Hamburg. Der Architekt Hadi Teherani hat seine Heimatstadt geprägt – auf den Bau seiner bewohnten Brücke in der HafenCity hofft er bis heute.
Ohne Hadi Teherani sähe Hamburg anders aus. Nur wenige Architekten haben die Hansestadt so geprägt und so viel gebaut wie der gebürtige Perser: Von ihm stammen die Tanzenden Türme auf St. Pauli, der Berliner Bogen, die Europa-Passage in der Innenstadt oder das Dockland, das wie ein Schiff vor Altona im Wasser liegt. Längst gibt es Stadtführungen, die sich seinem Werk widmen. Mehr als 50 Gebäude der Stadt wurden in seinen Büros entworfen, erst zusammen mit Kai Richter und Jens Bothe als BRT, später unter seinem Namen Hadi Teherani Group.
Heute taucht auf der Website der Name Hamburg nur noch unter ferner liefen zwischen Abu Dhabi, Dubai, Istanbul, Kopenhagen, Mumbai, Rom oder Teheran auf. Doch in der Hansestadt ist Teherani als Architekt groß und berühmt geworden.
Architekt Teherani zog als Sechsjähriger nach Hamburg
Als Sechsjähriger kam er an die Elbe, doch das erste Gebäude, das ihn geprägt hat, war das Hofhaus der Großeltern in seiner Geburtsstadt Teheran. „Das war ein Backsteingebäude mit Erkern aus Holz. Wir hatten einen schönen Innenhof mit einem Wasserbecken und einem Baum in der Mitte“, erinnert sich der 68-Jährige. „Das Haus hatte eine besondere Atmosphäre. Zur Straße gab es hohe Mauern und eine große Tür mit zwei Klopfern, eine für Männer und eine für Frauen. Wenn Männer klopften, mussten sich die Frauen ihr Kopftuch überziehen.“
1960 wanderten die Eltern aus – und Hadi wurde in Hamburg eingeschult: „Ich kam in eine Klasse mit 30 schreienden Kindern und verstand kein Wort.“ Teherani wurde rasch heimisch. „Als Kind lernt man schnell.“
Nach dem Abitur, das er nur „mit Mühe und Not“ geschafft hat, entscheidet eine Münze seinen Lebensweg. „Kunst war mein bestes Fach, daher wollte ich etwas Künstlerisches studieren. Ich hatte mich für Werbegrafik in Hamburg und für Architektur an der Technischen Universität Braunschweig beworben – schließlich hat die Münze entschieden.“ Eine Entscheidung, die Teherani nie bereut hat.
Teheranis Architektur fiel auf in Hamburg
1991 gründet er mit seinen Studienfreunden Jens Bothe und Kai Richter das Büro BRT in Hamburg. Um die Jahrtausendwende ist Teherani wohl der bekannteste Architekt der Stadt – seine Gebäude aus Glas und Stahl, ob das Deichtorcenter, das Doppel-X oder der Berliner Bogen, faszinieren und polarisieren zugleich. Er gewinnt 1999 den BDA Hamburg Architekturpreis, viele Hanseaten aber hadern mit seinem Stil. „Damals fiel die Architektur, die ich gemacht habe, besonders auf. Hamburg galt als etwas langweilig, ich wollte frischer bauen. Die Stadt ist modern, innovativ und zukunftsorientiert – das sollte man auch in der Architektur spüren. Eine freie Stadt benötigt freie Gebäude, die lichtdurchflutet sind und nichts zu verstecken haben.“ Sein Stil passte in die Zeit. Teherani sagt über sein Hamburger Schaffen: „Wären meine Häuser nicht da, die Reiseführer hätten weniger zu erzählen.“
Später kühlte die Begeisterung an der Elbe etwas ab. „Als Newcomer wurde ich in meiner Heimat groß gemacht. Und bevor ich zu groß wurde, wieder auf den Boden geholt!“, erinnert sich der Architekt und Träger des Bundesverdienstkreuzes. „Ich habe mich umorientiert und in ganz Deutschland und dem Ausland gearbeitet. Das ist ein ganz normaler Entwicklungsweg.“
Entwickelt hat sich auch Hadi Teherani. Heute baut er sogar mit Klinker. Sein Entwurf für das Deutschlandhaus wächst gerade am Gänsemarkt in die Höhe. „In diesem Ensemble mit der Finanzbehörde kann man nur mit Backstein bauen, ich wurde gewissermaßen gestalterisch gezwungen. Im Innenraum ist das Gebäude modern, weiß mit lichtdurchfluteten Räumen und einer gigantischen Halle.“ Der verwendete Backstein, in Dänemark gebrannt, hat eine Raffinesse, er wird vertikal angeordnet. „Das wird eine Fortsetzung der großen Tradition der Hamburger Kontorhäuser“, verspricht er.
Teherani: "Elbphilharmonie hat gezeigt, was möglich ist"
Das alte Deutschlandhaus von 1929, nach Entwürfen von Fritz Block und Ernst Hochfeld errichtet, war ein spektakulärer Bau. Es beheimatete das damals größte Kino Europas, wurde im Krieg schwer getroffen und nur teilweise wieder aufgebaut. „Das alte Deutschlandhaus hatte keine Originalsubstanz mehr, da war kein einziger Stein alt. Die Idee der Architekten war längst verloren gegangen“, sagt Teherani. „Wir haben uns lange mit der Historie beschäftigt und werden im neuen Gebäude Plakate und alte Bilder des Originals zeigen.“
Der Neubau am Gänsemarkt passt perfekt in die Philosophie des Architekten und Designers. „Eine Stadt muss Geschichte erzählen, sie muss aber auch neue fantastische Geschichten entwickeln“, sagt er. Man müsse Denkmäler erhalten und pflegen, aber zugleich nach Lösungen für morgen suchen. „Nur so bleibt eine Stadt interessant.“ Teherani wirbt dafür, dass Hamburg mehr Ehrgeiz an den Tag legt. „Wir haben die Chance dazu, wir können uns das leisten. Und die Elbphilharmonie hat gezeigt, was möglich ist.
Teherani freut sich auf „tollen Elbtower“ in Hamburg
Die HafenCity, deren Anfänge er im „Spiegel“ 2008 als „Würfelhusten am Wasser“ kritisiert hatte, sieht er inzwischen wohlwollender. „Die Kritik war damals auf die enge Bebauung am Kaiserkai bezogen, wo die Häuser dahingewürfelt wirken“, sagt er. „Da hätte ich mir einen breiten Boulevard zur Elbphilharmonie hin gewünscht.“ Das viel beachtete Interview brachte ihm einigen Ärger ein: „Die Kritik kam damals nicht so gut an – vielleicht habe ich auch deshalb weniger Aufträge bekommen.“ Insgesamt hält er die HafenCity für gelungen. „Sie ist eher positiv als negativ zu bewerten – diese Landschaft am Wasser ist so kraftvoll, da kann man wenig verkehrt machen. Sie könnte aber besser sein!“
Die Speicherstadt habe im 19. Jahrhundert architektonisch Maßstäbe gesetzt mit ihrer Spannung aus Gebäude und Wasser – so sei es auch in Venedig. „Bei der HafenCity hat man ein anderes Konzept gewählt. Jedes Haus stammt von einem anderen Architekten. Ich hätte mir dort eine Wasserstadt mit Arkaden vorstellen können.“ Ausdrücklich freut er sich auf den „tollen Elbtower“ und den Amerigo-Vespucci-Platz an den Elbbrücken. „Da kommen beeindruckende Gebäude hin, dort entsteht ein neues Hamburg.“
Manche Träume eines neuen Hamburgs blieben ungebaut. So scheiterte die Idee, am Baakenhöft in der Mitte der HafenCity das 288 Meter hohe Lighthouse zu errichten – der in sich um 60 Grad gedrehte Wolkenkratzer sollte zu einem neuen Wahrzeichen der Stadt werden. Viele Hamburger empfanden den gigantischen Wassertropfen eher als Störenfried in der Stadtsilhouette.
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"Living Bridge" in Hamburg wäre "eine Ponte Vecchio in Groß“
Auf Begeisterung und viel Zustimmung hingegen stieß sein 2004 mit dem Investor Dieter Becken präsentiertes Konzept der „Living Bridge“ – ein Gebäudeband als Brückenschlag über die Norderelbe. In Höhe des Lohseparks sollte bis zum Grasbrook eine 700 m lange, mehrgeschossige Brückenanlage entstehen. Sie war als Parkachse, Weg und Wohnstraße auf einem Grundstück gedacht, das es eigentlich gar nicht gibt – auf dem Wasser. „Die Bürger sprechen mich bis heute an. Das war ein Maßanzug für Hamburg, eine Stadt, in der man am Wasser und über dem Wasser wohnt.“ Jetzt versuche man den Grasbrook und die Veddel zu entwickeln. „Mit der Living Bridge wären diese Stadtteile längst angebunden. Das ist eine Ponte Vecchio in Groß.“
Mehrere Jahre hat die Politik über diese Brücke nachgedacht, noch die schwarz-grüne Koalition wollte 2008 daran festhalten. „Als es Probleme mit der Elbphilharmonie gab, hat der Senat sich gescheut, ein weiteres Großprojekt zu wagen.“
Teherani will sich nicht endgültig von seinem Baby verabschieden. „Es ist akut. Der Sprung über die Elbe ist so aktuell wie nie zuvor. Die Wohnbrücke würde den Süden der Stadt perfekt anbinden.“ Heute sei eine kürzere Variante möglich, da die Baakenhafenbrücke bereits steht. „Der zweite Teil über die Elbe funktioniert, die Planung liegt in meiner Schublade. Man muss bei mir nur anrufen.“ Heute würde sich eine solche Brücke angesichts der gestiegenen Immobilienpreise noch besser rechnen als vor knapp zwei Jahrzehnten. „Damals haben wir mit zehn Euro Miete pro Quadratmeter für viele der 1000 Wohnungen kalkuliert. Wir wollten die Brücke der Stadt schenken und im Gegenzug nur das Grundstück.“
Teherani hängt an seiner Living Bridge für Hamburg
Wenn Hadi Teherani über seine Living Bridge ins Plaudern kommt, spürt man, wie sehr sein Herz daran hängt. Und auch viel Geld: „Die Planungen hat mich fast eine Million Euro gekostet – und dann lässt man mich im Regen stehen.“
Nur mit solchen Visionen kommt eine Stadt weiter, ist sich Teherani sicher. Schließlich sei auch die Elbphilharmonie zunächst nur eine Idee gewesen: Es gab bereits einen entschiedenen Wettbewerb, der an dieser Stelle ein Hochhaus vorsah. Der Hamburger Alexander Gerard bat dann das Architekturbüro Herzog/de Meuron um eine Skizze für den alten Kaispeicher und entfachte damit eine Woge der Begeisterung. Eine Vision wurde Wirklichkeit.
„Ich mache mir immer Gedanken um Hamburg“, sagt der 68-jährige Teherani. Die größten Baustellen sieht er neben dem Sprung über die Elbe in der Innenstadt. „Wenn große Kaufhäuser aufgeben, muss man neue Attraktionen schaffen: Die Mönckebergstraße hat alles, was ein großer Boulevard benötigt und könnte wie die Rambla in Barcelona werden mit Wasserspielen und Events.“ Inzwischen ist Hadi Teherani, einst Wegbereiter des modernen Bauens in Hamburg, selbst ein Denkmal. Sein erstes Gebäude , das Lofthaus am Elbberg, aus dem Jahre 1996 ist jetzt unter Denkmalschutz gestellt worden. „Das verstehe ich als Anerkennung.“