Hamburg. Offener Krach: Die Grünen sehen die Elbvertiefung als gescheitert, die SPD weist das zurück und gibt dem Bund die Schuld.

Dass SPD und Grüne schon immer grundsätzlich unterschiedliche Haltungen zum Thema Elbvertiefung hatten, ist bekannt. Das hat sie aber nicht davon abgehalten, 2015 und 2020 Koalitionsverträge abzuschließen, in denen an dem umstrittenen Projekt festgehalten wurde. Doch nachdem es nun umgesetzt und die Fahrrinne stellenweise um einen Meter vertieft wurde, ist ein offener Krach innerhalb der Regierung ausgebrochen.

Anlass war die Mitteilung der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes, wonach der mögliche Tiefgang wegen des erneuten Schlickaufkommens ab Dezember „temporär um einen Meter eingeschränkt“ wird. Obwohl das WSV auch betont, dass es gegenüber dem Stand vor der Fahrrinnenanpassung weiterhin „eine Verbesserung des Tiefgangzuwachses von 20 bis 90 Zentimeter“ gebe, sehen viele prominente Grüne sich nun bestätigt.

Grünen bezeichnen Elbvertiefung als „gescheitert“, SPD zeigt sich empört

„Die Elbvertiefung ist eindeutig und endgültig gescheitert“, stand über einer Pressemitteilung ihrer Bürgerschaftsfraktion, in der ihr Vorsitzender Dominik Lorenzen kein Blatt vor den Mund nahm: „Die Entscheidung des Bundesamts ist zugleich fachlich richtig und eine folgerichtige Reaktion auf jahrelange Fehlplanungen und mangelnden Kooperationswillen.“

Ohne die SPD direkt zu erwähnen, forderte er, „die Probleme grundsätzlich anzugehen, statt so weiterzumachen wie bisher“. Die Hafenwirtschaft brauche Planungssicherheit, daher sei es „höchste Zeit für einen Schlickgipfel, an dem alle Beteiligten gemeinsam einen Ausweg aus dieser Krise suchen und vernünftige Lösungen für die Großschifffahrt im Norden finden“, so der Grünen-Fraktionschef.

Niedersachsen droht sogar mit Klage gegen Schlick-Verklappung vor Scharhörn

Die Altonaer Grünen-Bundestagsabgeordnete Linda Heitmann äußerte sich ähnlich: „Die erneute und massive Verschlickung der Elbfahrrinne ist ein Desaster mit Ansage. Trotz ökologischer Bedenken, die wir als Grüne in den letzten Jahrzehnten immer wieder formuliert haben, wurde der Ausbau politisch durchgedrückt.“ Die skeptische Haltung werde nun bestätigt: „Es dürfte jetzt auch dem und der Letzten klar sein, dass die Elbvertiefung gescheitert ist.“

Wie berichtet, sehen auch Niedersachsen und Schleswig-Holstein die Verklappung des Elb-Schlicks in der Nordsee sehr kritisch. Sollte Hamburg diesen, wie geplant, im Alleingang vor „seiner“ Vogelschutz-Insel Scharhörn entsorgen, droht Niedersachsen sogar mit Klage. In Hannover hat man allerdings nicht nur Umweltschutzbelange im Blick – sondern auch den eigenen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven. Der würde profitieren, wenn Hamburg für sehr große Schiffe nicht mehr erreichbar wäre.

SPD: Elbvertiefung ist nicht gescheitert, aber Bund kommt seinen Aufgaben nicht nach

SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf reagierte ungehalten auf die Kritik: „Wenn Hamburger Landespolitiker:innen aus ihrer Sicht nun das Scheitern der Fahrrinnenanpassung bejubeln, fallen sie damit den Arbeitnehmer:innen im Hafen in den Rücken“, teilte er mit – ebenfalls, ohne die Grünen direkt zu erwähnen.

Die Hauptschuld an der aktuellen Lage sieht Kienscherf aber beim Bund, der „vorsätzlich“ den bedeutendsten Hafen des Landes schwäche: „Obwohl Hamburg dem Bund Unterstützung bei der Bewerkstelligung der Aufgaben angeboten hat, wurden die mit der Fahrrinnenanpassung verbundenen notwendigen Maßnahmen vom Bundesverkehrsministerium versäumt“, so Kienscherf, der seinerseits klarstellt: „Das Konzept der Fahrrinnenanpassung ist nicht gescheitert, vielmehr ist der Bund seinen Aufgaben nicht nachgekommen.“

CDU fordert von Tschentscher: Unwürdiges Treiben beenden!

CDU-Wirtschaftsexperte Götz Wiese sprach von „Offenbarungseiden“ des rot-grünen Senats. Mit Blick auch auf Äußerungen von Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) sagte er: „Um es klar zu benennen: Hier stehen ein Vertreter des Senats und eine Vertreterin der grünen Regierungspartei – also diejenigen, die das Heft des Handelns in der Hand haben sollten – am Rand und beklagen sich. Es fehlt der politische Wille, Entscheidungen für den Hafen durchzusetzen und den Hafen zum Erfolg zu führen.“

Wiese beklagt, dass der Senat mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein „überworfen“ habe und Niedersachsen sogar mit Klage drohe: „Eine höchst verfahrene Situation, die sich unsere Stadt angesichts der vielen Baustellen im Hafen nicht leisten kann.“ Er appelliere an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), „diesem unwürdigen Treiben ein Ende zu bereiten“.