Hamburg. Was Christian Walte und sein Team in den 37 Naturschutzgebieten erleben, welche Rolle Hundebesitzer spielen und was die größten Probleme sind

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden belebenden Blick, im Tale grünet Hoffnungsglück…“, heißt es in Goethes „Osterspaziergang“. Seit Ostern zieht es die Menschen auch in Hamburg wieder hinaus ins Grüne. Und damit hat die Hochsaison für ein wohl bislang kaum bekanntes Team der Hamburger Umweltbehörde begonnen: die Ranger.

Im Podcast „Komplizen für die Zukunft“, den das Hamburger Abendblatt gemeinsam mit der Hamburger Volkshochschule veröffentlicht, spricht Christian Walte, der Chef der Hamburger Ranger, über die Arbeit seines Teams, den Zustand der Hamburger Naturschutzgebiete und die Herausforderungen für die Zukunft.

Hamburger Abendblatt:  Den Begriff Ranger assoziiert man ja normalerweise eher mit den Weiten Amerikas oder Kanadas. Was machen Ranger in der Millionenmetropole Hamburg? Und seit wann gibt es Ranger in Hamburg?

Christian Walte: Wir sind jetzt seit ziemlich genau drei Jahren in Hamburg am Start. Was viele sicher nicht wissen, ist, dass das auf eine Volksinitiative zurückgeht, die von Vereinen, Verbänden im Naturschutz in Hamburg initiiert wurde. Die Vereine, die die jeweiligen Naturschutzgebiete betreuen, wollten damit für eine stärkere Präsenz in den Naturschutzgebieten sorgen.

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Ihre Waffe ist das Wort: Wie Ranger Hamburgs Naturschutzgebiete schützen

Komplizen für die Zukunft

Schilder aufstellen allein reicht also nicht?

Es wäre schön, wenn es so einfach wäre und wenn die Menschen, die in den unterschiedlichen Naturschutzgebieten unterwegs sind, sich dessen bewusst wären, was das grüne Schild mit dem Adler am Eingang bedeutet. Viele sind sich nicht bewusst, dass sie an der Stelle auch eine Verantwortung tragen und mit für den Schutz der Natur sorgen müssen, wenn sie das Naturschutzgebiet betreten.

Was ist die Hauptarbeit der Ranger?

Kurz gesagt: Für jedes der 37 Naturschutzgebiete in Hamburg gibt es eine eigene Naturschutzverordnung. Unsere Hauptaufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass diese eingehalten wird, um die Natur bestmöglich zu schützen. Wir reden hier immerhin über 10 Prozent der Hamburger Stadtfläche.

Also Naturschutzgebiet ist nicht gleich Naturschutzgebiet?

Ja, in jedem Naturschutzgebiet gibt es eine bestimmte Tierart oder eine Pflanzenart, die besonders schützenswert ist. Wir haben in Hamburg Gebiete, die europaweit einzigartig sind. Ein Beispiel ist der Schierlingswasserfenchel, der vielen Hamburgern wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Mühlberger Loch und der Airbus-Erweiterung noch in Erinnerung ist. Diese Pflanze gibt es nur noch hier. Wenn wir diese Gebiete also nicht schützen und nicht dafür sorgen, dass Menschen diese Gebiete nicht betreten, dann verlieren wir diese Pflanzenart.

Also kurz gesagt: Sie achten einerseits auf das richtige Verhalten der Menschen im Naturschutzgebiet und kontrollieren andererseits auch den Zustand der zu schützenden Tiere und Pflanzen?

Genau so ist es. Wir haben zunächst die Bestände genau aufgenommen und schauen nun natürlich darauf, wie wir es schaffen, dass diese nicht nur erhalten bleiben, sondern sich sogar erholen. Unser Ziel ist es immer, nicht nur den Status quo zu erhalten, sondern den Zustand zu verbessern.

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Wie geht es dem vorhin erwähnten Schierlings-Wasserfenchel heute?

Dem geht es in der Tat besser! Wir konnten ihn an neuen Flächen im Mühlenberger Loch ansiedeln. Wir haben Saatgut ausgebracht, und der Bestand scheint sich zu erholen.

Wie geht‘s denn den Hamburger Naturschutzgebieten? Sehen Sie eine gute Entwicklung?

Da ist es schwierig, eine pauschale Antwort zu geben. Ja, es gibt Lichtblicke, und man kann an verschiedenen Stellen feststellen, dass sich durch die Unterschutzstellung die Situation verbessert. Es ist aber so – und das wundert wahrscheinlich niemanden –, dass auch unsere Naturschutzgebiete vom Klimawandel betroffen sind. Durch die größer und stärker werdenden Hochwasserereignisse stehen deutlich mehr Flächen häufiger unter Wasser. Das wäre an sich noch kein Problem, wenn es nicht gleichzeitig auch dazu führen würde, dass der Boden erodiert, weil die Fließgeschwindigkeiten von Elbe und anderen Flüssen zugenommen haben. Dadurch haben wir große Verluste an Bodensubstanz. Das Mühlenberger Loch leidet unter starker Verschlickung. In der Fischbeker Heide sind die Nährstoffeinträge in die Heide einfach größer geworden, weil der Regen mehr Nährstoffe mitbringt. Heideflächen sind aber eigentlich Magerflächen. Es wird sich ganz viel verändern. Durch den Klimawandel wird es auch die Situation geben, dass wir sagen müssen: Für bestimmte Arten können wir gar nichts mehr tun.

Was muss man mitbringen, um Ranger zu werden? Ist das ein Ausbildungsberuf oder kommen Ihre Kolleginnen und Kollegen aus ganz unterschiedlichen Berufen?

Wir sind ein sehr buntes Team. Bei uns arbeiten Menschen mit unterschiedlichsten Vorkenntnissen. Viele kommen natürlich aus den sogenannten grünen Berufen wie Garten- oder Landschaftsbau. Wir haben Mitarbeiter aus den Forstbereichen und Kollegen, die aus der Landwirtschaft kommen. Wir haben aber auch eine Tierpflegerin bei uns, die lange Zeit an der Nordsee mit Seehunden gearbeitet hat. Es gibt nicht die eine Ranger-Ausbildung, aber jeder, der bei uns arbeitet, macht zusätzlich einen Lehrgang zum sogenannten geprüften Natur- und Landschaftspfleger. Das ist eine Ausbildung, die wir alle durchlaufen und im vergangenen Jahr zu einem großen Teil des Teams auch erfolgreich abgeschlossen haben.

Wie setzt sich Ihr Team zusammen? Sind es vor allem Männer? Sind es eher junge Menschen?

Der klassische Ranger-Begriff ist durch die Entstehungsgeschichte ja eher maskulin definiert. In Hamburg sieht die Wirklichkeit heute anders aus – und darauf bin ich auch stolz. Es ist uns gelungen, im Team eine 50:50-Verteilung zwischen Männern und Frauen zu haben. Wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gerade aus der Ausbildung beziehungsweise aus dem Studium kommen. Aber wir haben auch solche, die schon viel Erfahrung aus ihrem Beruf mitbringen.

Das sind die „Komplizen für die Zukunft“

Den Podcast können Sie unter www.abendblatt.de/podcast/komplizen-fuer-die-zukunft sowie in der eigenen Podcast-App des Hamburger Abendblatts und auf allen gängigen Podcast-Plattform hören. Mehr Infos zu den Veranstaltungen: www.vhs-hamburg.de/komplizen

Der Podcast erscheint alle 14 Tage jeweils donnerstags mit einer neuen Folge. Was verbirgt sich hinter „Komplizen für die Zukunft“? Die Idee zu der Reihe ist in der Vorbereitung des 100. Geburtstages entstanden, den die Volkshochschule 2019 gefeiert hat.

Zu den teilnehmenden Institutionen und Personen der vergangenen Jahre gehörten unter anderem Hamburgs Oberbaudirektor, das Tropeninstitut, das Ohnsorg-Theater, die Obdachlosen-Initiative „Hinz&Kunzt“, der Otto Versand, das Museum der Arbeit, Schulsenator Ties Rabe, Bezirksamtsleiter, aber auch viele kleinere Stiftungen und Initiativen.

Ist Hamburg da ein Vorreiter?

Ich denke schon, dass wir als Millionenmetropole mit den Rangern hier etwas Besonderes aufgebaut haben.

Woran erkennt man die Ranger im Naturschutzgebiet?

Wir sind alle einheitlich gekleidet. Auf unserem Rücken prangt unübersehbar das Wort Ranger oder Rangerin. Wenn wir im Naturschutzgebiet unterwegs sind, ist das unverkennbar.

Was sind die Hauptthemen, über die Sie mit den Besuchern in den Naturschutzgebieten ins Gespräch kommen?

Wir haben sehr viele Hundebesitzer in Hamburg, und das ist immer wieder ein Thema. Darf ein Hund mit ins Naturschutzgebiet? Und wenn ja, in welcher Form? Wie verhalte ich mich an der Stelle richtig?

„Die Vielseitigkeit der Naturschutzgebiete in Hamburg ist einmalig. “

Christian Walte
Chef der Hamburger Ranger

Wahrscheinlich an der Leine, oder?

Genau! Das ist die die Grundregel. In den Naturschutzgebieten gehört der Hund grundsätzlich an die Leine. Aber wir haben im Norden von Hamburg auch ein Naturschutzgebiet, da ist es sogar völlig verboten, einen Hund mitzunehmen.

Weil die Anwesenheit der Hunde dort das Wild verschreckt?

Genau so ist es. Der Duvenstedter Brook ist berühmt für sein Rotwild. Die Tiere reagieren sehr sensibel auf die Anwesenheit von Hunden. Das Wild riecht die Hinterlassenschaften der Hunde. Also, es geht gar nicht einmal unbedingt darum, was der Hund in der Fläche tut, sondern darum, was er hinterlässt – also seine Duftmarken. Sie sind für das scheue Wild der Indikator: Ein Feind war hier! Und dann wird die Fläche nicht mehr aufgesucht. Und wenn wir dort größere Flächen haben, die, ich sage es jetzt mal salopp, nach Hund riechen, dann habe ich keine Rückzugsgebiete mehr für das Wild.

Christian Walte, Ranger im Naturschutzgebiet
Ranger Christian Walte liebt die Vielseitigkeit der Hamburger Naturschutzgebiete: „Hier wird es niemals langweilig.“ © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Haben Sie persönlich ein Lieblings-Naturschutzgebiet, in dem Sie besonders gern unterwegs sind?

Meine Antwort hat jetzt wirklich nichts mit Diplomatie zu tun, aber es ist wirklich so, dass ich die Vielseitigkeit der Naturschutzgebiete in Hamburg liebe. Das ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal hier. Wir haben auf den Lehrgängen im vergangenen Jahr Kollegen aus dem Harz und vom Wattenmeer kennengelernt – und die waren relativ neidisch, als sie von unserer abwechslungsreichen Arbeit hörten, denn ein Ranger im Harz läuft im Endeffekt vor allem durch Wald, einer im Watt halt durch das Watt. Wenn ich aber nach Hamburg komme, kann ich morgens in der Fischbeker Heide unterwegs sein und habe ausgedehnte Heideflächen. Wenn ich weiter gen Osten fahre, habe ich eine große Binnen-Dünenlandschaft mit der Boberger Niederung, und wenn ich mich dann nach Norden wende, laufe ich am Nachmittag noch durch das Waldgebiet des Duvenstedter Brooks. Also insofern habe ich auf engstem Raum eine Vielfalt an Biotop-Formen. Die sucht meiner Meinung nach ihresgleichen.

„Nein, die Ranger in Hamburg sind nicht bewaffnet, und das ist auch richtig und wichtig.“

Christian Walte
Chef der Ranger in Hamburg

Ist es richtig, dass die Hamburger Ranger, anders als die klassischen Förster, kein festes Gebiet haben, sondern sie quasi ständig die Naturschutzgebiete wechseln? Gibt es dafür Gründe?

Der Hintergrund ist ganz einfach: So ist es attraktiver. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es natürlich weniger spannend, wenn ich ihnen sage, du fährst heute wieder in dasselbe Gebiet, in dem du die letzten zehn Tage auch schon gewesen bist. Ich denke, es ist ein hoher Motivationsfaktor, in all den 37 Gebieten mit den unterschiedlichsten Biotop-Formen unterwegs zu sein. So setze ich mich mit einer Vielfalt von Arten auseinander und komme mit den Besucherinnen und Besuchern immer wieder anders ins Gespräch. Das macht die Arbeit auch herausfordernder, weil ich mich immer wieder neu einstellen muss. Aber es wird eben auch nie langweilig.

Aber die Arbeit der Ranger besteht nicht ausschließlich quasi aus Wanderungen und den Aufenthalten im Naturschutzgebiet, sondern Sie haben sicherlich auch Büroalltag?

Ja, und der Anteil ist bei mir auch relativ hoch, weil ich ja die ganze Organisation im Hintergrund mache. Aber auch für mein Team gibt es Büroarbeit: Die Auffälligkeiten in den Naturschutzgebieten müssen dokumentiert und gegebenenfalls Folgemaßnahmen einleitet werden. Wenn es etwa einen Sturm gab, dann können wir zwar kleinere Maßnahmen für die Sicherheit im Gebiet selbst machen, aber bei größeren Schäden – etwa ein Baum, der auf einen Weg gestürzt ist – müssen wir die entsprechenden Fachabteilungen beauftragen. Das Thema Schilder ist immer wieder ein großes, weil wir leider immer wieder Menschen haben, die sich einen Riesenspaß draus machen, diese zu beschmieren oder mit Aufklebern unkenntlich zu machen. Wir müssen dann immer wieder dafür sorgen, dass diese Schilder gereinigt werden. Das sind so Kleinigkeiten, aber das gehört eben auch mit dazu.

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Eine letzte Frage habe ich noch, auf die bin ich bei der Vorbereitung des Gesprächs gestoßen: Wenn man bei Google nachschaut, was die meist gestellte Frage ist, zum Thema Ranger, dann ist das folgende: Ist ein Ranger bewaffnet? Wundert Sie das, oder haben Sie eine Antwort auf die Frage?

Ich weiß nicht, woher die Frage kommt. Aber ich kann ganz klar sagen: Nein, die Ranger in Hamburg sind nicht bewaffnet, und das ist auch richtig und wichtig. Die Vorstellung kommt sicher auch aus der Historie der amerikanischen Kollegen, die natürlich bewaffnet unterwegs waren. Denn in ihren Gebieten gab es Bären, Wölfe und andere Gefahren. Das alles finden wir in Hamburg nicht, und insofern tut es da nicht not, dass wir uns in irgendeiner Form bewaffnen. Unsere Bewaffnung, wenn man das denn so nennen möchte, ist wirklich das Wort. Das heißt also, wir sind möglichst akustisch unterwegs und versuchen, in den Dialog zu kommen.

Herr Walte, das war ein wunderbares Schlusswort. Ich danke Ihnen für das Gespräch.