Hamburg. Die Liste der Wirtschaftsvertreter ist lang: Weniger Schlick, ein gutes Stromnetz, eine grundsätzlich positive Stimmung.
Seit Dezember ist Melanie Leonhard (SPD) Hamburgs neue Wirtschaftssenatorin. Deshalb war sie beim Abendblatt-Neujahrsempfang im Vier Jahreszeiten auch eine begehrte Gesprächspartnerin für die zahlreich anwesenden Wirtschaftsvertreter. Was diese von Leonhard in ihrer neuen Funktion erwarten – wir haben nachgefragt.
Was Wirtschaftsvertreter von Melanie Leonhard erwarten
Michael Otto wünscht sich von Leonhard eine „neue Standortstrategie“. Es müsse noch deutlicher herausgearbeitet werden, wo der Senat die Wirtschaft in Hamburg in den kommenden Jahren hinführen möchte. Dabei sollte Leonhard aus seiner Sicht den Hafen weiter stärken und die Wasserstoffstrategie ihres Vorgängers Michael Westhagemann (parteilos) fortführen. Doch dem 79-jährigen Unternehmer liegt noch etwas anderes am Herzen: der Ausbau eines leistungsfähigen Stromnetzes in der Stadt. So berichtet er davon, dass die Otto Group an ihrer Zentrale eine größere Zahl an Ladestationen für Elektroautos installieren wollte, das städtische Netz aber dafür nicht geeignet war. Otto: „Hier muss mehr investiert und das Tempo erhöht werden.“
Norbert Aust appelliert an Leonhard, dafür zu sorgen, dass der Hafen „fit gemacht wird für die Zukunft“. Doch der Handelskammer-Präses geht noch deutlich weiter, fordert eine „Zukunftsmilliarde“ für Innovationen seitens der Stadt. Dieses Geld soll nach Austs Meinung aus Erträgen mit städtischen Unternehmen kommen, wie zum Beispiel aus den Dividenden der Hapag-Lloyd-Beteiligung. Der Betrag müsste dann in „aussichtsreiche Innovationsfelder“ wie autonome Mobilität, Grünen Wasserstoff, Künstliche Intelligenz sowie die mRNA-Technologie zur Entwicklung von Impfstoffen auf Gentechnik-Basis investiert werden.
Der Neujahrsempfang des Hamburger Abendblatts 2023
Angela Titzrath räumt der neuen Wirtschaftssenatorin zunächst einmal eine „gewisse Einarbeitungszeit“ ein. Die Wirtschaft kenne Melanie Leonhard in ihrer Funktion als Sozialsenatorin allerdings schon gut, so die HHLA-Chefin: „Sie ist für uns keine Unbekannte. Das ist von Vorteil.“ Dass der Hafenmanagerin eine „dauerhafte Lösung“ der Schlickproblematik mit den Nachbarländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen am Herzen liegt, verwundert kaum. Schließlich können die großen Frachter die Terminals nur voll beladen erreichen, wenn genügend Tiefgang vorhanden ist.
Der Hamburger Unternehmer Ian Karan, von 2010 bis 2011 Wirtschaftssenator der Hansestadt, freut sich, dass „endlich eine Frau an der Spitze der Behörde steht“. Mit ihrer klaren und gradlinigen Art werde sie die Probleme der Stadt angehen. Für Karan steht dabei das Thema Hafenschlick weit vorn auf der Agenda. „Das muss die Wirtschaftssenatorin mit Schleswig-Holstein und Niedersachsen lösen.“
Auch Alexander Birken, Vorstandschef der Otto Group, hat „hohe Erwartungen“ an Wirtschaftssenatorin Leonard. „Es geht nicht um einen Schnellschuss“, sagt er, „sondern darum, mit offenen Ohren in viele Gespräche zu gehen.“ Der Hafen sei in der Stadt immer ein wichtiger Standortfaktor. Aber es gehe vor allem auch darum, die Digitalisierung voranzutreiben, um Hamburg auch in Zukunft zu einem attraktiven Standort für Unternehmen zu machen. „Wir brauchen einen echten Schulterschluss. Dafür kann sie die Plattform schaffen.“
Andreas Bartmann, Präsident des Handelsverbands Nord und Geschäftsführer des Outdoor-Ausrüsters Globetrotter, hat vor allem die Entwicklung der Hamburger Innenstadt im Blick. „Wir sehen dringenden Handlungsbedarf, damit die klassische City und die HafenCity zusammenwachsen.“ Seit 2006 werde darüber geredet, passiert sei nichts. Jetzt blieben nur noch wenige Monate, bis Anfang 2024 das neue Überseequartier eröffnet werde. „Wir erwarten, dass wir mit der neuen Wirtschaftssenatorin vom Reden zum Handeln kommen.“ In die gleiche Richtung gehen die Erwartungen von Citymanagerin Brigitte Engler. „Wir brauchen eine attraktive Verbindung zwischen der Kerncity und der HafenCity“, sagt sie.
Der Vorstandschef der Hamburger Traditionsreederei Hapag-Lloyd, Rolf Habben Jansen, hält sich aus der Politik am liebsten heraus. Auf die Frage, welches Problem die neue Wirtschaftssenatorin als Erstes angehen soll, zögert er deshalb lange mit der Antwort. „Die neue Senatorin hat da sicherlich ihre eigene Agenda. Aber wenn Sie mich als Reedereivertreter fragen, ist für uns natürlich ein reibungsloser Transportverkehr wichtig. Und dazu gehört, dass endlich das Problem der Köhlbrandbrücke angegangen wird.“
„Die neue Führung der Wirtschaftsbehörde wäre sehr gut beraten, sich intensiv mit dem Hafenentwicklungsplan zu befassen“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende der HHLA und Ex-Chef der Deutschen Bahn, Rüdiger Grube. Und er hat auch konkret vier Punkte zu benennen: „Erstens muss das Drehkreuz für übergroße Schiffe im Waltershofer Hafen schnell kommen, zweitens sollte der Tunnel unter dem Köhlbrand zügig als Ersatz für die alte Köhlbrandbrücke realisiert werden. Drittens muss man den Hafen als denjenigen mit der besten Hinterlandanbindung erhalten. Und Frau Leonhard muss viertens die Wasserstoffwirtschaft weiter vorantreiben.“ Grube ist sich sicher, dass die neue Wirtschaftssenatorin das schafft. „Die Frau hat Power.“
Kurz und knapp äußert sich der Vizepräses der Handelskammer und zugleich neuer Vorstand der Sparda-Bank, Niels Pirck: „Die Senatorin muss den Stellenwert des Hafens in der Politik wieder anheben. Der wird vernachlässigt.“
Kein konkretes Thema brennt dem Vorstandssprecher der Haspa, Harald Vogelsang, unter den Nägeln, sondern die allgemeine wirtschaftliche Haltung: „Wir benötigen eine positivere Grundstimmung in der Bevölkerung der Wirtschaft gegenüber. Wenn die Senatorin, die ich im Übrigen für hervorragend halte, dazu beitragen kann, wäre das ein Gewinn.“
Ähnlich äußert sich der Präsident des Groß- und Außenhandelsverbands AGA, Hans-Fabian Kruse, bei seinen Erwartungen an Leonhard: „Sie muss angesichts der vielen negativen Nachrichten Optimismus in der Wirtschaft verbreiten, indem sie diese stärkt und Bürokratie abbaut.“ Bei der Energieversorgung müsse sich Leonhard für „stabile und vor allem bezahlbare Preise“ einsetzen.
Messechef Bernd Aufderheide hat das Große und Ganze im Blick: „Geht es der Wirtschaft gut, dann geht es auch dem Messewesen gut.“ Er freue sich schon auf die Zusammenarbeit mit Leonhard in ihrer neuen Position, sagt er. „Wir haben schon bei vielen Themen gut kooperiert, etwa bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Melanie Leonhard hat alles super im Griff gehabt. Sie ist sehr fokussiert.“