Hamburg. Beim Eintrag des Königs in das Goldene Buch der Stadt spielt ein „R“ eine besondere Rolle. Welche Anekdoten sich um das Buch ranken.
Ob ihm diese kleine Geste wohl gefallen hat? Oder hat sie schmerzliche Erinnerungen geweckt? Nachdem König Charles III. und seine Frau Camilla sich am Freitag um 13.45 Uhr in das Goldene Buch der Stadt eingetragen hatten, hatte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) jedenfalls noch eine Überraschung parat: Er öffnete das Buch, und obenauf lag das Blatt, auf dem sich einst Charles’ Eltern verewigt hatten. „Your parents“, erklärte Tschentscher dem Monarchen, der es unbewegt zur Kenntnis nahm.
„Elizabeth R“ hatte die damals noch junge britische Königin Elizabeth II. mit blauer Tinte gezeichnet, wobei das R für das lateinische Wort „regina“ stand, also „Königin“. Darüber hinaus hatte sie nur noch das Datum hinzugefügt: „May, 28th 1965.“ Ihr Mann, der Herzog von Edinburgh, hatte darunter schlicht in schwarzer Tinte seinen Vornamen gesetzt: „Philip“. Der gemeinsame Sohn Charles war damals 16 Jahre alt und vermutlich gerade im ungeliebten Internat in Schottland.
König in Hamburg: „Charles R March 31th 2023“ schreibt er ins Goldene Buch
Knapp 60 Jahre später hielt der neue König es nun wie seine Eltern: Schlicht „Charles R March 31th 2023.“ schrieb der 74-Jährige – wobei das R in diesem Fall für „rex“ wie König stand. Seine Frau beließ es bei „Camilla R“. Die Zeremonie im prunkvollen Kaisersaal selbst war, wie üblich, in wenigen Minuten beendet. Und doch hatte Charles damit Geschichte geschrieben.
Denn er war eine der ganz wenigen Personen in den 125 Jahren, die das Goldene Buch schon besteht, die sich ein zweites Mal eintragen durften. Bereits 1987, seinerzeit noch als Prinz Charles, hatte sich der Brite im Beisein von Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) mit seiner damaligen Frau Diana auf dem weißen Papier verewigt. Immerhin: Zwei Einträge mit zwei verschiedenen Gemahlinnen – damit dürfte Charles für lange Zeit ein Alleinstellungsmerkmal haben.
Warum das Goldene Buch in Wahrheit gar kein Buch ist
Ohnehin ranken sich um dieses Buch Geschichten, die, nun ja, ein ganzes Buch füllen könnten. Das beginnt schon damit, dass es sich streng genommen gar nicht um ein Buch handelt, sondern um eine mächtige Kassette aus vergoldetem Leder mit massiven Metallbeschlägen, in der schwere Blätter, etwa im Din-A-3-Format, verwahrt werden.
1022 Personen haben sich mittlerweile auf 568 Seiten verewigt – das sprengt die Kapazität dieses „Buches“. Ein guter Teil der Seiten wird daher im Staatsarchiv der Stadt aufbewahrt. Ein anderer Teil ruht dort aus politischen Gründen: Während der NS-Diktatur wurden nahezu sämtliche Nazi-Größen auch in Hamburg mit einem Eintrag ins Goldene Buch hofiert.
Von Hitler bis Putin – manche Einträge sind heute unangenehm
Adolf Hitler durfte sogar zweimal unterschreiben, 1934 und 1938. Das war der Stadt nach Kriegsende naturgemäß unangenehm – und so wurden alle diese Einträge getilgt, indem die Blätter im Staatsarchiv versteckt und die offiziellen Listen bereinigt wurden.
Andere Ehrengäste, deren Leumund sich seit dem Eintrag nicht zum Positiven entwickelt hat, sind dagegen noch Bestandteil des Buches: Russlands Staatspräsident Wladimir Putin etwa, der sich 2004 gemeinsam mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder eintrug. Eine Verbindung, die bis heute für Diskussionen sorgt. Auch Ugandas Diktator Idi Amin (1972) und Rumäniens Schreckensherrscher Nicolae Ceaușescu würde man wohl heute nicht mehr derart ehren.
Der erste Eintrag von Otto von Bismarck ist älter als das Buch selbst
Derartige Verwicklungen hatte die Bürgermeisterfamilie Petersen wohl kaum im Sinn, als sie das Buch 1897 anlässlich der Einweihung des neuen Rathauses stiftete und anschließend von dem Lederkünstler Georg Hulbe anfertigen ließ. Dabei war schon der allererste Eintrag etwas heikel.
Dieser sollte dem früheren Reichskanzler Otto von Bismarck vorbehalten sein und sollte am 22. Oktober 1897 unterschrieben werden – dieses Datum trägt das Blatt auch. Tatsächlich setzte der Fürst seine leicht krakelige Unterschrift aber erst am 22. Dezember 1897 darauf und datierte sie zurück – nach Informationen aus dem Rathaus in Gedenken an den verstorbenen Bürgermeister Petersen auf den Tag der Enthüllung von dessen Denkmal am Neuen Wall. Das Buch wurde dann erst 1898 fertig – die Unterschrift Bismarcks ist somit älter als das Kunstwerk selbst.
Charles in Hamburg: König benutzt lieber seinen eigenen Füller
Derartige kleine Schummeleien sind von den Charles-Einträgen nicht überliefert. Eine royale Extrawurst genehmigte sich der König dennoch: Den vom Protokoll bereitgelegten Füller nahm er kurz in die Hand, fummelte die Kappe ab und beäugte ihn kritisch – um ihn dann beiseitezulegen und das eigene Schreibgerät zu zücken. Gattin Camilla bediente sich hingegen des für sie bereitgelegten Füllers. Im Ergebnis ist seine Unterschrift deutlich kräftiger und ihre geradezu zierlich. Vielleicht sollte das so.