Hamburg. Die Krankenhausreform von Karl Lauterbach hätte gravierende Folgen, zeigt eine Studie. Was das für Patienten bedeuten könnte.

Müssen sich Tausende Frauen in Hamburg ein anderes Krankenhaus für eine bevorstehende Geburt suchen? Fallen bundesweit renommierte Spezialkliniken wie das Jerusalem oder die Facharztklinik der niedergelassenen Ärzte (neben dem UKE) hinten runter, wenn die Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) so umgesetzt wird wie angedacht? Das steht nach Einschätzung der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft (HKG) zu befürchten.

Wie die HKG am Montag mitteilte, habe ein Gutachten für die Deutsche Krankenhausgesellschaft ergeben, dass qualitativ herausragende Hamburger Versorgungsstrukturen von der Lauterbach-Reform bedroht seien. Dieses Gutachten verantwortet Prof. Boris Augurzky, der auch in der Lauterbach-Kommission saß.

Krankenhaus Hamburg: Vier Geburtskliniken bedroht?

Nur jedes vierte Hamburger Haus wäre in eines der neuen, höchsten „Level“ II und III eingruppiert. Weitere 25 Prozent wären nur noch eine Art „Basisversorgung“ im Level In. „Für knapp die Hälfte der Hamburger Krankenhäuser, die teilweise als Fachkliniken hochspezialisierte Medizin erbringen, ist die Perspektive unklar. Für Hamburg lassen die aggregierten Ergebnisse daher bereits erheblichen Nachbesserungsbedarf erkennen“, heißt es.

Der HKG-Vorsitzende und Asklepios-Vorstand Joachim Gemmel kommentierte das klar: Diese Level brauche Hamburg nicht. „Die Auswirkungsanalyse zeigt deutlich, dass komplett an der Praxis vorbeigedacht wurde und noch dringend nachgearbeitet werden muss. Bundesweite Vorgaben auf alle Krankenhäuser gleichermaßen anzuwenden, würde gewachsene Strukturen zerstören und viele Krankenhäuser in Gefahr bringen, die für die Versorgung notwendig sind und gute Qualität erbringen.“

„Patientenströme werden sich ändern“

Für den AOK-Bundesverband sagte die Vorstandsvorsitzende Carola Reimann (frühere SPD-Gesundheitsministerin in Niedersachsen): „Die heute von der Deutschen Krankenhausgesellschaft vorgestellte Analyse zeigt, dass sich die Patientenströme durch die medizinisch sinnvolle Konzentration von Leistungen ändern werden. Von einem Kahlschlag der Krankenhaus-Landschaft durch die Reform kann aber keine Rede sein.“

Für die beliebten Agaplesion-Geburtskliniken wie das Bethesda in Bergedorf oder das Diakonieklinikum in Eimsbüttel (wo im Elim Angela Merkel geboren wurde) wäre die Zukunft jedoch mehr als unklar. Müssten sie ihre Geburtsstationen schließen, weil sie keine aufwendigen Intensivstationen, Hubschrauber-Landeplätze plus eigene Schlaganfall-Einheit (stroke unit) haben? Die Lauterbach-Kommissionspläne sehen „Zentren“ vor, die quasi medizinische Vollversorger sind.

Was wird aus Bethesda und Jerusalem?

Das Bethesda oder das Eimsbütteler Jerusalem (Brustkrebs-Spezialisten im Mammazentrum) müssten sich ebenso wie etwa die Facharztklinik große Häuser als nahe Partner suchen. Ob das praktikabel ist – fraglich. Die renommierte Facharztklinik hat ohnehin durch das benachbarte UKE keine Schwierigkeiten, im Notfall auf die Kapazitäten dort zurückzugreifen.

Die HKG hat aus dem Folgen-Gutachten der Reform herausgelesen, dass vier von elf Krankenhäusern mit Geburtshilfe diese künftig nicht mehr anbieten dürften. „Jede fünfte Frau müsste sich eine neue Geburtsklinik suchen. Ähnliche Effekte würden sich in der neurologischen Versorgung (24 Prozent der Patientinnen und Patienten), der interventionellen Kardiologie (30 Prozent) und der Urologie (23 Prozent) ergeben.“

Asklepios-Vorstand warnt vor Versorgungslücken

Experten sehen in diesem Reformentwurf vor allem einen Versuch, die Versorgung auf dem Lande zu konzentrieren. Für Hamburg, in dessen Kliniken jeder dritte Patient nicht aus der Stadt, sondern aus dem Umland oder von noch weiter entfernt kommt, seien diese Pläne nicht umsetzbar. Der HKG-Vorsitzende Gemmel warnt sogar vor „Versorgungslücken“ und setzt darauf, dass das Land Hamburg nach wie vor eigene Planungen abseits der Bundesvorgaben machen darf.

Die Hamburger Krankenhäuser böten dem Senat ihre Expertise an, „damit die Reform im Ergebnis noch eine gute für Hamburg werden kann“.