Hamburg. Jörg Fröhlich beantragt Disziplinarverfahren selbst. Er soll Durchsuchung bei Andy Grote verhindert haben – aus politischen Gründen.
Eine Woche nach Bekanntwerden der schweren Vorwürfe gegen Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich ist ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Dies sei auf seinen Wunsch hin geschehen, teilte die Justizbehörde mit. Für das Disziplinarverfahren soll ein externer Ermittler – also kein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft oder der Dienststelle Interne Ermittlungen (DIE) – benannt werden. Fröhlich bleibt auch während des Verfahrens weiter im Amt.
Die Vorwürfe gegen Fröhlich bezeichnet die Justizbehörde selbst als „erheblich“. Dabei geht um mittlerweile eingestellte Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 2019 gegen Innensenator Andy Grote (SPD), den früheren parteilosen Wirtschaftssenator Frank Horch sowie Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. Bei ihnen bestand der Verdacht der Vorteilsnahme im Amt, da sie Gratis-VIP-Karten des FC St. Pauli angenommen hatten. Vor allem Grote soll mindestens acht Karten im Wert von rund 1700 Euro entgegengenommen haben.
Kartenaffäre: Fröhlich soll Durchsuchung bei Grote verhindert haben
Damals war er Leiter des Bezirksamtes Mitte, das federführend für die Genehmigungen des Stadionausbaus war. Bei allen dreien wollten die ermittelnden Staatsanwälte Hausdurchsuchungen beantragen. Laut eines Vermerks über eine Dienstbesprechung hat der Generalstaatsanwalt dies verhindert – und zwar aus rein politischen Gründen. Demnach sagte Fröhlich, er nehme in Kauf, dass möglicherweise Beweise für Straftaten verloren gingen, da es anderenfalls zu einer „politischen Krise“ komme. Außerdem wäre die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft gefährdet.
An der Dienstbesprechung nahmen außer Fröhlich vier Leitende und Oberstaatsanwälte teil. Diese äußerten laut Vermerk Bedenken gegen die von Fröhlich favorisierte Vorgehensweise. Es dürfe keinen Prominentenbonus geben. Außerdem sei es rechtsstaatlich bedenklich, wenn mit zweierlei Maß gemessen würde.
Durchsuchung bei Grote verhindert: "Politischer Tsunami" befürchtet
Einer der Teilnehmer der Runde äußerte noch Bedenken bezüglich der Integrität der betreffenden Personen, insbesondere gelte dies für Andy Grote. Fröhlich, so heißt es weiter in dem Vermerk, habe beigepflichtet, dass auch er Grote für nicht integer halte. Dennoch sei ein „Hochkochen“ der Angelegenheit vor der Bürgerschaftswahl zu vermeiden, sonst gebe es einen „politischen Tsunami“.
Die Wahl fand im Februar 2020 statt, SPD und Grüne setzten ihre Koalition fort, und Grote blieb Innensenator. Zu Hausdurchsuchungen kam es im Zuge der Ermittlungen dennoch: allerdings beim FC St. Pauli und in den Privatwohnungen von deren Geschäftsführern Andreas Rettig und seinem Vorgänger Michael Meeske.
Sowohl Grote als auch Gallina gelten als schwer angeschlagen
Die Affäre um Jörg Fröhlich spielt sich innerhalb einer bemerkenswerten politischen Konstellation ab. Denn sowohl Innensenator Andy Grote als auch die grüne Justizsenatorin Anna Gallina – die beiden politischen Hauptprotagonisten – gelten als schwer angeschlagen. Grote gilt spätestens seit der „Pimmelgate-Affäre“ sowie seiner Verstöße gegen Corona-Auflagen als ein Senator auf Bewährung.
Gleiches gilt für Gallina, auch weil jüngst ihr Ex-Lebensgefährte Michael Osterburg wegen Betruges angeklagt wurde. Dabei geht es um Abrechnungsbetrug: Er soll sich Dutzende Restaurant-Rechnungen von der Grünen-Fraktion Mitte erstattet haben lassen, obwohl es sich um private Besuche gehandelt habe – sehr oft in Begleitung von Anna Gallina. Osterburg war lange Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Bezirksversammlung Mitte. Nun könnte es dazu kommen, dass Gallina ihren Generalstaatsanwalt feuern muss – weil der seine schützende Hand über den Sozialdemokraten Grote gehalten hat.
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Opposition begrüßt Disziplinarverfahren gegen Generalstaatsanwalt Fröhlich
Der Sonderermittler soll laut Justizbehörde „zeitnah“ eingesetzt werden. Dabei werde es sich „um einen Juristen mit Befähigung zum Richteramt“ handeln. Weitere Details wurden nicht genannt. Diese Personalie ist in Hamburg schon deswegen schwierig, weil es im Gegensatz zu Flächenländern nur eine Staatsanwaltschaft gibt. In anderen Bundesländern werden solche Verfahren in der Regel von Kollegen einer anderen Staatsanwaltschaft geführt.
Die Opposition begrüßt indes die Einleitung des Disziplinarverfahrens. „Sollte Hamburgs Generalstaatsanwalt Fröhlich eine Durchsuchung bei Innensenator Grote verhindert haben, hätte das nicht nur für ihn rechtliche Konsequenzen, sondern auch für die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates. Das Vertrauen der Bürger in die Unabhängigkeit der Justiz wäre immens erschüttert“, sagte Anna von Treuenfels (FDP). Deshalb sei es dringend notwendig, dass jetzt ein Disziplinarverfahren objektiv und transparent den zugrundeliegenden Sachverhalt aufkläre.
Richard Seelmaecker (CDU) sagte: „Der Generalstaatsanwalt nutzt das Selbstreinigungsverfahren um sich selbst zu entlasten. Dadurch zwingt er die Justizbehörde dazu, Stellung beziehen. Dies wird er voraussichtlich erst getan haben, bevor er die Justizbehörde mit einbezogen hat. Sollte dies nicht der Fall sein, liegt der Ball jetzt allein bei Staatsrat Dr. Schatz. Es bleibt abzuwarten, ob Fröhlich mit der Deckung der grün regierten Justizbehörde gehandelt hat.“