Geburtstagsserie des Abendblatts mit den 75 wichtigsten Geschichten aus diesen Jahren. Heute: das umjubelte Thronfolgerpaar.
Hamburg. Grau strahlt der Himmel über Hamburg, die Luft gewohnt feucht. Ob sich Charles, als er am 31. März dieses Jahres vom Balkon des Rathauses aus in die regenbeschirmte Menge winkte, erinnert fühlte an seinen Besuch fast 40 Jahre zuvor? Vermutlich. Denn manches, darunter eben die Wetterlage in der „britischsten aller deutschen Städte“, war am 6. November 1987, übrigens auch ein Freitag, verblüffend ähnlich gewesen. Doch etwas sehr Entscheidendes war auch offensichtlich anders – die Frau an seiner Seite.
Besuchte Charles, wenige Wochen vor seiner Krönung zum König, die Hansestadt in diesem Jahr mit Camilla, seiner ersten großen Liebe und zweiten Ehefrau, so stieg er an jenem nasskalten Novembertag 1987 mit der damals 26-jährigen Diana am Flughafen von Fuhlsbüttel aus einer Sondermaschine.
Charles und Diana kamen damals aus Berlin, 31 Koffer im Gepäck
Aus dem noch geteilten Berlin kommend, wo das britische Thronfolger-Paar auf Einladung von Bundespräsident Richard von Weizsäcker an den Feierlichkeiten zum 750-jährigen Jubiläum der Stadt teilgenommen hatte, verließ es um 11.44 Uhr den Flieger, 31 Koffer im Gepäck. Auf dem roten Teppich, ein bisschen Farbe in der Tristesse, begrüßten unter anderem der damalige SPD-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und dessen Frau Christa die royalen Gäste.
„Wenn sich die Gelegenheit bietet, bemüht sich der Senat immer, etwas Glanz in die Stadt zu holen“, sagte Klaus von Dohnanyi kürzlich dem Abendblatt. Damals wurde seine Frau gemeinsam mit der weltweit verehrten „Prinzessin der Herzen“ zum Gästehaus des Senats chauffiert, während der Bürgermeister selbst mit seinem Gast Charles, eskortiert von Motorrädern, in einer anderen dunklen Mercedes-Limousine in die weiße Villa am Feenteich rollte.
„Das sind ganz normale Menschen, mit denen man auch ganz normal umgehen sollte“, sagt Dohnanyi. Respektvoll und die Etikette wahrend, habe man auch fragen dürfen, wie das Frühstück geschmeckt habe und ob die Reise angenehm verlaufen sei, erinnert sich der 94 Jahre alte Bürgermeister.
König Charles: „For you, Di“ – emotionale Annäherung damals im Alsterhaus?
Das offizielle Programm des Besuchs beginnt dann kurz darauf im Alsterhaus. Charles, 38, und Diana eröffnen die „Britische Woche“, bewerben Produkte aus der Heimat. Tausende Hamburger jubeln dem Paar vom Jungfernstieg aus zu; Beobachter stellen geradezu eine „Diana-Manie“ unter den sonst so zurückhaltenden Hanseaten fest.
Manche sind auf Bäume, andere auf Laternenmasten geklettert, doch wirklich sehen können das royale Paar wohl nur die Alsterhaus-Mitarbeiter, die zur Feier des Tages Halstücher mit Union-Jack-Optik tragen.
Charles bekommt eine Mappe mit Hamburgensien geschenkt, Ansichten der Hansestadt. Diana werden zwei Mecki-Figuren für die kleinen, daheimgebliebenen Prinzen William und Harry überreicht. Die Presse, darunter auch viele mitgereiste Journalistenkollegen aus Großbritannien, verfolgen das Paar auf Schritt und Tritt, analysieren jede noch so kleine Geste. Denn längst gilt die Ehe als wackeliges Zweckbündnis.
Hamburg soll die kriselnde Ehe des Thronfolgerpaars „gerettet“ haben
Da wird dann schon als Liebesschwur interpretiert, als Charles seiner Angetrauten bei einer Pralinenverkostung das Stückchen Schokolade mit den Worten „For you, Di“ reicht. „Dieser Moment sowie später das Bankett im Rathaus, bei dem Diana sehr gelöst und geradezu glücklich wirkte, führte dazu, dass die britischen Boulevardmedien titelten: The Krauts rescued the marriage (Die Deutschen haben die Ehe gerettet)“, erinnert sich Leontine von Schmettow, Deutschlands beliebteste Königshausexpertin.
Sie war damals schon für den NDR im Einsatz, wo der große Rolf Seelmann-Eggebert als Fernsehchef wirkte.
Das Galadinner im Rathaus mit rund 420 geladenen Gästen sei der „Höhepunkt“ des Hamburg-Besuchs gewesen, erinnert sich auch der damalige Bürgermeister Klaus von Dohnanyi, der zwischen Charles und Diana platziert war. „Ich habe mich mit beiden sehr ungezwungen über alles Mögliche unterhalten. Mir hat das Spaß gemacht, und ich hatte den deutlichen Eindruck: den Royals auch!“ Details verriet der Alt-Bürgermeister dem Abendblatt nicht, so viel Diskretion muss dann doch sein.
Lady Diana trug eine auffallende Robe – und ihr Lieblingsparfüm von Dior
Bekannt ist dagegen natürlich, was Lady Di trug: ein schulterfreies, schwarzes Abendkleid aus Spitze, dazu als kontrastreiches Accessoire eine lange Kette aus schneeweißen Perlen. Ein „ikonisches Outfit“, so wie eigentlich alles bejubelt wurde, was die junge, schöne Britin auswählte. Selbst ihr Duft blieb kein Geheimnis: Es soll sie ein zarter Hauch von „Diorissimo“, damals ihr Lieblingsparfüm, umweht haben.
Als Hommage an die adeligen Gäste wurde als Tischwein jener Weißwein von der Mosel gereicht, den Charles und Diana der Überlieferung nach bei ihrer Traumhochzeit im Jahr 1981 getrunken haben sollen. Serviert wurden Salat von Langusten und Crevetten, eine feine Wild-Consommé, Rebhuhn im Speckmantel mit Steinpilzen sowie als Dessert Eisbällchen mit Erdbeeren aus den Vier- und Marschlanden und Mokka.
Offensichtlich, dass der passionierte Jäger Charles damals noch nicht so ein großes Faible für die vegetarische Küche pflegte wie heute.
Adelsexpertin: Charles und Diana waren professionell, aber „kein Team auf Augenhöhe“
Überhaupt hat sich viel verändert in den vergangenen 36 Jahren. In der Welt insgesamt, aber auch in der Welt des Hochadels. „Charles und Diana haben ihr durchgetaktetes Programm damals sehr professionell absolviert“, sagt Leontine von Schmettow. „Aber wir haben kein Team auf Augenhöhe gesehen, sondern ein ungleiches, vermutlich sogar unglückliches Paar.“
Die Prinzessin von Wales sei sehr introvertiert gewesen, habe schüchtern gewirkt, was man mit böser Zunge vielleicht sogar als gelangweilt hätte beschreiben können, sagt die Königshausexpertin. Ein Bad in der Menge sei „undenkbar“ gewesen. Ein ganz anderes Bild habe sich im März 2023 ergeben. Der noch ungekrönte König Charles, mittlerweile Mitte 70, habe sich mit Camilla an seiner Seite sicherer gefühlt und sehr viel volksnäher präsentiert als damals.
König Charles suchte an der Seite von Camilla den Kontakt zu den Hamburgern
„Er hat ja regelrecht den Kontakt gesucht mit den Hamburgern, hat mit Engelsgeduld im Regen Hände geschüttelt“, sagt Leontine von Schmettow. „Man hat einfach den Gleichklang dieses Paares gespürt. Charles und Camilla sind einander seit Jahrzehnten eng verbunden, zugewandt, empathisch, nahbar und dabei vollkommen unaufgeregt.“ Der Deutschlandbesuch habe dem neuen britischen Königspaar zweifelsohne viel Sympathie eingebracht.
Auch dass Charles, der sich schon lange für den Klimaschutz einsetzt, dieses Mal (wieder aus Berlin kommend) mit dem ICE statt mit dem Flieger anreiste, wurde nicht nur medial, sondern auch von der Bevölkerung geschätzt.
Alt-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi erinnert sich an Charles und Diana
Überhaupt Politik … Natürlich sei es auch 1987 erlaubt gewesen, mit dem damaligen Thronfolger über bestimmte Ereignisse zu sprechen, sagt Alt-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi. „Wobei es jetzt als König für Charles vermutlich noch einmal heikler ist, weil er sich zur Tagespolitik nicht äußern darf.“ So würde er, angesprochen auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, vermutlich auch nur sagen können, wie „schrecklich“ er das finde.
Politisch brisant wurde es auch am 6. November 1987 kurz: Als Charles und Diana bei einer Barkassenfahrt (Standardprogramm in Hamburg) an den besetzten Häusern der Hafenstraße entlangschipperten, wurde dort die irische Flagge gehisst – eine Anspielung auf den Nordirland-Konflikt, in dem die Untergrundorganisation IRA gegen das von Charles vertretene Königreich für ein vereinigtes Irland kämpfte. Auch Spruchbänder wurden enthüllt, die von offener Sympathie für die IRA zeugten. Die Besetzer feuerten Leuchtraketen auf einen Polizeiwagen und einen Hubschrauber ab.
Irische Flagge an der Hafenstraße – Charles ignorierte die Provokation
Die britische „The Sun“ panikte daraufhin am nächsten Tag auf ihrer Titelseite von einem „Raketenangriff auf die königliche Barkasse“, und der „Mirror“ sprach von einem „Spießrutenlauf für das Prinzenpaar“. Doch ob Charles diese Provokationen überhaupt mitbekommen und wahrgenommen hat, kann Klaus von Dohnanyi nicht mehr mit Sicherheit sagen: „Falls ja, dann hat er es sich jedenfalls nicht anmerken lassen. Das gehört zur Professionalität und zur guten Erziehung.“ Außerdem komme so etwas bei Staatsbesuchen hin und wieder vor.
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Zurück in London versuchten die Medien, die Deutschlandreise des Thronfolgerpaares zusammenzufassen. Surprise: Das Private war dann doch spannender als das Politische. So zog der „Daily Mirror“ das knappe Fazit: „Liebesspiele!“ Vermutlich mehr Wunsch als Wahrheit, denn neun Jahre später sprach die Queen ein Machtwort und leitete die Scheidung des einstigen Traumpaars ein.
Charles besuchte Hamburg vier Jahrzehnte später wieder – kurz vor seiner Krönung
Für Charles war damit der Weg frei, um ganz offiziell mit seiner Lebensliebe Camilla anzubandeln. Dass er Jahrzehnte später mit ihr wieder Hamburg besuchen würde – und das noch als designierter König – hätte wohl damals niemand gedacht, vielleicht nicht einmal er selbst.