Hamburg. Eigene Veröffentlichung eingestellt – nun gilt das Pandemieradar. Was das bedeutet und wie man Corona in Hamburg jetzt beurteilt.
Nach Jahren eigenständiger Zählweise stellt Hamburg bei der Erfassung der wichtigsten Corona-Zahlen und Maßstäbe für die Bewertung des Infektionsgeschehens und der daraus folgenden politischen Maßnahmen auf die Kennziffern des Robert Koch-Institutes (RKI) um. Wie die Sozialbehörde von Melanie Leonhard (SPD) am Dienstag erklärte, werde Hamburg keine eigenen Zahlen mehr veröffentlichen, sondern auf das Pandemieradar des RKI zurückgreifen. Dorthin liefert die Behörde die Zahlen werktäglich ohnehin.
Bislang hatte Hamburg vermeintlich aktuellere Meldezahlen über Neuinfektionen veröffentlicht, die von denen des RKI abwichen. Das RKI ist immer auf die „Melder“ in den Bundesländern angewiesen, zu denen unter anderem Ärzte, Labore oder Krankenhäuser gehören. Das kann bei unterschiedlicher „Melde-Disziplin“ sowie tages- und uhrzeitabhängig zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
Corona Hamburg: Die Inzidenzen wichen ab
So gab das RKI vor einer Woche die Sieben-Tage-Inzidenz in Hamburg mit 338,7 neuen Fällen pro 100.000 Einwohner an, der Senat mit 435,98. Am Dienstag zeigte das RKI-Pandemieradar bundesweit einen Wert von 351,7, für Hamburg wurde ein Wert von 143,6 genannt.
Wichtiger als die reinen Neuinfektionszahlen ist jedoch – da ist sich Hamburg seit Monaten mit anderen Bundesländern und der Bundesregierung einig – der Blick auf andere Parameter: Wie viele der Neuinfizierten müssen ins Krankenhaus (Hospitalisierungsindex)? Wie viele sind auf den Intensivstationen, wie stark ist die Auslastung der Intensivstationen und die Belastung des Gesundheitswesens insgesamt? Wie viele neue Covid-Tote gibt es? Was kann man bereits aus dem gerade begonnenen Abwasser-Monitoring erkennen? Und wie viele der PCR-Tests sind positiv?
Diese neueren Kriterien sind jetzt laut Infektionsschutzgesetz bundeseinheitlich bei neuen Anti-Corona-Maßnahmen zu bedenken.
Wer ist an Corona gestorben, wer mit?
Bei den Covid-Toten geht es aber auch darum, dass viele mit Corona gestorben sind und nicht an. Das hatte zuletzt Prof. Stefan Kluge vom UKE thematisiert, der auf eine österreichische Studie verwies. Und der Anteil der positiven PCR-Tests an allen Verdachtsfällen war in Hamburg meist höher als anderswo. Allerdings: Auch an Alster und Elbe wird aktuell wenig getestet, sodass auch hier Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind. Das Testen halten Experten aber nach wie vor für sinnvoll, um das Infektionsgeschehen überhaupt zu messen und mögliche neue Varianten zu sequenzieren.
Es gab und gibt in der Omikron-Welle (vorherrschende Sublinie: BA.5) auch dank der Impfungen Infektionen, die ohne oder nur mit leichten Symptomen für die Betroffenen ablaufen.
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Falsche Corona-Zahlen: Tschentscher entschuldigte sich für Panne
Dass Hamburg mit der Verlängerung der geltenden Eindämmungsverordnung jetzt auf die RKI-Zahlen umstellt, erscheint sinnvoll. Nach wie vor wird jedoch nicht erfasst, wer mit und wer wegen Corona verstorben ist. Eine Untersuchung am UKE soll dazu in Zukunft ein Ergebnis vorlegen.
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte im vergangenen Dezember einräumen müssen, dass es Datenpannen im Zusammenhang mit Corona-Zahlen gegeben hatte. So war die Inzidenz der Ungeimpften irreführend. Hier hatte der Senat die Corona-Infizierten, deren Impfstatus unklar war, einfach zu den Ungeimpften gerechnet. Da auf Basis der Zahlen immer auch politische Entscheidungen für einen Lockdown oder neue Maßnahmen getroffen wurden, hatte das die Corona-Politik des Senates erheblich beschädigt.