Hamburg. Immobilieninvestor und Selfmade-Mann Dieter Becken glaubt an den Zuschlag für ein Hamburger Konsortium – und schwärmt vom Wolkenkratzer.

Über kaum ein Thema hat Hamburg in den vergangenen Monaten so heftig gestritten wie über den Elbtower. Nach dem Baustopp beim Prestigeprojekt des früheren Bürgermeisters Olaf Scholz dachten manche SPD-Politiker sogar schon laut über den Abriss des 100 Metern hohen Torsos an den Elbbrücken nach. Doch mit dem Hamburger Immobilieninvestor Dieter Becken ist der Optimismus zurückgekehrt, dass der Elbtower doch auf seine geplanten 245 Meter in die Höhe wachsen kann.

Becken, der mit seiner Familie kurz vor dem Mauerbau aus dem Osten geflohen war, ist ein Selfmade-Mann. Er absolvierte als Jugendlicher eine Maurerlehre, baute sein Abitur an der Abendschule und ging zum Architekturstudium nach Hannover. Drei Tage nach seinem Abschluss machte er sich 1978 selbständig. „Ich habe schnell festgestellt, dass ich ein eher zweitklassiger Architekt bin. Um erfolgreich zu sein, habe ich dann Grundstücke gekauft, Häuser gebaut und verkauft. Das ist heute mein Traumjob.“ Er nehme aktiv Einfluss auf die Gestaltung, sagt der passionierte Kunstsammler: „Ich kann Architektur beurteilen.”

„Der Elbtower hat derzeit keinen guten Ruf, er ist schlechtgeredet worden“

Deshalb ist er vom Wolkenkratzer geradezu begeistert. „Der Elbtower hat derzeit keinen guten Ruf, er ist schlechtgeredet worden“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Becken Holding. „Der Entwurf von David Chipperfield ist herausragend, er hat eine besondere Qualität, die wir in Hamburg selten gesehen haben.“ Das Gebäude sei nachhaltig und biete eine einmalige Infrastruktur: eine eigene Autobahnabfahrt, einen S- und U-Bahn-Anschluss und Straßenzüge aus allen Richtungen. „Das ist ein Leuchtturmprojekt, das noch innerhalb der Bauphase vermietet wird.“ 

Deshalb sucht er in der verfahrenen Situation nach einer Lösung. Anfang Juni sagte der Investor, er arbeite an einem Konsortium, das in den nächsten sechs Wochen stehen solle. Das war zu ehrgeizig – aber den Mut hat er nicht verloren, ganz im Gegenteil: „Es sieht nicht schlecht aus: Das Konsortium steht fast.”

Elbtower: Das Angebot muss bis zum November vorliegen

Über konkrete Namen will Becken nicht sprechen – aber diese sind bekannt. Erst kürzlich sagte Klaus-Michael Kühne im Abendblatt: „Es gibt die Commerz Real, die einen Anteil am Elbtower besitzt, es gibt die Signal Iduna, die stark engagiert ist, es gibt Dieter Becken und noch den einen oder anderen, der durchaus Interesse zeigt.”  Der Milliardär stellte selbst einen „substanziellen Betrag“ in Aussicht.

Becken hofft auf eine schnelle Einigung, um „diesen Stummel zu Ende zu bauen“. Einige Wochen bleiben: „Das Angebot müssen wir erst Anfang November beim Insolvenzverwalter abgeben. Es ist vorbereitet.“ Becken geht von mehreren Bietern aus. „Wie viele es sind, weiß ich nicht. Aber einer wird den Elbtower zu Ende bauen – ich hoffe, wir.“ 

2025 könnten Bauarbeiten am Elbtower wieder aufgenommen werden

Der Optimist rechnet damit, dass die Bauarbeiten an den Elbbrücken schon 2025 weitergehen können, und rechnet vor: „Dann dauert es drei Jahre bis zur Fertigstellung. Die große Arbeit steckt darin, die Flächen für die Mieter zu entwickeln. Wir haben uns noch ein weiteres Jahr Zeit genommen, um das Haus mängelfrei übergeben zu können und Nachzügler unterzubringen. Binnen drei Jahren ist der Elbtower fertig, in vier Jahren voll vermietet. Und dann sieht der Markt wahrscheinlich schon wieder ganz anders aus.“  

Der Elbtower sollte eigentlich 245 Meter hoch werden.
Der Elbtower sollte eigentlich 245 Meter hoch werden. © Funke Foto Service

Allerdings gebe es noch einige Baustellen. „In der Regel hakt es am Eigenkapital“, sagt Becken, hofft aber auf eine Einigung. Zudem habe er einen potenziellen Ankermieter ausfindig gemacht, nachdem sich die Hamburg Commercial Bank in Folge des Baustopps zurückgezogen hatte. Dieser neue Mieter ist Becken zufolge „immer überzeugter, dass er nur in den Elbtower gehen kann“. Es gebe weitere Mieter für den Wolkenkratzer wie etwa das Nobu Hotel, das demnach weiterhin an den Elbtower glaubt. „Wir werden ungefähr mit 50 Prozent Vermietung starten, genauer zwischen 45 und 55 Prozent.”  

Dieter Becken: Wir benötigen keine Hilfe des Stadt

Im Markt hört man, dass es aber an der nötigen Fremdfinanzierung hake – also bei Krediten. „Wir haben in den letzten Wochen Bewerbungen von Banken erhalten, da sind wir einen großen Schritt vorangekommen. Ich bin sehr guter Dinge, dass wir auch das in den nächsten Wochen klären.“ Er sei heute sogar optimistischer als im Juni. Neue Namen für das Konsortium sind aber nicht hinzugekommen, gibt Becken zu: „Ich hätte damit gerechnet angesichts der Fortschritte bei Finanzierung und Vermietung, aber das ist bisher nicht passiert.”  

Die Kritik von Klaus-Michael Kühne an der Politik teilt der Wahlhamburger nicht: „Ich brauche die Stadt nicht, um dieses Haus zu bauen, auch nicht als Mieter“. Er bitte nur darum, dass die Behörden mögliche Nachträge schnell genehmigen. „Wir werden im Inneren etwas umbauen müssen, weil jeder Mieter seine Vorstellungen mitbringt.“ Der Immobilienprofi geht aber davon aus, dass die ursprünglich kalkulierten 500 Millionen Euro für den Weiterbau nicht reichen werden.

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Warum Dieter Becken jetzt fest an den Elbtower glaubt

Was wird aus Hamburg? Der Stadtentwicklungs-Podcast

Dieter Becken hat mit seinen Bauten die Stadt mitgeprägt

Derzeit schauten andere Metropolen mit einer Mischung aus Häme und Neid auf den Elbtower: „Jeder kennt das Gebäude, egal wo man ist auf der Welt. Es gibt den Spott, ob Hamburg den Stummel da stehen lässt. Aber wir wollen es denen zeigen: Wir Hamburger bekommen das hin.” Das sei ein wichtiges Signal. Anderenfalls werde der Standort Hamburg leiden: Bei der Elbphilharmonie habe sich die Stadt schon einmal blamiert. 

Als Investor prägt Dieter Becken Hamburg seit Jahrzehnten: Auch bei der Idee der Elbphilharmonie war der Träger des Gründerpreises beteiligt: „Ich habe sie mit Alexander Gérard auf den Weg gebracht. Irgendwann sind wir dann auf Bitten der Politik ausgestiegen.“ Die folgenden Probleme beim Bau des Konzerthauses, das sich im Preis fast verzehnfachte, seien auch hausgemacht gewesen. „Wenn wir weitergebaut hätten, wäre es schwierig geworden – aber sicher nicht in dieser Größenordnung.”

Bis heute bedauert Becken, dass die „Living Bridge“ nie verwirklicht wurde

Rund um die Jahrtausendwende baute mit Becken mit den Architekten Bothe Richter Teherani viele Kontorhäuser aus Stahl und Glas wie das Hanse-Forum am Axel-Springer-Platz, das Doppel-X-Haus am Heidenkampsweg, das Berliner-Tor-Center oder das Deichtorcenter. Für besonders gelungen hält er bis heute den Berliner Bogen am Anckelmannplatz, der 2004 den Mipim-Award, den Oskar der Immobilienbranche, gewann. „Das hat mich unglaublich stolz gemacht.” Becken kennt die weit verbreitete Kritik an den Glasbauten, betont aber: Viele der Gebäude seien zeitlos. „Ich schließe nicht aus, dass sie in 30, 40 Jahren unter Denkmalschutz stehen.” 

Bis heute bedauert Becken, dass der Entwurf der „Living Bridge“ nie verwirklicht wurde. Er und sein Lieblingsarchitekt Hadi Teherani hatten ein Gebäudeband als Brückenschlag über die Norderelbe ersonnen. Vom Lohseparks bis zum Grasbrook sollte eine 700 m lange, mehrgeschossige Brückenanlage die Elbe überspannen - eine Parkachse, Weg und Wohnstraße in einem. „Das wäre etwas Besonderes gewesen, das ich wahnsinnig gerne gebaut hätte.” Es scheiterte am Kleinmut nach dem Elbphilharmonie-Desaster. 

Beckens Traumprojekt wäre die Bebauung des Holsten-Quartiers

Der begeisterte Harley-Fahrer Becken schaut lieber nach vorn als zurück. Er hätte auch Interesse an anderen Projekten, die René Benkos Signa Prime in Hamburg geplant hatte, etwa die Hofbebauung am Gänsemarkt. „Aber das scheinen die Kreditgeber schon geregelt zu haben“, sagt er. Sein weiteres „Traumprojekt“ ist das Holsten-Quartier in Altona. „Ich konnte mich damals nicht mit dem Verkäufer einigen. Aber da wird sich in den nächsten Jahren etwas tun, und dann versuche ich es noch mal.“ 

Die Krise am Bau schreckt ihn nicht: „Hamburg geht es nicht besser als Berlin, München, Frankfurt. Der Büromarkt liegt danieder. Gerade in Deutschland ist es derzeit besonders schwer.“ Er sei seit 45 Jahren im Geschäft. „Das ist meine vierte Rezession.“ Zugleich spricht Becken von der tiefsten Krise, weil sie so schnell ausgebrochen und so heftig sei. „Da kam eine Menge zusammen: die schnellen Zinssteigerungen, die Baukostenexplosion, Lieferschwierigkeiten, Corona. Die Neubautätigkeit ist seit drei Jahren eingestellt. Aber nach jeder Krise kommt eine Erholung. Auch wenn die noch drei, vier, vielleicht fünf Jahre dauern sollte, bin ich gern dabei, wenn es wieder aufwärtsgeht.“

Colonnaden
Klassik trifft Moderne: der Entwurf für den geplanten Neubau von Dieter Becken in den Colonnaden 72. © ALT/SHIFT. Visual Creatives | ALT/SHIFT. Visual Creatives

Die weit verbreiteten Zweifel an der City teilt der gebürtige Mecklenburger nicht. „Ich glaube an die Hamburger Innenstadt: Sie wird sich neu erfinden und wieder belebter werden, auch mit anderen Anbietern. Wir werden weniger Modegeschäfte sehen, aber mehr Gastronomie und Erlebnisbereiche. Gerade Straßen wie die Colonnaden, die den Stil des beginnenden 20. Jahrhunderts bewahren, bieten eine Atmosphäre, in denen sich die Menschen wohlfühlen.“

Diese Straße wird jetzt komplett neu gestaltet und werde ein großer Erfolg werden, ist sich Becken sicher. Er will dazu mit einem Neubau beitragen, der im klassischen Stil daherkommt. „Wir planen ein Haus, das sich wunderbar in das Stadtbild dieser Straße einfügen wird. Es wird die Hamburger begeistern.” 

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Fünf Fragen an Dieter Becken:

Meine Lieblingsstadt ist eindeutig Hamburg – in jeder Beziehung. Ich mag die Urbanität, die Internationalität, das Kulturangebot, den Hafen. Zugleich ist Hamburg immer eine grüne Stadt geblieben.

Mein Lieblingsstadtteil ist Uhlenhorst. Ich wohne in der Nähe und mag die Straßen, Plätze, Cafés und die vielen Möglichkeiten zu entspannen.  

Mein Lieblingsgebäude ist das Finnlandhaus an der Esplanade 41. Ich habe dort mein Büro. Die drei Punkthochhäuser ergeben ein harmonisches Stadtbild und sind architektonisch etwas Besonderes. Wir haben die Architektur des Finnlandhauses aus den 60er-Jahren wieder genauso hergerichtet, wie es einst geplant wurde. 

Mein Lieblingsplatz sind die Colonnaden. Sie werden sich in den kommenden Jahren gut entwickeln und zu einer der schönsten Straßen der Stadt werden. Das haben nur noch nicht alle erkannt.

Einmal mit der Abrissbirne werde ich das Haus an den Colonnaden 72 niederlegen, das ich vor einigen Jahren erworben habe. Das ist ein Klotz aus den 60er-Jahren, der inzwischen freigezogen ist. Wir haben einen Architektenwettbewerb durchgeführt und planen dort ein neues, wunderschönes Haus. Wir sind dabei, Baurecht zu erlangen.