Hamburg/Kiel. Nach einem Vorschlag zur Krankenhausreform sollen nicht mehr alle Geburtskliniken gefördert werden. Experten warnen vor den Folgen.
Für die Geburtskliniken stehen Veränderungen an. Bereits im Dezember hat die Bundesregierung das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz erlassen, ein erster Schritt zur Krankenhausreform. Ziel der Maßnahmen ist eine bessere Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Ein erster Gesetzesentwurf für die Reform soll im Sommer stehen. Eine Regierungskommission hat aber bereits erste Vorschläge vorgelegt, die es in sich haben – besonders für die Geburtsstationen.
Demnach sollen Stationen mit angeschlossener Kinderklinik bevorzugt und die Zentrumsbildung gefördert werden. Auf lange Sicht soll es keine einfachen Geburtsstationen mehr geben. Schlechte Vorzeichen für den südöstlichen Speckgürtel von Hamburg? Hier hat keine Geburtsstation eine angeschlossene Kinderklinik, weder in Reinbek noch in Bergedorf oder in Geesthacht.
Krankenhausreform: 120 Millionen Euro erhalten die Kliniken 2023
„Krankenhäuser mit einer Fachabteilung für Geburtshilfe oder einer Fachabteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe erhalten finanzielle Unterstützung in Höhe von insgesamt 120 Millionen Euro, jeweils für 2023 und 2024“, sagt Marina Schmidt, Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums. „Die zu fördernden bedarfsnotwendigen Krankenhausstandorte und die jeweilige Höhe der finanziellen Förderung werden durch die Länder bestimmt – unter Berücksichtigung bundesgesetzlicher Vorgaben.“
Welche Auswirkungen die Vorschläge der Kommission auf einzelne Krankenhäuser oder Krankenhausabteilungen haben werde, sei noch nicht abschätzbar. Die Summe von insgesamt 240 Millionen Euro werde nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel, der Steueraufkommen und Bevölkerungsanzahl berücksichtige, auf die Länder verteilt. Aber wie viel kommt von der Förderung davon in den Krankenhäusern unserer Region in Reinbek und Geesthacht oder auch in Hamburg-Bergedorf an?
Die Verteilung der Zuschüsse wird gerade berechnet
Marius Livschütz, Sprecher des Ministeriums in Kiel, sagt: „Bei der Verteilung auf die Länder hat Schleswig-Holstein einen Förderbetrag in Höhe von rund vier Millionen Euro zugeteilt bekommen.“ Bei der Zuweisung an die Kliniken seien die Kriterien für den jeweiligen Standort gesetzlich festgelegt, dazu zählen eine Fachabteilung für Kinderheilkunde, eine Fachabteilung für Neugeborene, die Geburtenanzahl, der Anteil der natürlichen Geburten sowie Praxiseinsätze als berufspraktischer Teils des Hebammenstudiums.
„Derzeit werden die Zuschüsse berechnet und die möglichen Vorgaben und deren Auswirkungen bei einer Mittelverteilung geprüft“, erläutert Livschütz. Daher könne er über konkrete Auswirkungen auf einzelne Krankenhäuser noch keine Auskunft geben.
Geburtsstation in Reinbek gehört zu Level 4
Die Geburtsstation im Reinbeker Krankenhaus St.-Adolf-Stift sowie die Geburtsklinik im Johanniter-Krankenhaus Geesthacht gehören nach den Vorschlägen der Kommission zu den fünf Aktiven auf Level 4 in Schleswig-Holstein. Diese sind – ebenso wie die Geburtsklinik im Bergedorfer Bethesda-Krankenhaus – für reife Neugeborene ohne vorher absehbare Komplikationen gedacht. Dort ist auch keine Kinderklinik angeschlossen.
Insgesamt gibt es in Schleswig-Holstein aktuell 16 geburtshilfliche Abteilungen. Seit 2000 hat sich diese Zahl halbiert. Heute gibt es fünf Geburtsstationen auf Level 1 mit einer angeschlossenen Kinder- und einer Neugeborenen-Station, sowie jeweils drei auf Level 2 und 3, die auf Notfälle bei Mutter und Kind vorbereitet sind. „Nach derzeitigem Stand ist die geburtshilfliche Versorgung im Land gesichert und die Beteiligten arbeiten daran, dass dies auch so bleibt“, versichert Marius Livschütz. „Dazu wurde unter anderem der Qualitätszirkel Geburtshilfe eingerichtet.“
St.-Adolf-Stift: Sprecherin ist optimistisch
In Reinbek hält man es nicht für wahrscheinlich, dass die Geburtsstationen angetastet werden. „Das St.-Adolf-Stift wird die Geburtshilfe auch künftig in Reinbek vorhalten. Denn es ist ein wichtiger Versorgungsauftrag für die Region, dass Geburten wohnortnah stattfinden können“, sagt Kliniksprecherin Andrea Schulz-Colberg. „Wir haben die strukturellen und personellen Kapazitäten, um auch mehr Geburten als aktuell anbieten zu können.“
Zurzeit arbeiten in der Geburtsklinik 15 Fachärztinnen und -ärzte sowie 18 Hebammen und drei Hebammenschülerinnen. 2022 stieg die Zahl der Geburten im St.-Adolf-Stift, die 2021 wegen der strengen Pandemie-Auflange auf 666 eingebrochen war, wieder auf 689, Tendenz steigend.
Bethesda-Sprecher: „Abschaffung würde an den Bedürfnissen vorbeigehen“
Auch Matthias Gerwien, Sprecher des Bergedorfer Agaplesion Bethesda Krankenhauses, ist sicher, dass die Geburtsstationen ohne angegliederte Kinderkliniken weiter bestehen werden. „Denn die Abschaffung würde an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigehen. Schwangere aus dem Osten Hamburgs müssten für die Geburt ins Lübecker Uni-Klinikum oder nach Hamburg-Wandsbek reisen.“ Das wolle man niemandem zumuten. In Hamburg wäre das Problem etwas kleiner als in Schleswig-Holstein. Im Agaplesion Bethesda erblickten vergangenes Jahr 640 Kinder das Licht der Welt. Dort arbeiten zehn Fachärztinnen und -ärzte, neun Pflegekräfte und zehn Hebammen.
Gerwien: „Wir sind gespannt, was bei den Gesprächen zwischen Bund und Ländern jetzt tatsächlich herauskommt. Sicher ist: Keine werdende Mutter muss sich jetzt Sorgen machen. Ihr Wunschkrankenhaus bleibt ihr erhalten.“ Ergebnisse der Reform würden erst in vier bis sechs Jahren sichtbar.
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Krankenhausreform: Geesthacht kooperiert mit Kinderklinik Lüneburg
Sylvia Ziesmann-Busche, Sprecherin am Johanniter Krankenhaus in Geesthacht, in dem 2022 714 Kinder geboren wurden, teilt die Zuversicht ihrer Kollegen: „Auch in einem Level-4-Haus ohne angeschlossene Kinderklinik ist eine sichere Geburtshilfe möglich. Das Johanniter-Krankenhaus Geesthacht kann auf eine sehr gute Kooperation mit der Kinderklinik Lüneburg sowie sehr gut ausgebildete Hebammen, Kinderkrankenschwestern und Ärztinnen und Ärzte in der Frauenheilkunde verweisen.“
Im Moment gelte es, ein entsprechendes Gesetz zur eventuellen Abschaffungen von Level-4-Häusern abzuwarten. „Erst wenn es dazu zumindest einen Gesetzentwurf gibt, können wir die Auswirkungen auf unsere Klinik abschätzen.“ Die Krankenhausreform soll die Finanzierungsstruktur ändern. Aber wird dadurch die Versorgung in der Fläche unterfinanziert? „Das wird ein Nullsummenspiel werden“, ist Bethesda-Sprecher Matthias Gerwien sicher: „Die Höhe der Förderung ist erst einmal ein positiv klingendes Versprechen.“