Hamburg. Der deutsche Top-Salafist Marcel Krass will in Hamburg Spenden für verbotene Islamisten-Gruppe sammeln. Verfassungsschutz alarmiert.
Pierre Vogel war die Stimme des Salafismus in Deutschland, er galt jahrelang als prägende Figur dieser radikalen und ultrakonservativen Strömung des Islam. Bei seinen öffentlichen Auftritten wirkte er aber auch immer etwas zu laut, zu hemdsärmelig, ein polternder Prediger ohne Gespür. Marcel Krass hingegen spielt auf der Klaviatur der Selbstvermarktung wie kein anderer aus der deutschen Islamisten-Szene.
Auf Videoplattformen im Internet tritt Krass zurückhaltend auf, wirkt freundlich und nahbar, seine Stimme klingt angenehm und ruhig, seine mitunter stundenlange Islam-Propaganda plätschert dahin wie einlullende Meditationsmusik.
Jetzt wird Marcel Krass in Hamburg erwartet – das Landesamt für Verfassungsschutz ist bereits alarmiert. Nach Abendblatt-Informationen will die deutsche Szenegröße am Sonnabendnachmittag in einem Billbrooker Veranstaltungssaal auftreten. Üblicherweise werden dort Hochzeiten gefeiert. Überschrieben ist die Veranstaltung mit dem Motto: „Die Gebetsstätten und das Versprechen Allahs“. Ursprünglich sollte sie nach Abendblatt-Recherchen in der Tawheed-Moschee (Steilshoop) stattfinden.
Deutscher Top-Salafist bei Spenden-Veranstaltung von verbotener Islamisten-Gruppe eingeladen
Offenbar soll am Sonnabend aber nicht nur eine fromme Botschaft verkündet werden. Wie das Abendblatt erfuhr, veranstaltet die als verfassungsfeindlich eingestufte Organisation Hizb ut-Tahrir (HuT) den Abend – und will dort auch Spenden für sich sammeln. Seit 2003 gilt für die radikal-islamistische Gruppierung ein deutschlandweites Betätigungsverbot, in Hamburg zählt sie nach Angaben des Verfassungsschutzes mehr als 300 Anhänger.
Insgesamt rechnet der Inlands-Nachrichtendienst der islamistischen Szene in Hamburg 1775 Menschen zu, darunter 490 Salafisten. 225 gelten als Dschihadisten, die auch die Anwendung von Gewalt befürworten. „Islamisten, Salafisten oder auch die Hizb ut-Tahrir streben eine Gesellschaftsform an, die mit unserer Demokratie absolut unvereinbar ist. In einem solchen Kalifat gibt es keine Grundrechte“, sagt Marco Haase, Sprecher des Hamburger Landesamts für Verfassungsschutz.
Marcel Krass gilt als einer der bekanntesten Salafisten Deutschlands, eloquenter, gesellschaftsfähiger und medial kompatibler als andere Promis der Szene wie eben Pierre Vogel, zu dem er engen Kontakt haben soll. Ebenso zu Sven Lau, einem weiteren deutschen Top-Islamisten, dessen „Scharia-Polizei“ vor zehn Jahren in Wuppertal bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Auf Instagram, YouTube oder TikTok folgen dem smarten Verführer und seiner föderalen islamischen Union rund 250.000 Menschen.
Verfassungsschutz: Marcel Krass hatte Kontakt zu einem der Attentäter des 11. September
Marcel Krass konvertierte 1995 zum Islam. Wie es in einem Bericht des baden-württembergischen Verfassungsschutzes heißt, kennt er keine Berührungsängste mit radikalen Salafisten. Während er sich in der Szene zunehmend vernetzte und einen Namen machte, führte er parallel ein scheinbar normales Leben. Der Diplom-Ingenieur aus Krefeld war zeitweise Lehrer für Elektrotechnik an einer Duisburger Berufsschule. „Marcel Krass spricht damit auch ein intellektuelleres Publikum an“, heißt es in dem Bericht weiter. Er sei „seit zwei Jahrzehnten eine feste Größe“ in der salafistischen Szene Deutschlands.
Und dort steht eben auch, dass Krass um die Jahrtausendwende herum Kontakt zu Ziad Jaarah hatte, einem der Attentäter vom 11. September 2001. Krass taucht überdies in weiteren Verfassungsschutzberichten der Bundesländer auf, so etwa im bayrischen und im niedersächsischen.
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Veranstaltungen mit Krass sind in der Vergangenheit bereits geplatzt, nachdem ruchbar geworden war, wer dort eigentlich auf der Bühne stehen will. So sollte er Mitte März in Köln-Nippes und Ende April 2023 in Berlin-Pankow jeweils Vorträge halten. Beide Events wurden abgesagt, in beiden Fällen gaben die Veranstalter nach Berichten des „Kölner Express“ und des Berliner „Tagesspiegels“ an, dass sie bei Vertragsabschluss getäuscht worden seien. Das Abendblatt fragte auch beim Betreiber der Location nach, wo Krass am Sonnabend auftreten will.
Der spürbar geknickte Mann sagte, ihm sei nicht mitgeteilt worden, wer genau das Programm am Sonnabend bestreiten wolle. Ihm sei bis Donnerstag nicht klar gewesen, wen er sich da ins Haus geholt habe. Mit Salafisten habe er jedenfalls nicht gerechnet. Der Veranstaltungssaal werde häufiger von islamischen Gruppen gebucht, „aber gut integrierten, nicht radikalen“, sagt der Betreiber. Jetzt stecke man in der Bredouille. „Wir sind vertraglich verpflichtet, die Veranstaltung durchzuführen“, so der Betreiber, „aber wir werden dennoch alles versuchen, die Veranstaltung abzusagen.“