Hamburg. Gerade in besten Lagen fallen unbewohnte Gebäude ins Auge. Die Bezirke kommen mit dem Erkennen und Ahnden kaum noch hinterher.
Auf der Zufahrt wuchert Unkraut, die Balkone sind verwaist, hinter den großen Fensterscheiben gähnt Schwärze. Das Mehrfamilienhaus an der Agnesstraße, zwischen Alster und Rondeelkanal, steht unübersehbar leer. Dem zuständigen Bezirksamt Hamburg-Nord ist das aber nicht bekannt. Das teilte es dem CDU-Bezirksabgeordneten Philipp Kroll mit, der zum wiederholten Male nach dem Umgang des Bezirks mit dem Leerstand vor allem im nachgefragten Stadtteil Winterhude gefragt hatte.
Die Antwort war ernüchternd: Von etlichen Leerständen weiß die Verwaltung gar nichts, in vielen Fällen müssen eingereichte Bauanträge noch geprüft werden oder auch, ob Maßnahmen nach dem Hamburger Wohnraumschutzgesetz angewendet werden können. Wurden Zwangsgelder verhängt, wehren sich die meisten betroffenen Eigentümer. So konnten etwa, erfuhr Kroll, laufende Widerspruchsverfahren zu Leerständen an Jean-Paul-Weg, Geibelstraße, Ohlsdorfer Straße und in der Sierichstraße noch nicht beendet werden.
Immobilien Hamburg: Leerstand in nachgefragten Lagen
Und die Zwangsgelder in Höhe von 1,3 Millionen Euro, die in diesem Jahr für Objekte an der Ohlsdorfer Straße und der Andreasstraße festgesetzt wurden, konnten nicht vereinnahmt werden. „Die Vollstreckung wurde im Rahmen der Möglichkeiten des Hamburgischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes ausgesetzt, um durch Anpassung des Verfahrensverlaufs an eine erweiterte Sachlage die Umsetzbarkeit der wohnraumschutzrechtlichen Zielsetzungen zu erhöhen und etwaige verwaltungsrechtliche Risiken zugleich zu vermindern“, sagt Bezirksamtsleiter Michael Werner-Boelz, ohne weitere Details preisgeben zu wollen.
„Dass Eigentümer ganz bewusst Wohnungen leer stehen lassen, ist ein Skandal. Aber noch viel schlimmer ist, dass das von den Grünen geführte Bezirksamt nichts dagegen unternimmt und sogar dann wegschaut, wenn es Hinweise auf Leerstände wie in der Blumenstraße bekommt“, findet Oppositionspolitiker Kroll. „Hier stellt sich die Frage, ob die Bezirksämter überfordert sind und es nicht für ganz Hamburg eine zentrale Stelle geben sollte, die sich um Leerstände und Zweckentfremdung kümmert.“
In Hamburg-Nord stehen 631 Wohneinheiten leer
Derzeit ist dem Bezirksamt der Leerstand von 375 Wohneinheiten nach Paragraf 13 des Hamburger Wohnraumschutzgesetzes bekannt (dabei handelt es sich um genehmigte Leerstände, etwa wegen Bauarbeiten) sowie der Leerstand von 256 Wohneinheiten, die durch Anzeige von Eigentümern oder Dritten gemeldet wurden. Das Amt verweist dem Abendblatt gegenüber aber darauf, dass diese Zahlen nicht unbedingt den aktuellen Stand abbilden – denn wann und ob Leerstände beendet werden, wird nicht erhoben.
Auch die Ermittlung ist eher Zufallssache. „Idealerweise“, so Bezirksamtsleiter Werner-Boelz, würden Leerstände eigentümerseitig gemeldet. Saga und Genossenschaften, aber auch viele Einzeleigentümer würden das zuverlässig machen. Man sei aber auf Hinweise aus der Nachbarschaft oder der (Bezirks-)Politik angewiesen – oder dass die Leerstände Bezirksmitarbeitern im Rahmen des Außendiensts auffielen.
Ehemalige Rickmers-Villa steht seit 2009 leer
Kroll erkundigte sich auch nach Immobilien, deren Leerstand teils lange bekannt ist – und erfuhr: Im Fall der Gründerzeit-Haushälfte an der Andreasstraße 25, die seit 2014 unbewohnt ist, hat sich nichts geändert – man stehe in Kontakt mit dem Eigentümer, habe das Objekt erneut besichtigt und prüfe Maßnahmen nach dem Wohnraumschutzgesetz, so das Bezirksamt. Wegen des langjährigen Leerstands des 1950er-Jahre-Denkmals an der Bellevue 24 sei im Juni ein Bescheid verhängt worden, gegen den der Eigentümer umgehend Widerspruch eingelegt habe.
Im Fall der rosa Villa an der Fährhausstraße 22, die wegen eines drohenden Abbruchs 2019 unter Denkmalschutz gestellt wurde, seien noch keine Pläne des Eigentümers bekannt. Bei der ehemaligen Rickmers-Villa am Leinpfad 21, die seit 2009 leer steht, werde dagegen ein 2021 eingereichter Bauantrag geprüft.
Bezirksamt räumt weitere Leerstände in Winterhude ein
Ebenfalls noch geprüft werde ein im Januar eingereichter Bauantrag für die leer stehende Gründerzeitvilla an der Bellevue 6, und im Fall der Immobilie Blumenstraße 53 habe man mittlerweile Kontakt zum neuen Eigentümer. Der Abrissantrag für die einst von einer Kita genutzten Villa an der Karlstraße 39 sei abgelehnt worden, wogegen der Eigentümer Widerspruch eingelegt habe.
Und die von Kroll monierten Leerstände an der Bellevue 12 und am Leinpfad 22 seien bislang nicht bekannt. Allerdings räume das Bezirksamt weitere unvermietete Wohnungen an Alsterdorfer Straße, Gottschedstraße/Krohnskamp, Gryphiusstraße, Heidberg, Hudtwalckerstraße, Kaemmererufer, Krochmannstraße, Krohnskamp, Rehmstraße, Rondeel, Willistraße und Wimmelsweg ein.
Immobilien: Hamburg-Nord will Brachflächen im Blick behalten
Außer nach leer stehenden Häusern hatte Kroll beim Bezirksamt auch wegen etlicher Brachflächen in Alsternähe nachgefragt – unter anderem an der Blumenstraße und der Maria-Louisen-Straße. Derzeit, so die Antwort, gebe es in Hamburg-Nord nur wenige bebaubare Grundstücke, bei denen keine bauvorbereitenden Aktivitäten stattfänden.
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Lägen gültige Baugenehmigungen für Neubau oder Umbau vor, habe der Bauherr drei Jahre Zeit, sie in Anspruch zu nehmen. Sofern leere Flächen im Rahmen einer Baulückenerhebung ermittelt wurden, habe man deren Eigentümer angeschrieben. Diese Flächen würden weiter beobachtet.