Hamburg. Bundeskanzler Scholz und Estlands Premierministerin Kallas beim Traditionsdinner. Welche Lieferungen an die Ukraine sie fordert.

Blitzlichtgewitter im Hamburger Rathaus: Zum Matthiae-Mahl versammelt sich regelmäßig politische Prominenz aus aller Welt in Hamburg. Als Ehrengäste des ältesten Festmahls der Welt kamen am Dienstagabend BundeskanzlerOlaf Scholz (SPD) und Estlands Premierministerin Kaja Kallas ins Rathaus. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) empfing die Gäste. Mehr als 400 Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur waren geladen, darunter Vertreter von mehr als 60 Staaten.

Die Einladung von Kaja Kallas sollte auch ein Signal an Russland sein. Russland hatte Estlands Premierministerin und andere hochrangige Politiker aus den baltischen Staaten Anfang vergangener Woche auf eine Fahndungsliste gesetzt. Die russischen Behörden werfen ihnen vor, sowjetische Kriegsdenkmäler demontiert zu haben. Im Sommer 2022 hat Estland die Nachbildung eines Panzers T-34 mit rotem Stern in Narva an der Grenze zu Russland abreißen lassen – gegen vereinzelte Proteste. Kallas sagte damals: „Wir werden Russland nicht die Möglichkeit geben, die Vergangenheit zu benutzen, um den Frieden in Estland zu stören.“

Tschentscher würdigt im Hamburger Rathaus Kallas als wichtige Unterstützerin der Ukraine

Kallas appellierte beim Matthiae-Mahl: „Lassen Sie uns nicht die Fehler der 1930er-Jahre machen. Unser Mantra sollte sein, dass Verteidigung nicht Eskalation bedeutet. Widerstand provoziert Russland nicht – Schwäche tut es.“ Estlands Premierministerin sprach sich in ihrer Rede vor allem für weitere Hilfslieferungen an die Ukraine aus. „Tatsache ist, dass der Ukraine die Munition ausgeht, wenn wir nicht schnell liefern.“ Langfristige Abkommen seien ebenfalls wichtig. Kriegsentscheidend könne sein, wem zuerst die Munition ausgehe.

Bürgermeister Tschentscher würdigte in seiner Rede ihren Einsatz: „Ministerpräsidentin Kallas ist eine wichtige Unterstützerin der Ukraine und eine starke Stimme für Demokratie und Freiheit in der Welt“, sagte er beim Matthiae-Mahl, das nur wenige Tage vor dem zweiten Jahrestag des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine stattfindet.

Mehr als 400 waren zum diesjährigen Matthiae-Mahl eingeladen
Mehr als 400 waren zum diesjährigen Matthiae-Mahl eingeladen © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Die baltischen Staaten hätten in einer friedlichen, „singenden Revolution“ ihre Befreiung aus der damaligen Sowjetunion errungen. „Sie können das Denken und Handeln Russlands vor dem Hintergrund ihrer eigenen historischen Erfahrungen einschätzen.“ Estland habe eigene historische Erfahrung im Kampf um seine nationale Identität und Unabhängigkeit, Erfahrung mit Unfreiheit und sowjetischer Vorherrschaft, so Tschentscher.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Estlands Premierministerin Kaja Kallas und Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vor dem Matthiae-Mahl im Rathaus
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Estlands Premierministerin Kaja Kallas und Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vor dem Matthiae-Mahl im Rathaus © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Olaf Scholz beim Matthiae-Mahl: militärische Unterstützung für die Ukraine verdoppelt

Er würdigte außerdem seinen Amtsvorgänger Olaf Scholz dafür, dass er die Sicherheit Europas, die Stärkung der Nato und die transatlantische Partnerschaft wieder ins Zentrum der deutschen Politik gerückt habe.

„Für uns, als Demokratien, als Europäer, als Freunde der Freiheit – kann es keine Alternative dazu geben, die Ukraine weiter zu unterstützen. So lange wie nötig!“, sagte der Bundeskanzler in seiner Rede. „Gerade erst haben wir hier in Deutschland unsere militärische Unterstützung für die Ukraine fast verdoppelt, auf mehr als 7 Milliarden Euro in diesem Jahr“. Auch Estland leiste Außergewöhnliches und gehöre, gemessen an seiner Bevölkerung, zu den größten Unterstützern der Ukraine.

Premierministerin Kallas trägt sich vor dem Festmahl in das Goldene Buch der Stadt Hamburg ein
Premierministerin Kallas trägt sich vor dem Festmahl in das Goldene Buch der Stadt Hamburg ein © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Es ist bereits das zweite Matthiae-Mahl in Folge, bei dem der Ukraine-Krieg eine große Rolle spielt. 2023 waren General Christopher Cavoli, Nato-Oberbefehlshaber in Europa, und Helga Maria Schmid, Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, als Ehrengäste im Rathaus.

Matthiae-Mahl Hamburg: Personal braucht für das Polieren des Silbers fünf Tage

Kallas ist seit 2021 Premierministerin Estlands. „Das Potenzial zum Ausbau der Beziehungen zwischen Estland und Hamburg ist vielversprechend: Estland kann einen wichtigen Beitrag leisten zur Stärkung digitaler Kompetenzen und Infrastrukturen in der Hamburger Wirtschaft und Verwaltung“, heißt es vom Senat.

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Auch der ehemalige Schulsenator Ties Rabe (SPD) und seine Frau Katrin waren zu Gast
Auch der ehemalige Schulsenator Ties Rabe (SPD) und seine Frau Katrin waren zu Gast © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Ein Festmahl dieser Ausmaße benötigt vor allem Vorbereitung. Nur um das Silberbesteck zu polieren, brauchte das Personal fünf Tage. Insgesamt 142 Meter Festtafel wurden mit 140 Kilogramm Servietten und Tischdecken eingedeckt. 100 Kellner servierten am Dienstagabend die Drei-Gänge-Menüs.

Die Linke kritisiert: zu hohe Ausgaben für das Matthiae-Mahl

Die Linksfraktion der Bürgerschaft kritisiert die hohen Kosten. „Alljährlich gönnen sich die Reichen dieser Stadt ein Festmahl auf Kosten der Allgemeinheit“, sagt Vizefraktionschef David Stoop. Im vergangenen Jahr beliefen sich die Kosten für das Festmahl auf ungefähr 224.000 Euro. Martin Gansen, Veranstaltungsleiter des Matthiae-Mahls, betont die Vorteile: „Das Matthiae-Mahl ist eine der schönsten und kostengünstigsten Werbungen für die Hansestadt Hamburg, denn die Bilder gehen um die gesamte Welt.“

Bis ins Jahr 1356 kann das Matthiae-Mahl zurückverfolgt werden. Der einzige dokumentierte Skandal in der Geschichte des Festmahls ereignete sich im Jahr 1994. Damals warnte der estnische Staatspräsident Lennart Meri in seiner Rede davor, dass Russland wieder die Vorherrschaft im Osten übernehmen wolle. Das empörte den damaligen Vizebürgermeister der Hamburger Partnerstadt St. Petersburg, Wladimir Putin, derart, dass er die Serviette auf die Festtafel warf und wutentbrannt aus dem Saal marschierte.