Hamburg. Der Übernahmepoker in Hamburg geht weiter. Warum Kliniken so unkalkulierbar geworden sind und was Lauterbach damit zu tun hat.

Die für das Jahresende 2022 angekündigte Übernahme der Krankenhäuser des katholischen Erzbistums Hamburg verschiebt sich erneut. Zwischen dem potenziellen Käuferpaar Immanuel Albertinen Diakonie sowie St. Franziskus-Stiftung (Münster) und dem Bischofssitz gibt es offenbar weiter Verhandlungsbedarf. Nach Abendblatt-Informationen geht es um die unterschiedliche Bewertung von Unternehmensteilen sowie die finanzielle Zukunft der Krankenhäuser in Hamburg und Deutschland generell.

Im Sommer hieß es, das Erzbistum wolle die Ansgar-Gruppe mit dem Marienkrankenhaus in Hamburg und dem in Lübeck sowie dem Kinderkrankenhaus Wilhelmstift plus Groß-Sand in Wilhelmsburg bis Ende des Jahres verkauft haben. Die Klinik in Lübeck wurde später im Verhandlungspoker aus dem Verkaufspaket herausgelöst.

Krankenhaus Hamburg: Erzbistum verkauft Ansgar-Gruppe

Erzbistumssprecher Manfred Nielen bestätigte dem Abendblatt: Es gebe weiter konstruktive Gespräche. „Durch die im Laufe dieses Jahres veränderten und deutlich erschwerten Rahmenbedingungen im Krankenhausbereich haben sich verschärfte Anforderungen an eine gute und zukunftssichere Lösung für die Übernahme der Krankenhäuser ergeben.“ Es brauche noch Zeit, um „bestmögliche Lösungen“ in einem „sich ständig wandelnden Umfeld“ zu erreichen.

Zu diesem Umfeld gehörten: steigende Energiepreise, der erwartete Inflationsausgleich, höhere Kosten für den Materialeinkauf. Nielen erwähnte außerdem den Fachkräftemangel und die „Reformüberlegungen auf Bundesebene“.

Ärzte und Pflegekräfte appellieren an Erzbischof

Hier, greift ohne es unmittelbar zu wollen, Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in die Amtsgeschäfte von Erzbischof Stefan Heße ein. Heße und Domkapitular Berthold Bonekamp mussten in für den Bischofssitz stürmischen Zeiten die Krankenhäuser geschmückt ins Schaufenster stellen und eine vieltausendköpfige Belegschaft bei Laune halten. Das gelingt so lala. In mehreren Schreiben und Appellen hatten sich Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte an Heße gewandt und um Aufklärung über die Zukunft ihrer Häuser gebeten.

In Krisenkommunikation haben die Katholiken Erfahrung, sind von Professionalität jedoch noch ein Stück entfernt. Verkaufsgespräche mit vertraulichen Zugängen zu einem „Datenraum“ mit betriebswirtschaftlichen Zahlen werden allerdings auch selten auf einem öffentlichen Kirchplatz geführt. In einer Mitarbeiterversammlung musste das Erzbistum zuletzt im Marienkrankenhaus die erneute Verschiebung des Verkaufs eingestehen.

Krankenhausreform 2023: Was wird aus Hamburger Kliniken?

Und nun hat Minister Lauterbach mit seiner Krankenhaus-Kommission und ersten Reformvorschlägen dazwischengefunkt. Krankenhäuser sollen künftig nach „Level“ 1, 2 und 3 eingeteilt werden, vom Grundversorger mit ein bisschen Chirurgie und Notfallambulanz bis zum weiter spezialisierten Haus und schließlich den Maximalversorgern. Wo gruppieren sich Hamburgs Kliniken da ein? Und wie ein „Vollanbieter“ wie das Marienkrankenhaus oder eine mit 1100 Mitarbeitern spezialisierte Kinderklinik wie das Wilhelmstift? Was wird dann aus Groß-Sand, dessen Management das Erzbistum aufgrund der Pensionslasten in zweistelliger Millionenhöhe zunächst an sich gezogen hatte und dann einzeln veräußern wollte?

Ärzte und Pflegekräfte der katholischen Krankenhäuser haben sich ihre individuelle Bewältigungsstrategie gebastelt. „Wir haben einen Versorgungsauftrag“, sagen viele und blenden die Missklänge um den Verkauf aus. Ein Verantwortlicher sagte: „Wichtig ist, dass wir gestalten können. Dann arbeiten wir einfach weiter – ungeachtet dessen, was sich da abspielt.“