Hamburg. Unsere Volontärinnen und Volontäre stellen sich vor und schildern ihre Erfahrungen beim Hamburger Abendblatt. Heute: David Walter
Als offizieller Tourist habe ich zuletzt im Juli einen guten Freund in Wien besucht. Das Gefühl, Tourist zu sein, werde ich jedoch seit Januar, dem Beginn meines Volontariats beim Hamburger Abendblatt, nicht mehr los. Als gebürtiger Hamburger dachte ich, die Stadt wie meine Westentasche zu kennen, dass mich nichts mehr wirklich überraschen könnte, ich jedes Gefühl in meiner Heimatstadt bereits gefühlt hätte. Nach acht Monaten Volontariat muss ich mir eingestehen: Oh, wie falsch ich lag.
Als leidenschaftlicher Konzertgänger habe ich an so ziemlich jedem Ort in Hamburg, an dem Livemusik gespielt wird, Bier aus Plastikbechern getrunken und 50-Euro-Shirts gekauft, die bereits nach einem Waschgang der jeweiligen Band nicht mehr zugeordnet werden konnten. Nie habe ich jedoch ein Konzert noch vor der ersten Reihe miterlebt – bis zu dem Tag, an dem ich eine Konzertkritik schreiben durfte.
Durch das Volontariat erlebe ich Musik an gewohnten Orten völlig neu
Die britische Musikerin Olivia Dean spielte am 18. Mai im Docks. Zum ersten Mal in meinem Leben kam mir der Satz: „Ich stehe auf der Gästeliste“ allerdings noch etwas zögerlich über die Lippen. Nachdem man mir ein Stück Tape mit der Aufschrift „Foto“ auf meine Jeans geklebt hatte, bahnte ich mir meinen Weg bis Reihe eins und wurde von dem Security-Personal direkt vor die Bühne gelassen. Auftritt Dean.
Während die Britin weniger als einen Meter vor mir über die Bühne tanzte und ich versuchte, ein gutes Foto von ihr zu machen, beschäftigten mich zwei Gedanken. Erstens, „hier darf ich doch gar nicht stehen“, gefolgt von „Ach, stimmt, ich soll hier sogar stehen!“. Nach drei Liedern war dann schon Schluss, alle Pressevertreter mussten den Graben verlassen. Die Erfahrung hallte jedoch noch lange nach.
Der Blick auf Hamburg durch die Fensterscheibe der U3 lässt mich jeden Stress vergessen
Nach dem Konzert ging es mit der U3 nach Hause, eine Linie, die mich seit Beginn meines Volontariats fast täglich begleitet. Früher war die U-Bahn für mich nicht mehr als ein Fortbewegungsmittel. Auf meinem neuen Arbeitsweg macht mir Hamburg jedoch jeden Morgen ein besonderes Geschenk. Für ein paar Minuten blicke ich auf den Hafen, die Elbphilharmonie und die Speicherstadt. Die Fahrt führt mir buchstäblich vor Augen, was es für ein großes Privileg ist, in dieser Stadt leben zu dürfen.
Nicht nur um zur Redaktion des Abendblatts zu kommen, bin ich auf die gelbe U-Bahn-Linie angewiesen. Auch zum Rathaus, meinem journalistischen Teilzeitarbeitsplatz, bringt mich die U3. Den Sitz der Hamburgischen Bürgerschaft kannte ich bislang nur durch einen Schulausflug in der fünften Klasse. Beim diesjährigen Matthiae-Mahl, dem ältesten Festmahl der Welt, eröffnete sich mir ein Teil des Rathauses, welcher der Öffentlichkeit verschlossen bleibt – inklusive Blitzlichtgewitter beim Auftritt von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Estlands damaliger Premierministerin Kaja Kallas.
Als eingesessener Eimsbütteler lernte ich einen außer Acht gelassenen Stadtteil kennen
Auch in Richtung Wilhelmsburg führt mein Weg zunächst mit der U3 bis zur Station Sternschanze und von dort aus weiter mit der S5. Es ist ein Klischee über die Bewohner nordwestlich der Elbe, aber auf mich traf es leider bis vor Kurzem zu: Wilhelmsburg war auf meiner innerlichen Landkarte ein weißer Fleck. Für kaum etwas muss ich Eimsbüttel überhaupt verlassen.
Als das Abendblatt mich über die Elbe zu einem Spiel der Veolia Towers Hamburg schickte, bedauerte ich sofort, nicht schon früher der Inselpark Arena einen Besuch abgestattet zu haben. Nie zuvor hatte ich ein Basketballspiel live gesehen. Schnell, intensiv, laut und nach guter Unterhaltung amerikanischer Art fühlte sich das Spiel an.
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Damit der weiße Fleck sich nach und nach in eine detaillierte Landkarte verwandelt, steht ganz oben auf meiner To-do-Liste, Wilhelmsburg nach und nach weiter zu erkunden. Was mich dabei erwartet, weiß ich nicht. Ich kann jedoch mit Sicherheit sagen, dass Hamburg mich immer wieder aufs Neue überraschen wird.