Hamburg. Der Vorwurf: Jörg Fröhlich soll aus politischen Gründen Ermittlungsverfahren gegen Innensenator Grote gestoppt haben.
Mangelnde Sorgfalt kann man dem früheren Richter am Bundesgerichtshof, Nikolaus Berger, nicht vorwerfen. Der Jurist nahm sich sieben Monate Zeit, um einen politisch heiklen Fall zu prüfen: Hat Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich in ein Ermittlungsverfahren wegen möglicher Vorteilsnahme im Amt eingegriffen und es gestoppt, um Innensenator Andy Grote (SPD), den früheren Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) sowie Polizeipräsident Ralf Martin Meyer zu schonen?
Bergers Antwort fällt nun eindeutig aus: Fröhlich hat richtig gehandelt, als er in einem Dienstgespräch am 9. Juli 2019 den Anfangsverdacht einer Korruptionsstraftat verneinte. Das hat Berger als Ermittlungsführer im Disziplinarverfahren gegen Fröhlich, das dieser selbst angestrengt hatte, „nach Auswertung aller einschlägigen Akten und Unterlagen sowie nach Vernehmung mehrerer Zeugen und Zeuginnen“ festgestellt, wie die Justizbehörde am Donnerstag mitteilte. Ein Dienstvergehen Fröhlichs liege nicht vor. Aus Sicht Bergers und der Behörde ist Fröhlich damit rehabilitiert.
St.-Pauli-Ticketaffäre: Plötzlich ging es um die Frage, wie unabhängig die Justiz ist
Der Fall hatte im Herbst vergangenen Jahres politisch erhebliche Wellen geschlagen und zuletzt zu der Frage geführt, wie unabhängig die Hamburger Justiz ist. Darum ging es konkret: Grote, zunächst noch als Mitte-Bezirksamtsleiter, Horch und Meyer sollen in den Jahren 2013 bis 2016 VIP-Tickets für Heimspiele des FC St. Pauli angenommen und genutzt haben. Im Fall von Grote soll es sich nach Abendblatt-Informationen um acht Tickets der höchsten Preiskategorie im Wert von insgesamt 1700 Euro gehandelt haben.
Grote hatte 2019 erklärt, die Besuche im Millerntorstadion seien „jeweils in dienstlicher Funktion und auf Einladung der Vereinsführung“ erfolgt. Er habe repräsentative Aufgaben wahrgenommen und den Austausch zu damals „relevanten Themen“ gepflegt. Unter anderem ging es um den Ausbau des Millerntorstadions, für dessen Genehmigung Grote als Bezirksamtsleiter zuständig war.
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Ermittlungsverfahren gegen Grote, Horch und Meyer wurden 2020 eingestellt
Die Listen mit den VIP-Karten waren bei einer Betriebsprüfung des FC-St. Pauli festgestellt worden. Ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche des Fußballclubs war eingestellt bzw. durch einen Bußgeldbescheid im Jahr 2020 erledigt worden.
Die Ermittlungsverfahren gegen Grote, Horch und Meyer wegen illegaler Vorteilsnahme im Amt waren ebenfalls 2020 eingestellt worden. Grundlage für diese Entscheidung war das Dienstgespräch vom 9. Juli 2019, an dem außer Fröhlich die Leiterin der Korruptionsabteilung, der zuständige Hauptabteilungsleiter sowie der stellvertretende Leiter der Staatsanwaltschaft teilgenommen haben.
Eine Beamtin erhob in einem Vermerk schwere Vorwürfe gegen Jörg Fröhlich
Erst im Herbst 2022, also mit erheblicher zeitlicher Verzögerung, tauchte ein sogenannter „Zweitvermerk“ auf, in dem die Leiterin der Korruptionsabteilung ihre Eindrücke von der Dienstbesprechung am 9. Juli 2019 schilderte. Danach soll Fröhlich in dem Gespräch davor gewarnt haben, dass es im Falle von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Grote, Horch und Meyer zu einer „politischen Krise“ kommen könne. Zudem wäre die Zusammenarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft gefährdet. Schließlich soll der „General“ deutlich gemacht, dass ein „Hochkochen“ der Angelegenheit kurz vor der Bürgerschaftswahl Anfang 2020 einen „politischen Tsunami“ auslösen könne.
Nachdem daraufhin unter anderem aus der Opposition der Vorwurf erhoben wurde, die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren gegen Grote aus politischer Opportunität eingestellt, hatte sich Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) eingeschaltet und unter anderem mit Fröhlich gesprochen. Im Ergebnis kam es zur Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen den Generalstaatsanwalt.
Fröhlichs Äußerungen sollen aus dem Zusammenhang gerissen sein
Laut Justizbehörde ist Berger im Rahmen seiner Beweisaufnahme nun zu dem Ergebnis gekommen, dass Fröhlichs angebliche „Wortbeiträge teils herausgelöst aus dem Gesprächskontext, teils sinnentstellend verkürzt wiedergegeben“ worden seien. Fröhlich habe vielmehr in dem Gespräch auf die rechtlich hohen Hürden etwa für Durchsuchungen in solchen Fällen hingewiesen. Die Voraussetzungen dafür hätten nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit laut höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht vorgelegen. Es sei mithin zu Recht kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.