Hamburg. Daniel Günther und fünf Regierungsmitglieder beim Empfang. Über die besondere Beziehung der beiden Nordländer.
Es war ein schleswig-holsteinisches Ministertreffen mit Blick auf die Binnenalster. Neben Kabinettschef Daniel Günther waren fünf weitere Regierungsmitglieder von CDU und Grünen zum Empfang nach Hamburg gekommen. Im gemeinsamen Gespräch der sechs ging es um die besonderen Beziehungen von Hamburg und Schleswig-Holstein, um Abhängigkeiten, einen Nordstaat – und die Frage, was noch besser laufen könnte.
Ein paar Zahlen vorweg: 180.000 Menschen pendeln täglich von Schleswig-Holstein ein, allein 50.000 von ihnen kommen aus dem Kreis Pinneberg. In 18 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Jobs in der Stadt arbeiten Menschen aus dem Nachbarland – bei der Polizei, im Hafen, in Verwaltungen und Kliniken. Hamburger Firmen sind auf Pendler angewiesen. Umgekehrt profitieren die Kommunen im Norden vom Lohnsteueraufkommen. Rund ein Drittel aller Schleswig-Holsteiner lebt im Hamburger Umland.
„Wir wollen als Norden gemeinsam gewinnen"
Ex-CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen sprach, als die Diskussion um einen Nordstaat noch intensiver geführt wurde, von einer „Aufgabe für die nächste Generation“. Die ist mit Daniel Günther längst am Start. Aber ein Nordstaat ist kein Thema mehr, weil „viele Menschen registrieren, dass sich die Zusammenarbeit zwischen dem Flächenland Schleswig-Holstein und dem Stadtstaat Hamburg stetig positiv entwickelt hat. Wir harmonieren ausgesprochen gut“, sagte Günther – trotz aktueller Schlickdebatte. „Wir haben einen Hamburger Hafen, der für Schleswig-Holstein genauso wichtig wie für Hamburg ist. Wir helfen, dass er vernünftig funktioniert. Wir arbeiten bei Wirtschaftsansiedlungsprojekten in einer Art und Weise zusammen, die es früher nicht gegeben hat.“
Günther sprach von einer neuen Politiker-Generation, die nicht nur auf den eigenen Vorteil schaue. „Wir wollen als Norden gemeinsam gewinnen.“ Als Beispiel nannte er die geplante Ansiedlung der Batterienzellenfabrik von Northvolt mit 3000 möglichen Arbeitsplätzen in Heide. Eine solche Ansiedlung könne Schleswig-Holstein ohne Hamburg nicht schaffen, sagte der CDU-Politiker, der sich sehr gut mit SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher versteht.
Für den parteilosen Wirtschaftsminister Claus Madsen ist klar: Eigentlich habe man den Nordstaat längst, nur mit zwei Ländern, die in sich selbstständig sind, aber wie ein Bundesland auftreten. Ohne Hamburg hätte Schleswig-Holstein deutlich weniger Wahrnehmung auch durch potenzielle Investoren. Um die gemeinsame wind- und energiereiche Region für Unternehmensansiedlungen noch attraktiver zu machen, forderte Madsen Investitionen in die Infrastruktur, beispielsweise in den Ausbau und die Elektrifizierung der Bahntrasse von Hamburg an die Westküste. Hamburg profitiere aber genauso von Schleswig-Holstein. „Wir bieten Flächen für Wohnungsbau und Ansiedlungen. Wir haben die grüne Energie“, so Madsen.
Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Länder sei wichtig
Wohnen im Grünen ist spätestens seit der Pandemie angesagt. Auch wegen der hohen Immobilienpreise und Mieten ziehen junge Familien aufs Land. Nur: „Wohnraum ist nicht unendlich vorhanden. Uns stellt der Zuzug aus Hamburg, ich will nicht sagen vor Probleme, aber vor Herausforderungen. Die Frage ist, wie wir den Wohnungsbau weiter vorantreiben können, wenn die Fläche knapper wird“, sagte Innen- und Bauministerin Sabine Sütterlin-Waack. Sie sprach davon, Alternativen zum „Traum vom klassischen Einfamilienhaus“ anzubieten. „Wir wollen Kommunen für Mehrfamilienhäuser in den neuen Wohngebieten begeistern.“
Bildungsministerin Karin Prien, ebenfalls von der CDU, warb für Kooperationen im Schul- und Wissenschaftsbereich. „Nicht jede Universität muss alle Studiengänge anbieten. Wir haben jetzt erste Verabredungen getroffen, gemeinsame Studiengänge anzubieten. Das ist eine Entwicklung, die wir noch viel stärker vorantreiben müssen.“ Schleswig Holstein habe viel zu bieten, zum Beispiel bei der Energiewende-Forschung oder im Bereich Life Science. „Hier sind Kooperationen für beide Partner Hamburg und Schleswig-Holstein gewinnbringend.“
Der Neujahrsempfang des Hamburger Abendblatts 2023
Spätestens seit Hamburg und Schleswig-Holstein die ehemalige Landesbank HSH in einem Milliardenkraftakt gemeinsam vor dem Ruin gerettet und dann verkauft haben, gibt es eine sehr enge Kooperation der Länder-Finanzchefs. Auf Nordseite ist das seit gut zehn Jahren die Grüne Monika Heinold. Sie lobte die gemeinsamen Bundesratsinitiativen, von denen der Norden profitiere. Heinold warnte vor einem „dramatischen Fachkräftemangel“. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Länder sei wichtig, „damit wir uns nicht gegenseitig die Arbeitskräfte abwerben. Wir müssen stattdessen gemeinsam versuchen, Menschen für eine Arbeit im Norden zu begeistern.“
Die Kooperation der Länder funktioniert gut
Darauf setzt auch der Wirtschaftsminister: „Früher sind junge Menschen in den Süden gezogen, um in den großen Autofabriken zu arbeiten. Heute kommen die jungen Menschen dorthin, wo die Firmen sind, die die Welt verändern. Noch haben wir (zu) viel Energie und zu wenige Ansiedlungen. Aber ich glaube, dass es uns mit dem Wandel zum grünen Industrieland gelingen kann, junge Menschen für Norddeutschland zu begeistern. Unsere wichtigste Aufgabe ist es, Fachkräfte für den Arbeitsmarkt zu gewinnen.“
- Herausforderungen für 2023: Wie halten wir Hamburg zusammen?
- Der Wunschzettel an die Wirtschaftssenatorin
- So wurde das Vier Jahreszeiten für den Empfang umgebaut
Ist es vor dem Hintergrund nicht geradezu absurd, wenn Tausende von Flüchtlingen im Land sind, aber nicht arbeiten dürfen? „Der Bund setzt enge rechtliche Rahmenbedingungen. Wir müssen Ermessensspielräume nutzen.“ Das sagte Sozialministerin Aminata Touré von den Grünen. Es brauche Zuwanderungsbehörden, die die geflüchteten Menschen unterstützten und berieten, aber keine, die bremsend unterwegs seien. „Das ist ein zentraler Punkt unserer Fachkräftestrategie in Schleswig-Holstein. Die meisten Menschen im Land haben kein Verständnis, wenn wir beispielsweise Pflegekräfte abschieben, die wir dringend brauchen.“ Man müsse den Menschen eine Bleibeperspektive geben, forderte auch Daniel Günther.
Die Kooperation der Länder funktioniert gut, aber wo könnte sie aus Sicht Schleswig-Holsteins noch besser funktionieren? „Wir sind offen dafür, die großen strategischen Planungen besser miteinander abzustimmen. Aus unserer Sicht ist es ein Standortnachteil, dass beide Länder eine eigene Landesplanung haben. Wir sind hier für eine noch stärkere Kooperation“, so Günther. Hamburg habe zu wenig Flächen, Schleswig-Holstein noch Möglichkeiten. „Aber wir müssen dabei den Klimaschutz mitdenken, Themen wie die Flächenversiegelung haben hohe Relevanz. Je enger wir uns abstimmen, je großräumiger wir planen, desto erfolgreicher werden wir sein“, sagte Daniel Günther.