Hamburg. Prof. Hauber und das Hamburger Start-up Provirex haben eine “völlig neue Therapie entwickelt“. Ihr Vorbild: Biontech.
Die Adresse ist so einprägsam, dass man beinahe nicht mehr an Zufälle glaubt. Doch so ist es: Das Mainzer Medizin- und Biotechnologie-Unternehmen Biontech hat seinen Hauptsitz an der Straße An der Goldgrube, Hausnummer 12. Weit bevor die Corona-Pandemie auch nur erahnt werden konnte oder der weltweite vertriebene Impfstoff aus dem Unternehmen der Gründer Uğur Şahin und Özlem Türeci als Idee entwickelt war, befasste sich Biontech mit Grundlagenforschung zu Krebstherapien und Ansätzen von Medizin, die individuell auf einzelne Patienten zugeschnitten werden kann.
Erst eine Finanzspritze von 180 Millionen Euro und die weitere Beteiligung der Pharmaunternehmer Andreas und Thomas Strüngmann (die Hexal gründeten und für Milliarden verkauften) machte Biontech zum „Big Player“. Von dem Moment an, als seine Impfstoffe gefragt waren, wurde Biontech zur Goldgrube.
Experiment: HIV-Viren können sich aufhalten lassen
Man muss diese Geschichte kennen, um die vielversprechenden Ansätze und Entwicklungen zu verstehen, die sich jetzt um eine Hamburger Forschungsausgründung namens Provirex drehen. Als Start-up aus dem Heinrich-Pette-Institut (HPI, heute Leibniz-Institut für Virologie) kannte man das Projekt seit einigen Jahren bereits. Schon im Jahr 2005 schlagzeilte das Abendblatt: „Aids – Hoffnung kommt aus Hamburg“.
Der Virologe Prof. Joachim Hauber hatte im Experiment gezeigt, dass sich HIV-Viren, die Aids hervorrufen in ihrer Verbreitung im Körper aufhalten lassen. Der „Scientific American“ hatte Hauber zu den 50 wichtigsten Forschern weltweit gezählt.
Meilenstein im Kampf gegen HIV: "Völlig neue Therapie"
Nun hat Hauber mit Provirex den nächsten Schritt geschafft und einen Meilenstein passiert. Die Göttinger Investmentfirma Bioventure beteiligt sich, die Institutsausgründung zieht mit Hamburger Fördergeldern in die Science City nach Bahrenfeld, arbeitet dort an einer „völlig neuen Therapie“ gegen HIV und möglicherweise wie Biontech an neuen Wegen, den Krebs zu behandeln. Die personalisierte oder individuelle Medizin mit ihren pharmazeutisch unterstützten Methoden ist nicht nur für Biontech, sondern für alle Biotechnologiefirmen das Feld der Zukunft.
Schon Ende 2023 soll die erste klinische Studie am UKE starten. Patienten sollen dann ihre vorher entnommenen und mit einer „Gen-Fähre“ präparierten blutbildenden Stammzellen zurückerhalten, die die Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) „rückgängig machen“. Provirex nutzt sogenannte „hochspezifische Designer-Rekombinasen“, um das menschliche Erbgut zu entschlüsseln und es nach dem „Umdrehen der Infektion“ wieder „fehlerfrei“ zusammenzufügen.
Fegebank hat sich für die Behandlung eingesetzt
Das klingt auch in den Ohren von Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) nach einem „vielversprechenden Therapieansatz“. Sie hat sich nach eigenen Angaben vor Jahren bereits mit Prof. Hauber getroffen und sich mit dem grünen Abgeordneten Farid Müller dafür eingesetzt, dass diese Ideen zur Behandlung oder gar Heilung von HIV/Aids durch die Bürgerschaft unterstützt werden.
Fegebank sagte: „Provirex ist ein tolles Beispiel für den erfolgreichen Weg von der Grundlagenforschung am Leibniz-Institut für Virologie bis hin zur klinischen Studie am UKE und der Ausgründung als Start-up am Wissenschaftsstandort Hamburg.“
HIV-Behandlung: Das "Biontech von Hamburg"?
Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) ließ keinen Zweifel daran, dass dieses ehrgeizige Projekt das „Biontech von Hamburg“ werden kann. „Durch den Aufbau des Therapie-Hubs von Provirex kommen wir der Vision unseres Clusters Life Science Nord, die weltweite Gesundheitsversorgung zukunftsgerichtet aus Norddeutschland, aus Hamburg zu gestalten, ein ganzes Stück näher“, so der Wirtschaftssenator.
„Die Life Sciences stellen für Hamburg und Schleswig-Holstein ein äußerst wichtiges Zukunftsfeld dar.“
Nach HIV auch Anwendungen bei Krebs denkbar
Das setze, sagte Westhagemann, Hamburg auf die Karte für ambitionierte Start-ups. „Wir brauchen die Start-up-Szene – auch, um Talente anzulocken.“ Und um Steuereinnahmen für die Stadt zu generieren sowie das Millionen-„Investment“ des Senates bei Provirex wieder reinzuholen. Das steht ebenso im Mittelpunkt aller Forschungsbemühungen, wie Donnerstag mehrere Vertreter von Politik und Wissenschaft betonten.
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Die Wirtschaftlichkeit von Grundlagenforschung zeigt sich in der Anwendung. In den geplanten Provirex-Laboren in Bahrenfeld werden Forschung und Produktion zusammengedacht. Prof. Hauber ist überzeugt, dass diese Forschung sich ökonomisch lohnt. Mit den patientenspezifischen Immunzellen könne eine „personalisierte Medizin“ entwickelt werden, die nach HIV auch Lösungen zum Beispiel für Krebserkrankungen liefern könnte.
Wirtschaftssenator Westhagemann hat das bei Twitter schon einmal vorempfinden lassen. Seine Behörde postete freudig, den „Therapie-Hub zur Heilung von HIV“ richte jetzt das „Biontechunternehmen Provirex“ ein. Da war ein „n“ zu viel in den Tweet gerutscht. Provirex kann zeigen, dass Biotech nicht nur Biontech ist.