Hamburg. Nach Razzia Anhänger von Corona-Leugner Bodo Schiffmann vor Gericht. Weiter Ermittlungen um Impfzentrum am Hauptbahnhof.

Dr. F. sprach von einem „Alptraum“. Polizisten liefen „mit Schneematsch-Stiefeln über meinen Teppich“, ein „Bodyguard klebte die ganze Zeit an mir und beäugte mich“. Der Arzt war frühmorgens am 16. Februar 2021 durch lautes Klopfen an seiner Tür geweckt worden. Seine Privatwohnung und die Praxis wurden durchsucht, nach seinen Angaben auch das Auto. Bei der Razzia wurden Unterlagen und zahlreiche technische Geräte einkassiert. F. sprach in einem ausführlichen Video bei Youtube auch davon, dass „mein Haupthandy und mein Nebenhandy“ einkassiert worden seien.

Weil sich vor der Praxis an der Grindelallee noch während der Durchsuchung eine Demonstration von F.s Unterstützern bildete, rückte die Polizei zusätzlich mit einem Großaufgebot an Beamten an.

Falsche Masken-Atteste? Hamburger Arzt angeklagt

Was die Ermittler fanden, reichte der Staatsanwaltschaft Hamburg nach langen Recherchen nun zu einer Anklage vor der Großen Strafkammer: Dr. F., niedergelassener Arzt mit Kassenzulassung, wird vorgeworfen, in 117 Fällen unrichtige Gesundheitszeugnisse ausgestellt zu haben. Es soll sich um Atteste gehandelt haben, die Patienten von der Pflicht befreien, eine Maske zu tragen, wo sie nach der Corona-Eindämmungsverordnung vorgeschrieben ist.

Dabei soll F. die Patienten nicht untersucht oder eine Untersuchung bei einem Facharzt angeordnet haben. Oberstaatsanwältin Liddy Oechtering bestätigte dem Abendblatt die Anklage gegen den Arzt, der sich den „Ärzten für Aufklärung“ um den Corona-Leugner Dr. Bodo Schiffmann aus Sinsheim (Baden-Württemberg) angeschlossen hatte. Der Prozess gegen F. ist noch nicht terminiert, weil es keine Haftsache ist. Gegen F.s Kollegen W. wurde ebenfalls bereits Anklage erhoben.

Impfzentrum im Hamburger Hauptbahnhof: Ermittlungen laufen weiter

F. erklärte nach der Razzia im Youtube-Video, er habe „nichts Kriminelles“ getan, sondern „in begründeten Fällen“ Atteste ausgestellt. „Ich kann mit Bodo Schiffmann und anderen mitfühlen, was es bedeutet“, sagte F. und meinte eine „politische Motivation dieser Maßnahmen“.

In einem anderen Fall im Zusammenhang mit möglichem Fehlverhalten in der Corona-Pandemie und bei den Impfungen dauern die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch an. Anfang Dezember 2021 war die später als „Ekel-Impfzentrum“ bezeichnete Einrichtung im Hamburger Hauptbahnhof am Zugang zu Gleis 5 und 6 nach nur einer Woche Betrieb von den Behörden geschlossen worden. Nach einem Abendblatt-Bericht über die Zustände dort hatte es eine Kontrolle und eine Durchsuchung gegeben.

In dem Impfzentrum war offenbar die Kühlkette beim Impfstoff nicht eingehalten worden, was der Betreiber bestritt. Die ärztliche Aufklärung und die hygienischen Verhältnisse sollen nicht den erforderlichen Standards entsprochen haben. Der in diesem Zusammenhang belastete Arzt B. steht dabei im Zentrum der Ermittlungen. Am Hauptbahnhof wurden nach verschiedenen Angaben zwischen 500 und 1000 Menschen gegen Corona geimpft. Sie sind aufgefordert worden, sich mit ihren Ärzten in Verbindung zu setzen.