Hamburg. Die Zahl der Obdachlosen wächst, immer mehr Drogenabhängige leben auf der Straße. Ein Report aus dem Zentrum der Stadt.

Die Sonne scheint, der Hamburger Hauptbahnhof zeigt seine schönste Seite. Am provisorischen Container der Bahnhofsmission wartet eine Klientin mit einem Buggy, darin wippt ein kleines Mädchen mit rosa Jacke unruhig hin und her. Axel Mangat öffnet das Fenster. Die schlanke Frau ist aus der Ukraine geflüchtet und hat eine Frage. Ob sie hier richtig ist? Der Leiter der Bahnhofsmission verweist sie an eine Kollegin. Mangat und sein Team arbeiten übergangsweise an der Vorplatzecke, die zur Kunsthalle führt. Ihr neues Gebäude wird Anfang 2023 fertig. An diesem Vormittag ist dies fast ein entspannter Ort. Wer hier schnell helfen kann, ist glücklich. Und eine Ausnahme.

Die Sonne scheint, der Hauptbahnhof zeigt seine hässlichste Seite. Am Eingang zur Kirchenallee sieht ein Obdachloser in Khakihosen mit blauer und brauner Fransendecke über dem Oberkörper sein Spiegelbild in einem Fenster. Gebückt steht er da, Sporttaschen, pralle weiße Stoffbeutel und ein Rucksack neben sich. An ihm vorbei laufen Bahnfahrer, Sicherheitsleute, Leidensgenossen aus der Szene derjenigen, die im Elend leben – und die Kundinnen und Kunden des Drob Inn.

Hamburger Hauptbahnhof: Abhängige können im Drob Inn Drogen konsumieren

Drogenabhängige können im Drob Inn hinter dem Museum für Kunst und Gewerbe ihren mitgebrachten Stoff konsumieren. Es sind zumeist Heroin, Crack oder Kokain. Die Mehrheit hier lebt auf der Straße. Vom Hauptbahnhof zieht der Treck des Elends dorthin. Jeden Tag. Den ganzen Tag. Hin und her.

Es sind die Unberührbaren dieser Zeiten. Sie torkeln mitunter über die Altmannbrücke in den August-Bebel-Park. Es gibt Abzweige für manche Grüppchen zum Hansaplatz, rein nach St. Georg, zum ZOB oder in die Grünanlage Richtung Hotel Atlantic und Alster. Und es stehen immer wieder Grüppchen am Bahnhofsvorplatz und in den Seitenstraßen des Viertels. Menschen, die es nicht mehr weiter schaffen. Auf Alkohol, auf anderer Droge oder auf Entzug.

Zahl der Obdachlosen gestiegen

Es ist nicht mehr zu ertragen, sagen selbst viele der Helfer. Die Zahl der Obdachlosen ist angestiegen. Das Drob Inn zieht Schutzsuchende und Kriminelle aus dem Drogenmilieu wie ein Magnet an. Unter ihnen steigt der Aggressionspegel seit Monaten. Das bricht sich Bahn auch in Angriffen auf Passanten und Polizisten. Ein Zivilfahnder erlitt bereits im Februar einen Stich in den Hals. Immer wieder kommt es zu Diebstählen und Gewalttaten, in die auch manche der Museumsbesucher oder der 550.000 täglichen Hauptbahnhof-Besucher verwickelt werden.

Verantwortliche des Straßenmagazins „Hinz&Kunzt“ sprechen von zunehmender Verelendung. Das betrifft auch die vielen Wanderarbeiter aus Bulgarien, Polen und Rumänien und die, die für eine begrenzte Zeit günstig mit dem Zug fahren konnten. „Das 9-Euro-Ticket hat auch dazu geführt, dass am Ende viele Menschen in Hamburg gestrandet sind“, sagt Axel Mangat von der Bahnhofsmission.

"Lage am Hauptbahnhof hat sich verschärft"

Dabei ist der Hauptbahnhof nur der Kristallisationspunkt des Elends, der Ort, an dem sich früh und im Großformat zeigt, was sich in der ganzen Stadt in die falsche Richtung entwickelt. Obdachlosigkeit, Verelendung und Drogensucht aber führen ebenso im Umfeld zu wachsenden Problemen. Die Gewaltdelikte nehmen zu, aber das „Dunkelfeld“ ist noch gewaltiger. Die Polizei registriert mehr Notrufe und das Elend auf der Straße und in Hauseingängen vegetierender Menschen wird immer sichtbarer – und für manche Anwohner und Gewerbetreibende zu einer Belastung.

„Wenn ich abends vom Rathaus den Kilometer zu mir nach Hause am Hansaplatz laufe, treffe ich auf 30 bis 40 Obdachlose, die in den Straßen schlafen“, sagt der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und Vorsitzende des Bürgervereins St. Georg, Markus Schreiber. „Das sind deutlich mehr als früher. Auch die Lage am Hauptbahnhof und vor dem Drob Inn hat sich verschärft. Es scheint ja so zu sein, dass sich die Polizei gar nicht mehr vor das Drob Inn traut. Das kann natürlich nicht sein. Die Polizei muss dort präsent sein.“

Immer mehr Abhängige sind obdachlos

Auch die Bahn, die das Hausrecht im Hauptbahnhof und auf den Vorplätzen habe, müsse dafür sorgen, „dass die Menschen sich dort wohl und sicher fühlen“, so Schreiber. „Dieser Bahnhof ist schließlich auch ein Aushängeschild für Hamburg, und wird von 550.000 Menschen pro Tag besucht. Polizei und Bahn müssen bei diesem Thema mehr tun als bisher.“

Die Bahn hat wieder das Vor-Corona-Niveau an Fahrgästen in Deutschlands größtem Zug-Drehkreuz erreicht. Innerhalb der Bahnhofsmauern wachen Bundespolizei und DB-Sicherheitsleute über den Betrieb. Spricht man mit Mitarbeitern der quirligen Gastro oder in den Läden der Wandelhalle, sagen die unisono: „Wenn wir hier Probleme haben, ist die Security sofort da.“ Was sie nicht sagen: Vor dem Bahnhof gelten bisweilen Faustrecht und das Gesetz der Straße.

„Unsicherheitsgefühl bei vielen wächst"

Markus Schreiber gehört zu der Generation von Sozialdemokraten, die sich an das SPD-Trauma von 2001 erinnert, als eine offene Drogenszene und das Gefühl mangelnder Sicherheit die SPD in Hamburg die Macht kosteten und dem Rechtspopulisten Ronald Schill fast 20 Prozent der Stimmen einbrachten. „Das Unsicherheitsgefühl bei vielen Menschen wächst, wenn Drogenkranke und Alkoholiker deutlich präsenter in der Stadt werden“, warnt Schreiber.

„Wenn Sie mit Drogenkranken zu tun haben, die gerade Crack konsumiert haben, wissen sie ja nicht, was die im nächsten Moment machen. Crack macht sehr aggressiv.“ Auch bei stark alkoholisierten Menschen wisse man das nicht. „Es geht um Hilfe, aber andererseits auch darum, dass die Bürger sich überall in der Stadt sicher fühlen können“, so Schreiber. „Wir wollen ja nicht irgendwann einen neuen Schill bekommen.“

Art der Drogen hat sich verändert

Die Betreiber des Beratungszentrums und Drogenkonsumraums Drob Inn dagegen sehen zwar keinen Anstieg der Drogensucht. Zuletzt habe es 2016 eine „spürbare Zunahme“ bei Konsumenten von Opioiden gegeben, sagt Christine Tügel vom Vorstand des Betreibers Jugendhilfe e.V. dem Abendblatt. Seither sei die Zahl der im Drob Inn betreuten Menschen „relativ stabil“. Auch die Art der konsumierten Drogen habe sich kaum geändert. „Die Drob-Inn-Klientel konsumiert hauptsächlich Heroin, Crack und Kokain in Pulverform und nicht wenige zusätzlich Alkohol“, so Tügel. „Diese Konsummuster sind seit Jahren stabil mit einer Tendenz zum verstärkten Kokainkonsum.“

Das Drob Inn am Hamburger Hauptbahnhof (Archivbild).
Das Drob Inn am Hamburger Hauptbahnhof (Archivbild). © Picture Alliance/dpa/Christophe Gateau

Auffällig ist aber für die Mitarbeitenden der Einrichtung eine andere Veränderung: Immer mehr Drogensüchtige sind zugleich obdachlos und leben auf der Straße. „Innerhalb der Klientel des Drob Inn ist in den vergangenen Jahren eine erheb­liche Zunahme von obdachlosen Menschen zu verzeichnen“, so Tügel. „So gaben 2021 mittlerweile 75 Prozent der in der Einzelfallhilfe Betreuten an, über keinen eigenen Wohnraum zu verfügen. Diese Quote lag 2018 noch bei 66 Prozent.“ 45 Prozent hätten angegeben, sie hielten sich auf der Straße oder in Notunterkünften, Hotels oder Pensionen auf. 2018 waren es noch 30 Prozent. Angesichts der schwierigen Lage auf dem Wohnungsmarkt werde sich diese Entwicklung voraussichtlich weiter verschärfen.

Hilfe für Drogenkranke: So arbeitet das Drob Inn

Das Drob Inn ist eine Einrichtung des  Vereins „Jugendhilfe e. V.“ und liegt nicht weit von Hauptbahnhof,  ZOB und dem Museum für Kunst und Gewerbe am Besenbinderhof. Bereits seit 2003 werden hier drogenabhängige Menschen betreut. Sie können  ungestört in geschützten Räumen Drogen konsumieren – seit einer Weile ist hier auch eine „Substitutionstherapie“ für Menschen ohne Krankenversicherung möglich. Das heißt: Heroinabhängige erhalten Methadon als Ersatzdroge.

Die „akzeptierende“ Drogenhilfe soll es den Mitarbeitenden ermöglichen, einen guten Kontakt  zu den Abhängigen aufzubauen, um ihnen auch „konkrete Hilfen zum Überleben, zur sozialen Stabilisierung und zum Ausstieg aus der Sucht“ anzubieten, wie der Verein Jugendhilfe e. V. auf seiner Internetseite schreibt. „Die Kombination von Beratung, Ausstiegshilfen und niedrigschwelligem Zugang ermöglicht das Angebot sofortiger konkreter Hilfen in fast allen relevanten sozialen Bereichen.“ Das staatlich anerkannte Angebot steht allen in Hamburg lebenden Drogenkonsumenten offen.

„Die Drob-Inn-Klientel konsumiert hauptsächlich Heroin, Crack und Kokain in Pulverform und nicht wenige zusätzlich Alkohol“, sagt Vereinsvorstand Christine Tügel. „Diese Konsummuster sind seit Jahren stabil mit einer Tendenz zum verstärkten Kokainkonsum.“ Auch die Zahl der hier betreuten Konsumenten sei seit 2016 weitgehend stabil – allerdings ist der Anteil der Obdachlosen unter den Betreuten zuletzt deutlich gestiegen.

Laut Tügel  entlastet das Drob Inn mit seinem Angebot die Hauptbahnhofregion und St. Georg. „Von der geplanten Neugestaltung des Vorplatzes im Frühjahr 2023 versprechen wir uns eine weitere Entlastung für das direkte Umfeld, denn wer auf dem Vorplatz eine Sitzgelegenheit vorfindet, muss sich nicht auf die Treppenstufen eines Hauseingangs setzen.“

Drogenszene in Hamburg sichtbarer geworden

Eine Folge: Wenn Abhängige vermehrt auf der Straße leben, führt das letztlich dazu, dass die Drogenszene in der Stadt sichtbarer und von mehr Menschen als eine Bedrohung erlebt wird.

Dass die Situation auf den Straßen Hamburgs sich verschärft hat, bestätigt der Geschäftsführer des Straßenmagazins „Hinz&Kunzt“, Jörn Sturm. „Wir sehen eine deutliche Zunahme der Obdachlosigkeit und der Verelendung“, sagt Sturm. „Im Jahr 2018 gab es nach offiziellen Schätzungen rund 2000 obdachlose Menschen in Hamburg. Heute sind es nach unserer Einschätzung deutlich mehr. Schon beim letzten Winternotprogramm waren 2700 Menschen registriert.“

„Verelendung hat deutlich zugenommen"

Neben der wachsenden Zahl der Betroffenen, macht auch deren verschlechterter Gesundheitszustand Sorgen. „Verelendung und Verwahrlosung haben deutlich zugenommen. Das liegt daran, dass es immer schwieriger wird, obdachlose Menschen in das Hilfesystem zu vermitteln und ihnen bedarfsgerechte Angebote zu machen“, sagt Johan Graßhoff, Straßensozialarbeiter bei der Diakonie.

„Für Menschen, die nicht nachweisen können, dass sie Anspruch auf Sozialleistungen haben, bleibt nur das niedrigschwellige Hilfesystem. Dies betrifft auch viele Menschen aus anderen Ländern. Je länger Menschen auf der Straße leben müssen, umso mehr verelenden und verwahrlosen sie – und umso sichtbarer wird das für die Gesellschaft.“

Viele Obdachlose aus Osteuropa

Ein bisher nicht gelöster Konflikt zwischen sozialen Einrichtungen und Politik ist der Umgang mit Menschen aus Osteuropa, die unter den Obdachlosen in Hamburg stark vertreten sind. „Für sie gilt, dass der Staat sie vorm Sterben schützen muss, sie aber keinen Anspruch haben, dass man sie aus ihrem Elend befreit“, kritisiert Jörn Sturm von „Hinz&Kunzt“. „Die Sozialbehörde bietet diesen Menschen zwar die Rückreise an, aber das hilft in der Regel nicht viel, weil die meisten dann wiederkommen. Wir sagen daher: Man muss auch hier etwas für sie tun.“

Dass das bisher nicht passiert, hat wohl vor allem einen Grund: Die Stadt will durch ein besonders gutes Hilfesystem für jedermann nicht zum Anziehungspunkt für noch mehr Obdachlose werden. Das aber ist für Sturm kein wirklich schlagendes Argument. „Es geht nicht, die Menschen einfach auf der Straße liegen zu lassen, weil sie hier keinen Anspruch auf Unterstützung haben. Das kann man ihnen nicht antun“, sagt er – und verweist auch auf die Gefahr, dass die Stimmung in der Öffentlichkeit kippen könnte. „Man muss auch darauf achten, dass die Belastungen für Anwohner nicht zu groß werden. Sonst verlieren wir die Unterstützung der Vereine und anderer Gruppen, die sich jetzt in der Hilfe engagieren.“

„Ich erlebe hier jeden Tag das volle Programm"

Genau das ist der Punkt von Mehmet Simsit. Der Gastronom betreibt am Hansaplatz den Hansa-Treff, der von 10 bis 4 Uhr geöffnet hat. „Ich erlebe hier jeden Tag das volle Programm. Die Situation hat sich wieder verschlechtert. Es gibt viele Passanten, die haben Angst, den Platz überhaupt zu überqueren“, sagt Simsit, der die Kneipe seit 2010 führt. Der Brunnen sei schon tagsüber von Trinkern in Beschlag genommen, vornehmlich seien das „Afrikaner und Osteuropäer“. Doch mit der Herkunft kann er auch falsch liegen.

Simsit sagt: „Die randalieren hier und pöbeln, schmeißen Flaschen durch die Gegend. Der Platz verelendet zusehends. Das Problem sind die vielen Kioske hier, die Billigbier anbieten und so ist immer für genügend Nachschub gesorgt.“ Und die Polizei? „Die müsste mehr Präsenz zeigen und vor allem denen, die hier für Unruhe sorgen, dauerhafte Platzverweise erteilen“, fordert Simsit. Straßenprostitution ist in St. Georg verboten, doch die Frauen, die ihre Dienste anbieten, sind im Bereich des Hansaplatzes trotzdem präsent. Tauchen Polizisten auf Streife auf, ziehen sie sich schnell und dezent zurück. Und sind rasch wieder vor Ort.

Lage um das Drob Inn dramatisch

Ralf Neubauer kennt die Situation in dem Bereich nur zu gut. Der Bezirksamtsleiter Mitte weiß: Während der Corona-Hochphase gab es am Hansaplatz ein Alkoholverkaufsverbot. Dass das Geschichte ist, sieht man jetzt umso deutlicher. Auch die Lage um das Drob Inn bewertet Neubauer als dramatisch. Es gebe deutlich mehr Menschen vor der Einrichtung. „Uns haben dazu gerade auch in den letzten Wochen verstärkt Beschwerden aus der Nachbarschaft, insbesondere auch von dort ansässigen Unternehmen, erreicht. Gerade das Sicherheitsgefühl ist durch die Situation doch erheblich beeinträchtigt.“

Der Vorplatz soll neu gestaltet werden, um die Sicherheit zu verbessern. Und: „Wir haben im Frühjahr eine Diskussion angestoßen, ob wir in Hamburg nicht einen weiteren Konsumraum brauchen, und sind dabei durchaus auf offene Ohren in den anderen Behörden gestoßen. Die Erfahrungen zeigen aber, dass das in der Praxis schwer umzusetzen ist.“

Anwohner zogen in Altona vor Gericht

Als in Altona eine ähnliche Einrichtung eröffnet werden sollte, zogen Anwohner vor das Verwaltungsgericht. Vor einem Jahr schien es, als habe sich das Problem entschärft. Nur: Die Situation rund um den Bahnhof Holstenstraße war eskaliert. Beobachter sprachen davon, dass sich die Szene vom Hauptbahnhof „partiell dorthin verlagert“ habe. Anwohner berichteten von „Drogentouristen“, die Bezirkspolitik sprach von einer „angespannten Situation“. Zusätzliches Personal der Stadtreinigung sowie der Polizei war im Bahnhofsumfeld unterwegs.

Da die Drogenkonsumenten jedoch vermehrt auch in das Wohnumfeld der Holstenstraße vordrangen, hatten Nachbarn die Anwohnerinitiative Suttnerpark gegründet. Das Bezirksamt Altona orga­nisierte daraufhin drei moderierte Gesprächsrunden mit den Betroffenen. Die letzte fand am 28. September statt.

An der Holstenstraße wird es ruhiger

Was hat sich seither getan? „Die moderierten Austauschrunden und das Zusammenwirken der bezirklichen und behördlichen Institutionen mit den Anwohner­innen und Anwohnern und Gewerbetreibenden des Quartiers haben zu einer Vielzahl von umsetzbaren Ideen und einer breiten Aktivierung vor Ort geführt“, sagte Mike Schlink, Sprecher des Bezirksamts. „Im vergangenen Jahr wurde mit vielen Aktivitäten eine Entschärfung der Situation vor Ort erreicht, sodass die geballte Drogenszene vor Ort verschwunden ist.“

Dabei spielten auch vermehrte Polizeieinsätze eine Rolle. „Die Polizeipräsenz auf dem Holstenplatz und im Bertha-von-Suttner-Park wurde seit Beginn 2022 deutlich verstärkt und der Kontakt zwischen Polizei und Bürgerinnen und Bürgern im Quartier wurde intensiviert.“ Ebenfalls sei eine deutlich höhere Reinigungsfrequenz und das Aufstellen von „Spritzenabwurfbehältern“ von der Stadtreinigung organisiert worden. Auch eine öffentliche Toilette wurde aufgestellt.

„Sicherheitsempfinden scheint gestiegen"

Dennoch sei davon auszugehen, „dass immer mal wieder Menschen mit Drogenabhängigkeiten vor Ort sein werden. Der Bereich um den Holstenbahnhof ist und bleibt ein sehr urbaner Ort mit einer hohen Nutzungsdichte“, so Schlink. Allerdings habe sich die Stimmung im Bereich Holstenplatz verbessert. „Das Sicherheitsempfinden scheint gestiegen und das Miteinander gewachsen zu sein.“ Zu vermuten ist allerdings, dass der Druck durch mehr Polizeipräsenz Abhängige wieder zurück zum Hauptbahnhof und gen Drob Inn verdrängt hat – die Probleme hätten sich also lediglich verlagert. Für den Hauptbahnhof hat die zwischenzeitliche Wanderbewegung eines Teils der Szene keine frische Luft zum Durchatmen gebracht.

Die Sozialbehörde von Melanie Leonhard (SPD) erklärte dem Abendblatt, dass die Situation „im Kreis der Staatsrätinnen und Staatsräte mehrfach thematisiert“ worden sei. An diesem speziellen Ort jedoch kämen „unterschiedliche Zuständigkeiten“ zusammen: von Bezirk über Polizei (Innenbehörde; am Bahnhof), Bundespolizei (im Bahnhof), Stadtreinigung (Umweltbehörde), Hochbahn (Verkehrsbehörde). Obdachlose, Wanderarbeiter und Geflüchtete – Kernklientel der Leonhard-Behörde – sind da noch gar nicht genannt.

Sauberkeitsoffensive am Hauptbahnhof

Am Drob Inn, so sagte es ein Behördensprecher, solle sich die Situation wieder sichtbar verbessern. Während Corona mussten im Haus Abstände eingehalten werden, was zu Warteschlangen führte. „Nach einer Übergangsphase wird sich das Geschehen daher wieder verstärkt nach innen verlagern.“ Und der Runde Tisch Hauptbahnhof kümmert sich offenbar verstärkt um ein sauberes Erscheinungsbild. Die Stadtreinigung fährt ein tägliches, aufwendiges Wisch- und Weg-Programm. Papierkörbe werden schneller geleert als befüllt. Die Sauberkeitsoffensive geht bis zum Museum für Kunst und Gewerbe. Eine Kleinkehrmaschine sei ebenfalls im Dauereinsatz, heißt es.

Die Innenbehörde verweist darauf, dass man „mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen allein“ der Lage nicht gerecht werde, wie es ein Sprecher nannte. „Die Polizei ist im gesamten Umfeld des Hauptbahnhofs sowohl mit uniformierten wie auch mit zivilen Kräften sehr präsent.“ Schwerpunkteinsätze zur Betäubungsmittelkriminalität oder zu Taschendiebstählen gebe es immer wieder. „Gerade im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität gelingt es der Polizei, immer mehr Delikte ins Hellfeld zu holen. Mit mehr Kontrollen kommen auch mehr Straftaten ans Licht.“

Neues Konzept für Hamburger Hauptbahnhof?

Was die Behörde (noch) nicht öffentlich sagt: Es gibt bereits eine Verabredung der Sicherheitskräfte. Nach Abendblatt-Informationen arbeiten Hamburger Polizei, Bundespolizei und die DB-Sicherheit bereits an einem gemeinsamen Konzept. Kern der darin skizzierten Lösung sind sowohl präventive wie auch repressive Maßnahmen. Das heißt: Beamte und DB-Security zeigen sich häufiger und auffälliger – und sie greifen härter durch.

Intern wird damit gerechnet, dass die Zahl der Straftaten zunächst noch einmal zunehmen wird. Dabei geht es um schwere Delikte wie Raub, die innerhalb der Randgruppen nicht angezeigt werden. Das kann ein gewaltsames Stehlen von Alkoholika sein oder andere Taten etwa unter Drogenabhängigen. Erfahren Polizisten durch ihre Präsenz von solchen Delikten, sind sie verpflichtet einzuschreiten. Genau das erwarten die meisten Menschen im Umfeld von Deutschlands größtem Bahnhof wohl auch vom Hamburger Senat: dass er hinguckt – und eingreift. Und hilft.