. Møller Architects | C.F. Møller Architects

Während das Problem VET die Planungen für den Fernbahnhof schon länger ausbremst, überraschen die Verzögerungen für Stadion und Musikhalle. Noch im Mai hieß es, diese beiden Projekte seien vom VET unabhängig. Sie kommen trotzdem nicht voran: Nun geht die Behörde nicht mehr von einem raschen Fortschritt aus: „Baugenehmigungen für das Regionalligastadion und die Musikhalle sollen voraussichtlich bis Mitte 2027 vorliegen“, sagt Pinzke. Nach dem Vorliegen einer Baugenehmigung rechnet die Behörde mit einer Bauzeit von rund 2,5 Jahren für die Fertigstellung des Regionalligastadions und der Musikhalle.

Scharfe Kritik kommt von der CDU. „Was als wichtiges städtebauliches Vorzeigeprojekt gestartet ist, wird wohl auf lange Zeit ein reiner Bahnhof bleiben, möglicherweise ohne Empfangshalle, die Teil des geplanten Gebäudekomplexes ist, der erstmal nicht errichtet werden kann“, erklärte Frieling.

CDU: „Das Projekt Diebsteich läuft zeitlich und finanziell völlig aus dem Ruder“

Durch die lang dauernden Prüfungen zum Verbindungsbahn-Entlastungstunnel kämen alle anderen geplanten Hochbauten zum Stillstand. Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion befürchtet, dass infolge der Verzögerungen auch die Baukosten deutlich ansteigen. „Das Projekt Diebsteich läuft zeitlich und finanziell völlig aus dem Ruder“, meinte Frieling.

Schlechte Nachrichten für Altona 93 und den Wohnungsbau

Auch für den Oberligaverein Altona 93 sind die Verzögerungen denkbar schlechte Nachrichten. Bis vor Kurzem ging der Club davon aus, dass Anfang 2027 das Regionalligastadion mit rund 4900 Plätzen am Diebsteich bezugsfertig wird. Im Juli kam dann die Nachricht, der Umzug würde sich verzögern. Das nun im Raum stehende Jahr 2029 übertrifft die schlimmsten Befürchtungen.

Ein Dauerärgernis ist die Verzögerung auch für die Behrendt Gruppe und dem Altonaer Spar- und Bauverein (Altoba). Sie erwarben schon 2007 das Gelände der Adolf-Jäger-Kampfbahn an der Griegstraße für 11,25 Millionen Euro, um dort ab 2027 mehr als 300 Wohnungen zu bauen. Nun dürfte sich auch dieses Vorhaben weiter verzögern.

Der neue Fernbahnhof startet wie eine bessere S-Bahn-Station

Statt als neues, lebendiges Viertel zwischen Eimsbüttel und Altona beginnt das Quartier als Brache. Wie berichtet, startet der Fernbahnhof Diebsteich als Provisorium. Das ambitionierte Projekt ist seit den VET-Planungen auf Hold gestellt. „Das Ziel, ein Gebäude mit Strahlkraft zu errichten, hat Bestand. Vor diesem Hintergrund wird die Vereinbarkeit beider Projekte geprüft. Dies ist ein komplexer Vorgang mit vielen Beteiligten“, hieß es im Mai in der Senatsantwort auf die Anfrage der Stadtentwicklungsexpertin Heike Sudmann (Linke).

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Immerhin: Die neue Entlastungsstrecke zwischen Hauptbahnhof und Diebsteich hat keine Konsequenzen für den direkten Bahnbetrieb. „Durch den VET haben sich keine Änderungen für die Planung der Bahnanlage und Bahnsteige des neuen Fern- und Regionalbahnhofs Altona ergeben“, stellt der Bahnsprecher nun klar. Bahnhofsbetrieb und die Versorgung der Reisenden würden trotzdem durchgängig sichergestellt.

Wie die abgespeckte Version aussieht, lässt sich im Projekttagebuch der Bahn ablesen: Derzeit entsteht in Diebsteich auf der Westseite ein Portalgebäude, das neben dem Hauptgebäude einen zweiten barrierefreien Zugang zum Bahnhof ermöglicht. Die Bauarbeiten für das Portalgebäude sollen im Jahr 2025 abgeschlossen werden.