Hamburg. HAW fürchtet, dass sich Studierende wegen rechtsextremer Parolen „nicht mehr sicher fühlen“ könnten. Rechtsexperte kritisiert Hausverbot.

Einer Mitgrölerin der Hetzparolen im exklusiven Nachtclub Pony in Kampen auf Sylt droht die Exmatrikulation von der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). Sie verstehe sich als weltoffene Hochschule und wende sich gegen menschenverachtende Äußerungen und Rassismus in jeglicher Form, so die HAW. Bereits Ende Mai hatte die Hochschule ein Hausverbot gegen die Studierende bis zum 31. Juli ausgesprochen. Warum, hat der Senat jetzt auf eine kleine Anfrage des wissenschaftspolitischen Sprechers der AfD-Bürgerschaftsfraktion, Krzystof Walczak, hin genauer ausgeführt.

Demnach sehe sich die Hochschule in der Pflicht, „sowohl den Schutz der betreffenden Studierenden vor möglichen verbalen Anfeindungen oder tätlichen Angriffen zu gewährleisten als auch für die übrigen Hochschulmitglieder den ungestörten Lehr- und Lernbetrieb, den Betriebsfrieden und insbesondere den Prüfungsbetrieb vor Semesterende sicherzustellen.“ Bemerkenswert ist der zweite Teil der Begründung für das Hausverbot. Da heißt es: „Weiterhin steht aus Sicht der HAW zu befürchten, dass sich Hochschulmitglieder aufgrund der rassistischen und menschenverachtenden Äußerungen an der Hochschule nicht mehr sicher fühlen.“

Nach Rassismus-Eklat: Ist die Sylt-Grölerin ein Sicherheitsrisiko an der HAW?

Wie berichtet hatten die Hamburgerin und weitere junge Leute dafür gesorgt, dass der recht betagte Bierzeltsong des italienischen Popbarden Gigi D‘Agostino öffentlich Wiederauferstehung feierte – allerdings eine unrühmliche. Zu den Rhythmen seines Liebeslieds „L’Amour toujours“ grölten der Lokalität und dem Habitus nach zu urteilen einige „Rich Kids“ die Hetzparole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“. Das kurze Video ging viral, die „Tagesthemen“ berichteten, selbst Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich – während über die rasch identifizierten Gröler ein Shitstorm hereinbrach. Einige verloren ihre Jobs. Der mit dem rechtsextremen Hetztext verunglimpfte Song ist seither wieder und wieder nachgeahmt worden.

Der AfD-Abgeordnete Walczak spricht mit Blick auf die Hamburger Studentin von einem „absurden und skandalösen Umgang“. All das erinnere ihn an eine „mittelalterliche Hexenjagd“. Einerseits wolle man die Studentin vor „Gewalt“ schützen. „Auf der anderen Seite wird suggeriert, von ihr gehe irgendeine Gefahr aus. (…) Wenn Studenten an der HAW mit körperlichen Übergriffen rechnen müssen, dann ist das eine Bankrotterklärung des Senats“, so Walczak.

Muss junge Frau die HAW verlassen? Exmatrikulationsverfahren in der Vorprüfung

Ob die junge Frau auch exmatrikuliert wird, also die HAW wird verlassen müssen, ist weiter unklar. „Im aktuellen Stadium“, so der Senat, „befindet sich das Verfahren in einer Vorprüfung, die klären soll, ob ein Exmatrikulationsverfahren eingeleitet wird.“ Die Wissenschaftsbehörde und die HAW seien sich bewusst, dass es sich „bei der Exmatrikulation um einen relevanten Grundrechtseingriff handelt, der eine sorgfältige Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen und eine eingehende Verhältnismäßigkeitsprüfung erfordert“. Interne und externe Rechtsexpertisen sollen den Exmatrikulationsausschuss unterstützen.

Die Entscheidung darüber, ob ein solches Verfahren eingeleitet wird, obliegt allein der Hochschule. In den vergangenen fünf Jahren sei der Exmatrikulationsausschuss an der HAW indes nicht einmal einberufen worden, wie der Senat in seiner Antwort auf eine weitere Frage erklärt. Auch ein Hausverbot sei seit 2019 nicht ausgesprochen worden.

Rechtsexperte: HAW Hamburg will an Studentin ein Exempel statuieren

Das Vorgehen der HAW stößt indes auch bei Rechtsexperten auf Kritik: Einige halten eine Exmatrikulation der Hamburger Studentin für nahezu aussichtslos, auch die Rechtmäßigkeit des Hausverbots wird bezweifelt. So schreibt Dr. Fiete Kalscheuer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, in einem Beitrag für die Legal Tribune Online (LTO), dass es der HAW mit dem Hausverbot nicht um Gefahrenabwehr ginge – doch das sei gerade der Sinn einer solchen auf das Hausrecht gestützten Maßnahme.

Die HAW, so Kalscheuer, „scheint vielmehr ein Exempel statuieren zu wollen: Es ging ihr um das Bestrafen unter dem Deckmantel des Gefahrenabwehrrechts. Das aber ist rechtswidrig. Die HAW Hamburg erweist sich und dem Rechtsstaat damit einen Bärendienst.“

Lehramtsstudent erhält nach Islamisten-Demo und „Kalifat“-Forderung kein Hausverbot

Gefragt hat die AfD auch nach dem Status des Muslim-Interaktiv-Agitatoren und Lehramtsstudenten Joe Adade Boateng, der Wortführer auf zwei Demonstrationen mutmaßlicher Islamisten in Hamburg war. Auf der Kundgebung Ende April – 1000 Menschen zogen auf den Steindamm – war auf Plakaten zu lesen „Kalifat ist die Lösung“, einzelne Teilnehmer brüllten die in diesem Kontext nur als islamistischen Schlachtruf zu verstehende Parole „Allahu Akbar“ („Gott ist groß“). Boateng gilt als strategischer Kopf der bislang nicht verbotenen islamistischen Gruppierung Muslim Interaktiv in Hamburg, die junge Leute vor allem über soziale Medien wie TikTok oder Instagram ködert.

Gegen den 25 Jahre alten Lehramtsstudenten habe die Universität Hamburg jedoch kein Hausverbot ausgesprochen und kein Exmatrikulationsverfahren angestrengt, so der Senat. Es seien „bislang keine Vorfälle im Zusammenhang mit der genannten Person bekannt, die die Prüfung eines Hausverbots veranlassen“.

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Für Walczak nicht nachvollziehbar: „Während primitive Saufparolen ohne Substanz zu einer Exmatrikulation führen sollen, lässt man extremistische Kalifat-Forderungen ohne irgendwelche Konsequenzen zu. Angesichts der realen Islamismus-Gefahr macht es fassungslos, dass gegen den Kopf von Muslim Interaktiv kein Hausverbot angestrengt wird.“